Protokoll der Sitzung vom 28.10.2015

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn wir sehen – hier zitiere ich aus der Bertelsmann-Studie –, dass gerade in den letzten zwei Jahren enorme Anstrengun

gen seitens der Träger vollbracht wurden, dann ist dies ein Verdienst genau der Träger vor Ort. Das sollte man an dieser Stelle auch würdigen.

Ich denke, wir sind uns auch darüber einig, dass es ganz wich tig ist, ein Bildungssystem zu schaffen, bei dem wir gelingen de Übergänge für die Kinder und Jugendlichen vorbereiten. Das heißt, es geht um eine Bildungsbiografie ohne Brüche. Hierfür haben wir eine besondere Verantwortung. Deshalb geht es für uns, die CDU-Fraktion – dazu haben Sie, Frau Wölfle, überhaupt keinen Satz gesagt –, ganz zentral um das Modell der Bildungshäuser für die Drei- bis Zehnjährigen. Wir wissen, dass es an 194 Standorten in Baden-Württemberg eine hervorragende Kooperation zwischen den Kindergärten und den Grundschulen gibt und dort genau dieser gelingende Übergang vom Kindergarten in die Grundschule praktiziert wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ZNL, das TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm, hat auch ausdrücklich belegt, dass nicht nur die Kinder in den Kindergärten, sondern auch die Kinder an den Grundschulen davon profitieren, dass durch das gemein same pädagogische Konzept dieser beiden Einrichtungen vor Ort genau dieser Übergang gelingt. Sie haben keinen Ton da zu gesagt.

Für uns gehört zu einer hervorragend aufgestellten Bildungs landschaft in Baden-Württemberg – wir wollen darauf hinwir ken, dass wir eine sehr gut aufgestellte Bildungslandschaft be kommen – auch ein flächendeckendes Angebot an diesen Bil dungshäusern, die zweifelsohne eine erfolgreiche Arbeit prak tiziert haben.

Sie haben keinen Satz dazu gesagt. Im Gegenteil: Sie hatten die Absicht, zu Beginn des Schuljahrs 2015/2016 diese erfolg reichen Einrichtungen auslaufen zu lassen. Jetzt haben Sie sie noch einmal um ein Jahr verlängert. Angeblich, Frau Staats sekretärin, steht jetzt eine Entscheidung im Ministerrat an, wie es mit den Bildungshäusern weitergeht.

Viele Kommunen warten darauf, zu erfahren, wie sich Ihre noch amtierende Landesregierung dazu positioniert. Auch wir erwarten von Ihnen heute eine Antwort, wie Sie sich die Zu kunft dieser sehr guten Einrichtungen vorstellen.

Meine Damen und Herren, wenn wir über das Thema Quali tät sprechen, dann geht es nicht nur um die personelle Aus stattung, sondern auch um die Qualifizierung. Auch dazu, Frau Wölfle, haben Sie leider nichts gesagt. Es geht um die fortlau fende Fortbildung der Fachkräfte, die gerade aufgrund der zu nehmenden Heterogenität auch in den Kindergärten erforder lich ist. Es sind einmal zu Beginn dieser Legislaturperiode 10 Millionen € als Landesanteil zur Verfügung gestellt wor den. Der Förderbedarf, der Fortbildungsbedarf steigt aber wei ter. Wir sehen hier aufgrund der zukünftigen Herausforderun gen eine dringende Notwendigkeit, nicht nur über den Perso nalschlüssel zu sprechen – das ist natürlich sehr wichtig –, sondern darauf hinzuwirken, dass die Fachkräfte in unserem Land für die Zukunft gut aufgestellt werden und eine ange messene, gründliche Fortbildung für die Aufgaben erhalten, die sie vor Ort haben.

Auf die Frage, welche konkreten Zielsetzungen diese Quali fizierungsmaßnahmen haben, würde ich dann gern in der

zweiten Runde eingehen. Dabei werde ich eine weitere Lücke in Ihrer Politik ansprechen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort dem Kollegen Poreski.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die Kollegin Wölfle hat bereits darauf hingewiesen: Baden-Württemberg hat im Ganztagsbereich deutschlandweit das beste Betreuungsverhältnis in der Klein kindbetreuung. Gemeinsam mit den Kommunen im Land ha ben wir erreicht, dass auf eine Erzieherin bzw. einen Erzieher rechnerisch nun weniger als drei Kinder kommen. Dafür hat die grün geführte Landesregierung die Mittel für die Klein kindbetreuung verzehnfacht. Grundlage hierfür war der Pakt des Landes mit den Kommunen. Ohne diesen grün-roten Pakt und die dort definierten Mindestpersonalschlüssel wären wir in der Bertelsmann-Studie nicht deutscher Meister, sondern höchstens Kreisklasse. Das ist jetzt nicht meine Meinung; es ist eine Tatsache.

