Drittens haben wir 2015 ein zeitgemäßes, modernes Natur schutzgesetz verabschiedet, das z. B. die Landschaftserhal tungsverbände – mittlerweile 31 an der Zahl – gesetzlich ver ankert, das dafür sorgt, dass es einen Schutzgürtel um Schutz gebiete gibt, sodass innerhalb eines Umgriffs von 3 000 m kei ne gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden dür fen, und wir haben den Biotopverbund gestärkt, meine Da men und Herren.
Daran sehen Sie: Wir erhalten, was uns erhält. Und Sie sehen: Der Naturschutz, die Bewahrung der natürlichen Lebens grundlagen, ist bei uns in besten Händen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Sitzmann, auf Ihre Zah lenspiele möchte ich nicht eingehen. Den Titel „Erhalten, was uns erhält“ halte ich für sehr gut. Allerdings ist es ein bisschen seltsam, dass Sie ausgerechnet den Plakat- und Wahlkampf slogan der grünen Partei zum Inhalt einer Aktuellen Debatte im Landtag von Baden-Württemberg machen – das ist aber eine andere Diskussion –:
Die Ziele, die wir in diesem Zusammenhang haben, sind wohl gleich, aber die Wege sind unterschiedlich. Ich nehme den Heimatbegriff als Beispiel. Für den einen ist der Begriff „Hei mat“ ein Schwarzwaldtal, das man auch einmal zuwachsen lassen kann. Für viele andere ist es ein Ort der Geborgenheit, des Wohlfühlens. Das gilt gerade für den ländlichen Raum mit gut funktionierenden Strukturen, die es zu erhalten gilt. Dort können Kinder noch spielen, und zwar – passen Sie auf! – draußen, ohne Tablet, ohne Funkortung, ohne Sozialarbeiter, Physiotherapeut und ohne ganz viele Schilder, auf denen „Be treten verboten“ steht, ein Ort, an dem man im Idealfall im Garten des Nachbarn Beeren und auf der Wiese vielleicht auch Äpfel und Birnen pflücken oder vielleicht auch auf dem be nachbarten Bauernhof Tiere anschauen kann.
Im Prinzip – es wundert mich etwas, Kollegin Sitzmann, dass Sie nicht darauf eingehen – ist es auch das beste Beispiel nicht nur für die Heimat selbst, sondern auch für Produkte aus der Heimat, regionale Produkte. Es wäre schön, wenn jede und jeder im Land auf die gleiche Art und Weise auch auf regio nale Erzeugnisse zugreifen könnte.
Aber nicht jeder und nicht jede in Baden-Württemberg hat Platz oder Zeit für einen Garten, um diese regionalen Produk te selbst zu produzieren, geschweige denn die Möglichkeit, direkt darauf zuzugreifen. Insofern ist es eine tolle Entwick lung, ein toller Trend, dass man immer mehr naturnahe, na turverträgliche, vor allem auch regionale Produkte selbst in den Supermärkten findet.
Man muss jedoch auch festhalten, dass die regionalen Produk te nicht in ausreichendem Maß vorhanden sind, um den Be darf insgesamt zu decken.
Für viele Menschen entscheidet der Preis, entscheiden die Kosten darüber, wo und was sie einkaufen. Daher werden wir auch in Zukunft nicht auf die entsprechenden Strukturen in der Landwirtschaft, auf die Nutzung der Fläche verzichten können. Wir werden uns trotzdem um mehr Naturnähe, Na turverträglichkeit bemühen müssen. Es stellt sich aber schon die Frage, mit welcher Geschwindigkeit – da loben Sie sich ja – wir Flächen aus der Nutzung nehmen, unter Schutz stel len und welche Reglementierungen wir noch vornehmen, um dies – das machen Sie gern – als die gesunde Natur zu sym bolisieren.
Es ist auch klar, dass die Lobbyisten des Naturschutzes eine schnellstmögliche Umsetzung derartiger Vorhaben sehen wol len. Jedoch muss eine nachhaltige und eine intelligente Poli tik ausgewogen gestalten. Auch wenn es aus Naturschutzsicht attraktiv wäre, möglichst viele Flächen sich selbst zu überlas sen –
Artenvielfalt war Ihr Stichwort –, ist es doch fraglich, ob dies einer überwiegend regionalen Versorgung überhaupt zuträg lich ist. Eine Politik, die dieses Ziel von der Förderpolitik bis hin zur Gesetzgebung zu ihrem Leitbild erhebt, ist ideologisch und verkennt die Realität.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Edith Sitz mann GRÜNE: Was ist ideologisch? – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Eijeijei!)
Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, wo und wie regio nale Produkte erzeugt werden, wenn wir Flächen in unserem Land unter Schutz stellen,
Wir stellen daher unsere Naturschutzpolitik auf zwei Funda mente: zum einen die Fortführung der bestehenden Schutz ziele aller Kategorien, deren Erhalt sowie deren Pflege, und zum anderen die Strategie des Schützens durch Nützen, die naturverträgliche Land- und Forstwirtschaft und Weinbau so wie die regionale Verfügbarkeit der Produkte auch ermöglicht.
Der gentechnikfreie Anbau, aber auch die artgerechte Tierhal tung sind für uns dabei genauso Zielsetzung und selbstver ständlich wie z. B. das Ablehnen des brutalen Umgangs mit Tieren zum Zwecke von Umsatzsteigerung und Gewinnma ximierung.
