Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! So ist es!)

Diese Debatte hat – mit Verlaub, Herr Ministerpräsident – ei ne weitere Konfliktsituation innerhalb der Landesregierung deutlich werden lassen: Während sich die Frau Integrations ministerin an unserem Konzept abarbeitet, das sie für nicht umsetzbar hält, rufen Sie von der Regierungsbank – wobei Sie es auch vom Rednerpult aus tun könnten –: „Das machen wir doch schon alles!“ Ja, was gilt denn nun? Ist es Unsinn, wie es Herr Schmiedel sagt, oder macht es die Regierung? Sind 98 % unseres Konzepts umgesetzt, aber Unsinn, oder spre chen wir, wenn wir Unsinn meinen, nur über 2 %, lieber Kol lege Schmiedel? Was gilt denn nun in dieser grün-roten Lan desregierung?

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der SPD: Nicht Ihr Konzept!)

Herr Ministerpräsident, wenn Sie sich in Reminiszenz an Ih ren früheren Beruf aufgerufen fühlen, das Parlament aufzuru fen: „Jetzt hört halt einmal zu!“, dann erlaube ich mir in aller Bescheidenheit, die Bitte aus der Mitte des Parlaments an Sie zu richten: Liebe grün-rote Landesregierung, jetzt hört halt mal zu! Auch ihr könnt in diesem Land noch besser werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Die Kollegin Grünstein – –

(Zurufe von den Grünen)

Der Herr Ministerpräsident hat gesagt: „Jetzt hört halt ein mal zu!“ Macht das doch bitte bei den Grünen.

Die Kollegin Grünstein, die ich sehr schätze, hat sich, wie ich finde, trotzdem zu einem sehr zynischen Satz verstiegen: „Viel Lärm um nichts.“

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Da stelle ich mir schon die Frage: Sprechen Sie gelegentlich auch einmal mit den Kommunalpolitikern vor Ort? Sprechen Sie mit den Landräten, mit den Bürgermeistern, die diese gro ße Aufgabe zu bewältigen haben? „Viel Lärm um nichts“ – das wird vor Ort aber anders eingeschätzt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Unruhe bei den Grünen und der SPD)

Die Landesregierung ist nach wie vor gut darin, den Schwar zen Peter anderen zuzuspielen. Der Ministerpräsident will an dere Verteilungsschlüssel, mehr in den Osten. Grün-Rot sagt, wir brauchen mehr Personal vom BAMF – was richtig ist –, aber richtig wäre auch, festzustellen, dass das BAMF jetzt erst einmal 2 000 Stellen angekündigt hat, während Sie in Sachen Personalverstärkung an den Verwaltungsgerichten, in Sachen notwendige zusätzliche Stellen bei den Verwaltungsgerichten bislang überhaupt nichts getan haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von den Grünen: Ach!)

Sie verlagern das Nadelöhr vom BAMF zu den Verwaltungs gerichten. Deshalb kann ich Sie nur ermuntern: Legen Sie die se reflexartigen Kämpfe gegen alles, was man sich in dieser Situation an Vorschlägen einzubringen erlaubt, ab, und den ken Sie einmal darüber nach, wie man die Kommunen entlas ten könnte: etwa, indem man für die Erweiterung der Min destwohnfläche von 4,5 m2 auf 7,0 m2 den Kommunen durch eine Allgemeinverfügung eine Übergangsfrist geben könnte.

(Glocke des Präsidenten)

Denken Sie einmal darüber nach, wie man mit professionel len Strukturen die vielen ehrenamtlich in der Flüchtlingsar beit Tätigen unterstützen könnte. Das würde der Flüchtlings politik in Baden-Württemberg mehr dienen als grün-rote Po lemik, von der niemand etwas hat.

(Abg. Sascha Binder SPD meldet sich.)

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich dem Kollegen Lede Abal das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Zu Ihnen, Herr Rülke, nur ein Satz: Wer Beamte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit mit dem Vorwurf beschimpft, sie würden die Bevölkerung „heimsuchen“, der hat sich, glau be ich, an den Rand dieses Raumes gespielt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das entspricht aber dem Niveau, das in Ihrer Rede feststell bar war: Sie halten immer noch daran fest, dass innerhalb von drei Monaten die Weiterleitung direkt in die Abschiebung möglich wäre.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie sollten die nächsten tausend Jahre nicht mehr über Niveau reden, nach dem, was Sie sich in der Enquetekom mission geleistet haben!)

Zu Ihnen, Herr Wolf: Sie müssen erst einmal Ihre eigenen in neren Widersprüche abarbeiten. Sie haben mir erst vorgewor fen, ich hätte mich an Ihrem Papier abgearbeitet, dann, ich hätte gar nichts dazu gesagt.

(Abg. Guido Wolf CDU: Das stimmt, Sie haben re lativ wenig gesagt! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gar nichts! – Glocke des Präsidenten)

Das ist schon einmal das Erste, was ich Sie gern fragen wür de.