Der Ausbau der Kleinkindbetreuung ist ein wichtiger Erfolg der grün geführten Landesregierung; er ist ein entscheidender Beitrag zu einem leistungsfähigen und gerechten Bildungs system von der Kita bis zur Hochschule. Wir, das Land, ha ben in relativ kurzer Zeit einen großen Sprung nach vorn ge macht, quantitativ und qualitativ. Wir sind hier aber in einem Entwicklungsprozess, der noch lange nicht beendet ist.

Diese Aussage können Sie einordnen, wenn Sie sehen, wo wir herkommen: Erst seit dieser Wahlperiode ressortiert die vor schulische Bildung im Kultusministerium. Die Anforderun gen an die Fachkräfte in den Kitas sind ständig gestiegen, vom fachlichen Dreiklang „Bilden, Erziehen, Betreuen“, vom Um gang mit sozialer und kultureller Vielfalt über gesetzliche Vor gaben bei der Sicherheit und bei Lebensmitteln bis hin zu pä dagogischen Zielen in der Sprachförderung, Bewegung, Na turerfahrung, Ernährung und Inklusion.

Diese Anforderungen sind alle berechtigt. Allerdings: Bei der gesellschaftlichen Wertschätzung der Arbeit in den Kitas, bei der realen Anerkennung ihrer Arbeit, ist noch Luft nach oben. Die tariflichen Auseinandersetzungen sind nur ein Ausdruck davon. Es ist notwendig, dass wir in Baden-Württemberg ei nen verbindlichen Qualitätsrahmen erarbeiten, der die inhalt lichen und fachlichen Maßstäbe und auch die dafür erforder lichen Ressourcen definiert. Diesen müssen wir im Dialog mit den Kommunen und den kommunalen Landesverbänden ent wickeln, im Dialog mit Erzieherinnen und Erziehern, mit den verschiedenen Trägern von Kindertagesstätten und mit den Eltern.

Unser Ziel sind überall in Baden-Württemberg qualitativ hochwertige Spiel- und Lernorte für Kinder, egal, ob in der Stadt oder auf dem Land. Gute Kitas sind die Orte, in denen am einfachsten und nachhaltigsten auf Chancengleichheit und auf die Überwindung sozialer Benachteiligung hingewirkt werden kann – wenn diese in hoher Fachlichkeit gestaltet wer den. Denn uns ist sehr bewusst: Wir können nicht einfach For derungen übereinanderstapeln und die Fachkräfte vor Ort in

überfordernde und letztlich frustrierende Drucksituationen bringen; wir müssen im weiteren Verlauf auch dafür sorgen, dass überall – nicht nur an einzelnen Orten – die Bedingun gen stimmen.

Ich nenne ein Beispiel: Niemand käme bei einer kleinen Grundschule mit Halbtagsunterricht auf die Idee, dass diese keine Leitung, kein Sekretariat und keine Unterstützung durch einen Hausmeister benötigt. Aber selbst bei großen Kitas im Zehn-Stunden-Schichtbetrieb ist dies häufig ganz anders. Des halb ist klar: Wenn wir über Qualität reden, über Organisa tions- und Qualitätsentwicklung, müssen wir auch anerken nen, dass dies Führungs- und Leitungsfreistellung sowie eine entsprechende Infrastruktur erfordert.

Dabei wird immer wichtiger, dass in Kindertagesstätten Men schen mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund multi professionell zusammenarbeiten. Als zentrale Orte im Sozial raum können sie sich zu Kinder- und Familienzentren weiter entwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Sie können z. B. familienentlastende Dienste im Sozialraum bündeln, niedrigschwellige Angebote zur Familienbildung machen, Selbsthilfe vernetzen und das Potenzial Ehrenamtli cher erschließen – mit einem professionellen Kern an fachlich breit aufgestellten Fachkräften.

Wir wollen daher Anreize dafür setzen, dass sich Kinderta gesstätten zu Familienzentren weiterentwickeln, die Kindern, Eltern und Familien eine leicht zugängliche Unterstützung und Förderung anbieten. Deshalb macht es Sinn, zuerst an die ser Stelle die Themen Leitung und Leitungsfreistellung mit zusätzlichen Ressourcen zu verbinden.

Über Familienzentren in soziale Netzwerke und in den gesell schaftlichen Zusammenhalt zu investieren wäre auch in nor malen Zeiten eine notwendige Aufgabe, die aktuell ansteht. Jetzt, in Zeiten eines großen Flüchtlingszuzugs, ist dies für unsere Gesellschaft existenziell. Denn die meisten Flücht lingskinder – das wird oft übersehen – sind im Kita-Alter.

