Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

(Abg. Peter Hauk CDU: Ja, sollen es denn noch mehr werden?)

Haben Sie je von einem Mitglied dieser Regierungsfraktio nen gehört, dass wir mehr oder größere Flüchtlingsströme brauchen oder anstreben? Was für ein Unsinn!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Sie haben mit Ihrer Karlsruher Erklärung ein Flugblatt her ausgegeben. Der Inhalt ist genau wie Ihre Rede. Auch wenn Sie das alles als Schüttelreim oder Limerick verpackt hätten, es wäre trotz allem relativ inhaltsfrei.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Denn Sie sprechen immer nur von „wollen“ und „sollen“ und – als Höhepunkt – von „anstreben“ – großartige Verbalaktion, so viele schöne Buchstaben einfach verschleudert.

Wir dagegen werden aktiv.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wann?)

So haben wir gestern mit dem Gouverneur der Autonomen Region Kurdistan – er war heute auch unser Gast – im Nordirak beschlossen, dass er im Rahmen der Vor-Ort-Hilfe 2,5 Millionen € erhalten wird, um den Menschen dort eine Lebensperspektive in ihrer Heimat zu eröffnen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist die richti ge Politik!)

Wir wollen nicht nur sagen, es wäre schön, nein, wir handeln.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Der Erste, der darauf hingewiesen hat, dass Stabilisierung vor Ort in den Herkunftsländern und nicht erst an den deutschen Grenzen geschehen muss, war Claus Schmiedel. Das ist nach wie vor der richtige und einzige Weg. Aber – ich zitiere hier einen Kommentar in den „Stuttgarter Nachrichten“ von ges tern von Norbert Wallet –:

Man muss die Union nicht verstehen wollen. Es reicht schon, sich mit der Erkenntnis zu begnügen, dass sich die Partei immer – im Gegensatz zur SPD – in erster Linie als Instrument zum Machterhalt ihres Kanzlers verstan den hat.

(Lachen bei der CDU)

Wir wollen eigentlich inhaltliche Politik machen und nicht Politik der Macht wegen, sondern des Gestaltens wegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Spätestens seit dem Wahlergebnis von Gabriel glaubt ihr das auch noch!)

Weiter unten steht – so geht dieser Kommentar weiter –:

Der Rummel der Merkel-Kritiker? Ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus, hat sich zufriedengegeben mit ein paar nichtssagenden Formeln, die nun als Erfolg verkauft werden.

(Abg. Peter Hauk CDU: So ein Schwachsinn!)

Das ist jämmerlich. Und auch diejenigen aus der Landes gruppe, die vorher zu vehementen Formulierungen ge griffen hatten, waren plötzlich nicht mehr im Ring,

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Aha!)

als es zum Kampf hätte kommen sollen. Das kommentiert sich selbst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Richtig! Genau!)

Wie, verehrter Herr Kollege Wolf, würde die sicher von Ih nen sehr hochgeschätzte Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz zu Ihrer Rede sagen? „Goldig, Herr Kollege, einfach goldig.“

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der CDU)

Für die FDP/DVP-Fraktion ertei le ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzendem Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Grünstein, das war wirklich auch goldig, keine Frage.

(Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Aber vom Inhaltlichen her sollten wir uns vielleicht die Fra ge stellen, wie wir jetzt an dieser Stelle weiterkommen.

Frau Kollegin Grünstein, Sie haben ausgeführt, es sei voll ständiger Konsens in unserem Land, bei der Bundes- und der

Landesregierung, dass eine Verringerung der Flüchtlingszahl notwendig sei.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Natürlich! Was denn sonst?)

Na gut, wenn das Konsens ist, dann schauen wir uns einmal die aktuelle Politik an und schauen uns auch an, was in den letzten Wochen und Monaten geäußert wurde.

Ich bin schon dankbar dafür, dass die Kanzlerin sich jetzt da zu bekannt hat, dass eine Verringerung notwendig ist. Das war nicht immer der Fall. Ich bin auch dankbar dafür, dass die Kanzlerin einsieht, dass eine Überforderung in unserem Land möglich ist, wenn es mit den Flüchtlingsströmen so weiter geht.

Es genügt aber nicht, dies festzustellen. Vielmehr muss man sich auch die Frage stellen: Was kann man tun, um diese Flüchtlingsströme zu reduzieren? Dazu gibt es relativ wenige Vorschläge vonseiten der Landesregierung.

Was wird im Bund vorgeschlagen? Ich habe gehört, der Kol lege Kauder halte es für notwendig, eine europäische Grenz polizei, die die Außengrenzen schützt, auf- bzw. auszubauen. Das ist das, was der Ministerpräsident im Grunde auch erklärt hat: Man müsse die Außengrenzen schützen.

Ich frage mich allerdings dann schon, wie das zusammenpasst mit der sich ständig wiederholenden Behauptung, wir könn ten unsere Grenzen nicht schützen, es sei denn durch Stachel draht und Schießbefehle. Wenn wir die Außengrenzen durch eine europäische Grenzpolizei schützen können, dann muss es auch möglich sein, dass die Bundespolizei unsere Grenzen schützt. Dafür sollte man sich auch aussprechen, meine Da men und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich bin auch dankbar dafür, dass sich die CDU jetzt auf dem Bundesparteitag dazu durchgerungen hat, sich zu einem Ein wanderungsgesetz zu bekennen. Wir haben das seit vielen Jah ren gefordert und haben häufig gehört: „Das wollen wir nicht. Das führt zu einem Mehr an Zuwanderung.“ Nein, darum geht es nicht. Es geht um Begrenzung und Kanalisierung von Ein wanderung.

Es reicht aber nicht aus, zu erklären: „Wir machen das dann im Jahr 2017, nach der nächsten Bundestagswahl.“ Nein, die Probleme sind jetzt da.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Deshalb ist es auch nötig, so schnell wie möglich zu einem Einwanderungsgesetz zu kommen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Man muss natürlich auch intensiv über Fluchtursachen disku tieren. Dazu braucht man eine Strategie. Ich halte es ausdrück lich für richtig, dass die EU nun mit der Türkei diskutiert. Sie braucht aber eine Strategie. Eine Strategie ist schwer zu er

kennen, wenn man sich die Frage stellt, ob der türkische Mi nisterpräsident auf das Familienfoto darf oder nicht. Vielmehr muss man sehr deutlich machen, wie man mit der Türkei um gehen will. Entweder schluckt man die Kröte Erdogan, oder man ist nicht dazu bereit. Dann wird man aber auch in der Fra ge der Betreuung der Flüchtlingslager nicht weiterkommen.

Es macht auch wenig Sinn, die Bundeswehr ohne einen kla ren Auftrag nach Syrien zu schicken, indem man sagt: „Wir kämpfen ein bisschen gegen ISIS, aber eine Zukunft mit Herrn Assad darf es auch nicht geben.“ Hier fehlt eine klare Strate gie.

Wir brauchen natürlich europäische Kontingente. Im Moment zeichnet sich nicht ab, dass wir da einen wesentlichen Schritt weiterkommen.

Das sind alles offene Baustellen, meine Damen und Herren. Da brauchen wir möglichst rasch Antworten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Mit Blick auf das Land haben Sie, Frau Grünstein, gesagt, da herrsche Konsens. Ich weiß nicht, ob da tatsächlich Konsens herrscht. Wenn wir beispielsweise nur über die Abschiebun gen nachdenken, dann stellen wir fest: Es gibt jetzt – relativ spät – so langsam Bewegung. So langsam geht man jetzt da zu über, die Abzuschiebenden nicht mehr zu warnen.