Für uns ist eine enge Einbindung von Wissenschaft und For schung wichtig. Aber wir setzen auch auf Freiwilligkeit im Naturschutz, das Engagement vieler ehrenamtlich im Natur schutz tätiger Menschen und das Engagement derjenigen, die professionell mit Naturschutz zu tun haben, wie Winzer, Land wirte, Forstwirte, Imker, Jäger, Angler – um nur einige zu nen nen.
Wichtig ist aber auch Bildung, Bildung über die Ökosystem prozesse in der Natur. Dass das notwendig ist, zeigen uns zum einen Fragen von Schülerinnen und Schülern, die etwa lau ten: Warum brauchen wir noch eine Landwirtschaft in BadenWürttemberg? Frau Sitzmann, wenn diese Frage im Zusam menhang mit der Aussage „Wir brauchen doch mehr Arten schutz“ gestellt wird, muss man den Schülern die Gegenfra ge stellen: Wie oft brauchen wir einen Landwirt? Dreimal am Tag: zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Abendessen.
Um die Notwendigkeit zu zeigen, will ich Ihnen kurz Ihr Na turschutzverständnis darstellen. Wenn im Südschwarzwald ei ne Population von Alpenspitzmäusen zu finden ist – so, wie dies vor wenigen Jahren der Fall war –,
und zwar auf einem bewirtschafteten Gelände mit entspre chenden Hecken und Wiesen, und es kommt dann im Sinne des Naturschutzes die Idee auf, man müsse diese Population zwingend dadurch erhalten, dass man diese Fläche sofort aus
der Nutzung nimmt und alles unter Schutz stellt, so klingt dies zwar äußerst attraktiv. Aber wenn man ein Verständnis von Naturschutz und von Ökosystemen hat, dann weiß man, dass sich dann die Habitate, die Lebensräume zu verändern begin nen, dass nicht mehr die Insekten da sind wie zuvor, dass nicht mehr der vorherige Schutzraum für die Tiere besteht. Genau das ist im Südschwarzwald passiert: zwei Jahre später war die Alpenspitzmauspopulation wieder ausgestorben.
Wir müssen also ein wenig anders mit Naturschutz umgehen, als Sie dies glauben machen wollen. Eine Naturschutzpolitik – um das auch noch zu sagen – mit Zwang, mit Eingriffen in das Eigentum, eine Naturschutzpolitik, die sich über Schutz gebiete und Symbolik definiert, die ist, meine Damen und Her ren, weder nachhaltig, noch hat sie Stil.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Was wir vor fünf Jahren in Bezug auf den Natur schutz angetroffen haben, das war Schlafwagenpolitik pur. Jahrelang wurde der Naturschutz unter CDU und FDP/DVP stiefmütterlich behandelt.
Bei den Mitteln wurde geknausert; die notwendigen Anpas sungen aufgrund der steigenden Herausforderungen im Na turschutz wurden einfach nicht vorgenommen; dies war nicht gewollt. Das ist einfach so, und das haben wir, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, geändert.
Wir haben kräftig draufgesattelt und haben die Mittel erhöht; die Haushaltsmittel für den Naturschutz haben wir von 30 Mil lionen € auf 60 Millionen € pro Jahr aufgestockt und damit verdoppelt. Die Natur kann sich über solch eine Politik freu en.
Damit haben wir dem Naturschutz den Stellenwert gegeben, den er verdient. Wir werden dem Auftrag gerecht – wir wer den ihm besser gerecht –, die Schöpfung zu bebauen und eben auch zu bewahren, die Natur zu nutzen, gleichzeitig aber da für zu sorgen, dass wir unsere Lebensgrundlagen erhalten.
Dabei verstehen wir das Bewahren und den Naturschutz um fassend. Naturschutz ist nämlich eine Querschnittsaufgabe. Es geht um Artenvielfalt, es geht aber auch um einen gesun den Wald, um frisches Wasser, um fruchtbaren Boden, um ge sunde Nahrungsmittel, um eine naturverträgliche Energieer zeugung, und es geht um Landschafts- und Klimaschutz. Ge rade deshalb haben wir die Naturschutzstrategie als ein Herz stück dieser Arbeit auf den Weg gebracht; wir haben die Maß nahmen gebündelt und gesagt, worauf es für uns ankommt und was wir unter Naturschutz verstehen.
Aus der Vergangenheit, aus der Regierungszeit von CDU und FDP/DVP, wissen wir, dass Papier geduldig ist, und wir wis sen, dass ein recht ordentliches Papier wie die Naturschutz strategie, die vor 15 Jahren formuliert wurde, nichts bringt, wenn keine konkreten Ziele benannt werden, wenn die finan ziellen Mittel nicht bereitgestellt werden und wenn es an der personellen Ausstattung fehlt. In der alten Naturschutzstrate gie war vieles richtig geschrieben – aber es war eben nur ge schrieben. Dieses Papier lag lange ungenutzt in der Schubla de und wurde nicht umgesetzt. Guter Naturschutz geht anders.
Meine Damen und Herren, beim Naturschutz geht es darum, zu wissen, was wir schützen wollen. Das weiß jedes Schul kind. Als es 2011 um das Thema Windenergie ging, wusste man nicht, wo Milane brüten, man kannte die Fledermausvor kommen nicht, und noch nicht einmal die Flugkorridore der Zugvögel durch unser Land waren bekannt.
(Abg. Winfried Mack CDU: Und heute werden sie missachtet! – Gegenruf des Ministers Franz Unter steller: So ein Quatsch! – Gegenruf des Abg. Win fried Mack CDU: Doch, so ist es!)