Deshalb ist es auch richtig, dass wir im Land die durch den Wegfall des verfassungswidrigen Betreuungsgelds frei wer denden Mittel für den Ausbau und die Qualität der Kinderbe treuung einsetzen. Angesichts dieser sozialpolitischen Her ausforderungen ist es geradezu aberwitzig, dass der CDUSpitzenkandidat Wolf allen Ernstes ein Landesbetreuungsgeld einführen will. Es ist eine zentrale staatliche Aufgabe, eine gute Infrastruktur im Sozialen und in der Bildung bereitzu stellen – eben auch im Bereich der Kindertagesbetreuung. Diese Infrastruktur kann jeder für sich annehmen oder sie in Teilen auch ablehnen. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, Men schen dafür eine Vergütung zu zahlen, dass sie ein gesell schaftlich gewolltes Angebot nicht annehmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie eine hoch subventionierte Konzertveranstaltung nicht besuchen wollen, steht Ihnen dafür auch keine Vergü tung zu, und falls Sie eine solche verlangen sollten, wird man sich zu Recht fragen, ob Sie noch alle fünf Sinne beisammen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Es wird Zeit, dass sich die CDU im Land von der CSU eman zipiert und bei der zentralen gesellschaftlichen Zukunftsauf gabe der frühkindlichen Bildung endlich ihre ideologischen Scheuklappen ablegt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Mein Redebeitrag in der letzten Ak tuellen Debatte, die die SPD zum Thema Kinderbetreuung für die Sitzung am 12. März dieses Jahres beantragt hatte, muss den Ehrgeiz der Genossinnen und Genossen geweckt haben. Ich habe damals von der im Jahr 2011 geborenen Schülerin Eva gesprochen, die dereinst ein Referat über das Thema „Kinderbetreuung früher und heute“ halten muss und deshalb Protokolle vergangener Plenarsitzungen des Landtags durch sieht und dabei feststellt, dass die SPD-Fraktion in dieser Le gislaturperiode fünf Aktuelle Debatten zum Thema Kinderbe treuung beantragt hat.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ein wichtiges The ma! Uns ist das halt wichtig, im Gegensatz zur FDP! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Haben Sie etwas da gegen?)

Nun hat sich die SPD ganz offensichtlich flugs noch eine sechste Debatte zur Kinderbetreuung überlegt;

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ich werde mal re cherchieren, wie oft Sie das Gleiche sagen!)

dann ist wenigstens das halbe Dutzend voll. Den Spitzenplatz beim Beantragen von Aktuellen Debatten zum Thema Kin derbetreuung kann der SPD sowieso niemand mehr streitig machen.

Warum tun die Sozialdemokraten das? Das wird sich dereinst vermutlich nicht nur Eva fragen. Kennen die Sozialdemokra ten keine anderen wichtigen Themen gerade im Bildungsbe reich? Gerade dann, wenn es bei der Kinderbetreuung gut läuft, wäre es doch wichtiger, diejenigen Probleme anzupa cken, bei denen tatsächlich wichtige Entscheidungen zu tref fen sind.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Machen wir doch!)

So könnte der SPD z. B. die erschreckend hohe Zahl der über forderten Fünft- und Sechstklässler einfallen – eine Tatsache, die auch der Philologenverband jüngst in einer Umfrage her ausgefunden hat. Wie soll es weitergehen mit der von GrünRot unverbindlich gemachten Grundschulempfehlung? Wie können wir für jeden Schüler in Baden-Württemberg die pas sende Schule finden? Eine weitere Frage könnte sein: Welche Vorkehrungen sind in den Kindertageseinrichtungen und in den Schulen für die Flüchtlinge zu treffen?

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Fragen Sie die Staats sekretärin!)

Wie können wir dabei ein effektives Integrationsangebot mit Deutschkursen etc. aufbauen? Diese wenigen Beispiele mö gen zunächst genügen. Das, was wir hier von Kollegin Wölf

le und vom Kollegen Poreski gerade gehört haben, war ja äu ßerst allgemein und äußerst dürftig.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe von den Grünen und der SPD: Was? – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wie bitte? – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Man kann das auch anders ab arbeiten!)

Es geht Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute weni ger um Kinderbetreuung als um eine Selbstbeweihräucherung der grün-roten Koalition. Aber an Ihre Adresse gerichtet sei gesagt: Zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen.

Die Koalition drückt sich ganz offensichtlich vor Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen und deshalb mögli cherweise kontrovers diskutiert werden. Stattdessen klammern Sie sich lieber an Themen, an denen Sie sich die Finger nicht verbrennen können. Denn niemand hat wirklich etwas gegen den Ausbau der Kinderbetreuung –

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Ach!)

obwohl es auch bei der Bildung und der Betreuung der Kleins ten durchaus noch viel zu tun gäbe.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Deshalb habt ihr das die ganze Zeit liegen gelassen? Niemand hat et was dagegen, aber getan haben Sie nichts!)