Protokoll der Sitzung vom 29.10.2015

Die Tätigkeit im Landtag ist kein unbefristetes Arbeitsverhält nis, sondern ein Mandat auf Zeit, begrenzt durch die Legisla turperiode, durch die Wahl, die am Ende einer Legislaturpe riode – bei diesem Landtag am 13. März 2016 – ansteht. Mit dieser Wahl verbunden kann das Ausscheiden aus dem Land tag sein, auch wenn Kolleginnen und Kollegen wieder ange treten sind.

Während der Tätigkeit im Landtag ist es nicht üblich, dass wir uns neben dieser beruflichen Tätigkeit der Volksvertretung auch um eine berufliche Beschäftigung nach einem möglichen Ausscheiden kümmern. Deshalb ist es richtig, es den Kolle ginnen und Kollegen, die in einem solchen Fall ausscheiden, durch ein von der Dauer der Zugehörigkeit zum Landtag ab hängiges Übergangsgeld zu ermöglichen, dass sie auch Zeit haben, sich um eine Rückkehr in ihren früheren Beruf zu küm mern, und in dieser Zeit abgesichert sind.

Bisher war für diese Zahlungen des Übergangsgelds gemäß dem Grundsatz des Verbots der Doppelalimentation aus öf fentlichen Kassen ausgeschlossen, dass man aus öffentlichen Kassen eine neue berufliche Tätigkeit bezahlt bekommt und gleichzeitig Übergangsgeld erhält.

Wir wollen immer mehr – das findet auch immer mehr statt – den Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft, und zwar nicht nur durch Ausscheiden aus dem Landtag am Ende einer Le gislaturperiode wegen verpasster Wiederwahl, sondern auch in einem fließenden Übergang. Deshalb kommen auch die pri vatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeiten immer mehr in den Blick.

Mit der Regelung, die in dem Gesetzentwurf enthalten ist, wird die Regelung aus dem Ministergesetz inhaltsgleich über nommen. Somit wird auch eine Anrechnung der privaten Er werbseinkünfte auf das Übergangsgeld geregelt. Wir, die CDUFraktion, halten diese Regelung für berechtigt. Deshalb ha ben wir sie auch mit eingebracht.

An dieser Stelle will ich aber auch sagen: Unabhängig von dieser konkreten Frage wird in der Öffentlichkeit oft sehr kri

tisch über die Vergütung der Abgeordnetentätigkeit diskutiert. Die Gesellschaft insgesamt muss ein Interesse daran haben, dass die Vergütung der Abgeordneten angemessen ist. Es muss auch für in der Berufstätigkeit erfolgreiche Menschen inter essant sein, in die Politik zu wechseln. Das muss das Interes se unserer Gesellschaft insgesamt sein. Deshalb ist immer wieder auf eine angemessene Bezahlung der Abgeordneten zu achten, damit dieser Übergang so erfolgen kann.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Sckerl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen gemein samen Gesetzentwurf, den wir sehr begrüßen, geht ein langes Tauziehen um diese Frage zu Ende. Wir haben immerhin 20 Monate gebraucht, um diese Frage zu klären. Sie musste aber geklärt werden.

Kollege Schebesta, ich gebe Ihnen vollumfänglich recht, dass Abgeordnete Anspruch auf angemessene Vergütung ihrer Tä tigkeit haben. Nur so können sie ihrem gesetzlichen Auftrag, unabhängig zu agieren, nachkommen.

Abgeordnete haben aber auch die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Ansehen ihres Berufsstands besser wird. Dafür kann man immer etwas tun. Die bisherige Regelung beim Über gangsgeld für Kolleginnen und Kollegen, die unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Landtag in die Privatwirtschaft wechseln, war tatsächlich reformbedürftig. Sie war nicht mehr zeitgemäß. Sie war nicht mehr haltbar. Es war dringend not wendig, Waffengleichheit zu den Kolleginnen und Kollegen, die aus dem öffentlichen Dienst in den Landtag gekommen sind und anschließend in den öffentlichen Dienst zurückkeh ren, herzustellen.

Wir hatten im Februar 2014 einen Fall, der die Diskussion noch einmal befördert hat. Über diesen Fall müssen wir jetzt nicht diskutieren. Da steht man als Abgeordneter, egal wel cher Fraktion, einfach ziemlich schlecht in der öffentlichen Landschaft, wenn man rechtfertigen muss, dass ein Abgeord neter unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Landtag und der Übernahme einer Spitzenposition in der Wirtschaft – das gönne ich ihm durchaus; er ist auch sicherlich sehr qualifiziert dafür; das ist gar nicht die Frage – aufgrund seiner Zugehö rigkeit zum Landtag – die Dauer ist bestimmend für die Hö he des Übergangsgelds – nach der bisherigen gesetzlichen Re gelung ein Übergangsgeld von rund 150 000 € rechtmäßig be ziehen durfte. Das ist schlicht und einfach reformbedürftig ge wesen.