Dann haben Sie aber in Ihrem Papier und auch hier über Stan dards und die große Aufgabe gesprochen. Wissen Sie, ich ha be mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Arbeits kreis Integration der grünen Landtagsfraktion im Jahr 2012 den Kreis Tuttlingen besucht und mir dort die Einrichtung auf dem Witthoh angeschaut, eine in Baden-Württemberg legen däre Einrichtung, die vom Flüchtlingsrat den Titel „Schlech teste Flüchtlingsunterkunft im Land“ erhalten hat. Das ist wahrscheinlich auch die Gemeinschaftsunterkunft mit den mit Abstand häufigsten Presseerwähnungen in diesem Land.

Kollege Lede Abal, bevor Sie un entwegt fortfahren, frage ich Sie: Gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Pröfrock?

Nein. Ich würde jetzt gern erst einmal meine Ausführungen zu Ende bringen.

Der neue Landrat hat damals ein schweres Erbe angetreten. Er war erst wenige Wochen im Amt, aber er hat damals ein Konzept vorgestellt, wie er damit umgehen und die Unterkunft dort auflösen möchte. Das hat er wegen der hohen Zugangs zahlen – –

(Abg. Guido Wolf CDU: Das können Sie beurteilen? Wieso ist das heute noch belegt?)

Ja, das hat er wegen der hohen Zugangszahlen nicht tun kön nen, aber er hat deshalb ein schweres Erbe angetreten, weil es in Zeiten hoher Zugangszahlen nicht möglich ist, aber sein Amtsvorgänger in Zeiten niedriger Zugangszahlen nichts zur Änderung der damals schon sehr schlechten Situation getan hat.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Wer war denn das? – Zurufe von der CDU)

Wir haben im Herbst des vergangenen Jahres beim Flücht lingsgipfel ein ganzes Konzept, ein Maßnahmenpaket, vorge legt. Wir haben uns an diesem Konzept entlanggearbeitet und vieles daraus umgesetzt. Manches ist nicht so ohne Weiteres umsetzbar, weil es bundesrechtliche Hürden gibt – ich darf Sie daran erinnern –, z. B. bei der Arbeitsaufnahme. Die Ge sundheitsversorgung habe ich hier bereits angesprochen, und ich sage ausdrücklich: Wir werden weiter daran arbeiten müs sen.

Seit Mai haben wir die neue Schätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit einer Verdopplung der zu er wartenden Flüchtlingszahlen für dieses Jahr vorliegen. Es ist doch selbstverständlich, dass man jetzt nacharbeiten muss und weitere Landeserstaufnahmeeinrichtungen braucht. Wir ha ben die Erstaufnahmekapazitäten inzwischen auf 8 000 bis 9 000 Plätze erhöht, und ich sage Ihnen ausdrücklich: Es wer

den weitere folgen müssen. Es wird auch so sein müssen, dass die BEAs, die Noteinrichtungen, standardmäßig in LEAs um gewandelt werden müssen.

Hierbei ist die Landesregierung auf der Suche. Es gibt inzwi schen einige Projekte, die umgesetzt sind, und weitere Pro jekte, die auf dem Weg sind. Sie wissen, dass diese Standor te hinzukommen werden. In Tübingen beispielsweise wird das Ganze jetzt auch auf den Weg gebracht. Wir haben an den LEA-Standorten, weil die Situation dort manchmal nicht ganz so einfach ist, natürlich auch zusätzliche Angebote mit Sozi albetreuung in die LEA hinein, aber auch nach außen gemacht.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Wir entlasten die Kommunen auch nachhaltig. Sie haben die Kommunen damals mit dem Defizit alleingelassen. Die er höhte Polizeipräsenz, die Sie fordern, ist bereits umgesetzt; die Erhöhung erfolgt nämlich parallel zur Bevölkerungsent wicklung.

Ich sage Ihnen noch eines:

(Abg. Guido Wolf CDU: Alles schon da, alles per fekt, alles in Butter!)

Die 2 000 zusätzlichen Bundesbeamten des BAMF, die ange kündigt wurden, sieht man bislang irgendwo am Horizont irr lichtern. Die hat noch niemand real gesehen. Aber bei den Ver waltungsgerichten in Baden-Württemberg ist die Zahl der Stellen schon um 16 aufgestockt worden. Das nehmen Sie bit te zur Kenntnis, Herr Wolf.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Guido Wolf und Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Alles in Butter!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Kollegin Grünstein das Wort.

(Abg. Guido Wolf CDU: Jetzt, wie viel Lärm um was?)

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Sie haben es nicht kapiert.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie haben mit Sicherheit Fachkollegen in Ihrer Fraktion. Las sen Sie sich das erklären.

(Zuruf von den Grünen: Erklären Sie es noch mal!)