Dem kommen wir heute nach. Das Übergangsgeld bekommt damit seine Funktion des „Arbeitslosengelds“ für den Abge ordneten zurück. Das Arbeitslosengeld wird bekanntlich für die Bürgerinnen und Bürger nur dann in voller Höhe erstattet, wenn jemand tatsächlich keine Arbeit hat. So soll es auch hier sein. Ich glaube, das ist jetzt ein ausgewogener Kompromiss. Wir können ihn zügig beraten und dann relativ schnell in der zweiten Lesung gemeinsam verabschieden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine Damen und Herren! Ich freue mich auch, dass es gut ein halbes Jahr vor der Landtagswahl noch gelungen ist, zur Behebung einer aus meiner Sicht ungerechtfertigten Un gleichbehandlung im Abgeordnetengesetz eine einvernehm liche Lösung zwischen allen vier Fraktionen zu erzielen. Denn die bisherige Regelung in § 10 des Abgeordnetengesetzes, auf das Übergangsgeld zwar eine Anrechnung von Einkommen aus der Verwendung im öffentlichen Dienst, jedoch keine An rechnung von Erwerbsersatzeinkommen aus einer privaten Berufstätigkeit vorzunehmen, ist sachlich unbegründet.

Zweck des Übergangsgelds ist natürlich die Risikoabsiche rung und auch die Gewährleistung der Unabhängigkeit des Abgeordneten. Aber – Kollege Sckerl hat es angeführt – wir haben den Fall vom Frühjahr 2014, der breit öffentlich disku tiert wurde und in der Öffentlichkeit kein Verständnis dafür gebracht hat, dass es, wenn ein Abgeordneter quasi übergangs los in voller Beschäftigung und auch dementsprechend voller Bezahlung in eine neue Tätigkeit geht, noch ein Risiko gibt, das abgesichert werden müsste.

Im baden-württembergischen Ministergesetz hat man übrigens diese aus meiner Sicht ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bereits im Jahr 1997 geändert. Der damalige CDU-Abgeord nete Günther Oettinger begründete die Änderung in der Ers ten Beratung im Landtag wie folgt – Zitat –:

Wir wollen, dass in Zukunft Einkünfte aus privater Be rufstätigkeit mit Übergangsgeldern verrechnet werden. Wir halten dies für zeitgemäß.

So zu finden im Plenarprotokoll vom 13. November 1997. – Schön, dass wir auch in Bezug auf uns Landtagsabgeordnete jetzt eine zeitgemäße Regelung gefunden haben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Übergangsgeld ist kein Privileg der Parlamentarier. Nach dem Ende des Mandats erhalten die ehemaligen Abgeordneten ein zu versteuerndes Übergangs geld, welches der Wiedereingliederung in ihren früheren Be ruf dienen soll. Privilegiert waren die Abgeordneten des ba den-württembergischen Landtags aber schon; denn bisher wurden lediglich Einkünfte bei einem Wechsel in den öffent lichen Dienst oder zu einem öffentlich kontrollierten Unter nehmen angerechnet.

Anlass für die Reformdebatte war – wie bereits erwähnt – der nahtlose Wechsel eines langjährigen Abgeordneten vom Par lament in die Wirtschaft. Künftig werden vom zweiten Mo nat an alle Erwerbseinkünfte aus einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit auf das Übergangsgeld angerechnet. Damit gilt für die Abgeordneten künftig eine Regelung, die für Minister be reits in Kraft ist.

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat diese Pläne von Anfang an unterstützt. Denn das Übergangsgeld soll lediglich eine Ab sicherung sein, bis eine neue berufliche Tätigkeit gefunden ist. Das war in dem hier bereits erwähnten Fall des Kollegen unzweifelhaft der Fall.

Nachdem sich mittlerweile alle Fraktionen für ein Inkrafttre ten noch in dieser Legislaturperiode ausgesprochen haben, war der Weg frei für den vorliegenden Gesetzentwurf, dem wir zustimmen werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/7542 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist so beschlos sen.

Punkt 5 der Tagesordnung ist erledigt.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Punktlandung!)

Ja, eine Punktlandung. Das ist richtig.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Bei so einem Vorsitzenden!)

Das wollte ich jetzt nicht sagen. Ich bin dankbar, dass es vom Plenum kommt.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Die Fragestunde beginnt um 14:45 Uhr.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Nein, um 13:45 Uhr!)

Ich habe schon das Ende der Fragestunde hineingerechnet. Sie haben recht: Um 13:45 Uhr setzen wir die Sitzung fort.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist Parla mentarismus! – Abg. Volker Schebesta CDU: Zu viel des Lobes!)

Das ist vor allem Mitdenken.

(Unterbrechung der Sitzung: 12:24 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 13:44 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung des Landtags von Ba den-Württemberg wird fortgesetzt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Fragestunde – Drucksache 15/7550

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 1 auf: