Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

Zur zweiten Frage, welche Unterlagen wir dort übergeben ha ben: Bei einem Truppenbesuch in Laupheim am 18. August wurde mir dort ein Paket mit Unterschriftenlisten der Bevöl kerung überreicht mit der Bitte – ich habe dort nämlich ange kündigt, dass Gespräche im Verteidigungsministerium statt finden –, diese Listen zu übergeben. Dieser Bitte habe ich ent sprochen.

Jetzt liegen mir noch zwei Zusatzfragen vor. Diese können wir noch behandeln, ob wohl die Zeit für die Fragestunde vorbei ist. Zunächst Herr Abg. Dr. Bullinger.

Sie haben deutlich gemacht, dass Sie sich sehr dafür eingesetzt haben, diese Standorte zu erhalten. Sie waren in Biberach und erst wesent lich später in Niederstetten im Main-Tauber-Kreis; beide Standorte stehen ja in direkter Konkurrenz. Sie wissen, dass im Main-Tauber-Kreis fünf von sechs Standorten aufgegeben wurden. Wurden Aspekte der Kombination von Wirtschaft und ziviler Nutzung für die Raumschaft, mit Strukturpolitik und Wirtschaft, auch entsprechend berücksichtigt und vorgetra gen?

Herr Kollege Bullinger, Ihre Aussage, dass ich in Niederstetten erst viel später gewesen sei, will ich einfach ein bisschen relativieren. Ich habe in die sen vier Monaten, in denen die neue Landesregierung Verant wortung im Land übernommen hat,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ich habe Sie anfänglich gelobt!)

eine, wie ich meine, Vielzahl von Gesprächen geführt und vie le Standorte – zugegebenermaßen nicht alle; wir haben ja fast 40 Standorte in Baden-Württemberg – besucht. Aber im Ge spräch – das will ich ausdrücklich sagen – sind wir mit allen.

Natürlich wurden mir dann bei den Vor-Ort-Gesprächen auch gewisse Konkurrenzsituationen dargestellt. Das liegt in der Natur der Sache. Daher habe ich auch Verständnis für die Sicht der Betroffenen. Deshalb habe ich versucht, in den zurücklie genden Wochen und Monaten auch immer auszuloten, was dann eine eventuelle zukünftige zivile Nutzung anlangt.

Ich will aber ausdrücklich sagen: Das habe ich zumindest in der Öffentlichkeit mit einem hohen Maß an Zurückhaltung gemacht, weil es für die eine oder andere Kommune nicht ganz einfach zu handeln ist, selbst in Vorleistung zu treten und zu sagen: Wenn der Standort aber fallen sollte, dann stellen wir uns diese und jene Nutzung vor. Denn dann herrscht dort natürlich die Befürchtung, dass der Standort dann schon preis gegeben würde.

Natürlich gibt es – das wissen wir – Interesse seitens der Wirt schaft und auch seitens des Landes – das will ich ausdrück lich sagen – an einer Nutzung bestimmter Flächen in BadenWürttemberg, in erster Linie für Forschung und Entwicklung. Das handeln wir; das will ich einfach einmal so sagen. Wir sind eng im Gespräch mit den Kommunen. Ich meine, wir sind dort auf einem gutem Weg. Es gibt dort solche Möglichkei ten. Darüber möchte ich aber in der Öffentlichkeit – dafür bit te ich um Verständnis – nicht unbedingt diskutieren, weil dies dann auch viel Raum für Spekulationen lassen würde.

Aber seien Sie einfach versichert: Wir versuchen, bei eventu ellen Standortschließungen die Grundlage dafür zu schaffen – wenn das Land dann gefordert sein sollte, was Planungs recht und Ähnliches anlangt –, dass diese Gelände und diese Liegenschaften dann auch einer zivilen Nutzung im Interesse unseres Landes und der Wirtschaft unseres Landes zugeführt werden können.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Holen Sie sich Schützenhilfe vom Kollegen Herrmann in Bay ern!)

Herr Abg. Dr. Bullin ger, die Frage ist beantwortet. – Jetzt kommt noch Herr Abg. Pröfrock mit einer kurzen Zusatzfrage, und dann bitte eine kurze Antwort des Ministers.

Herr Minister, wir stimmen völlig darin überein, dass wir versuchen sollten, möglichst viele Soldatinnen und Soldaten, möglichst viele zivile Mitar beiterinnen und Mitarbeiter im Bundesland zu behalten. Kön nen Sie ausschließen, dass durch die Übergabe der Unterla gen aus Laupheim der Eindruck entstanden sein könnte, dass Sie mit besonderem Nachdruck diesen Standort befördern wollen, und unterstützt die Landesregierung über den Übungs platz Heuberg hinaus einzelne Standorte ganz explizit?

Das kann ich ausschließen. Ich habe versucht, deutlich zu machen, dass wir für nahezu jeden Standort versucht haben, eigene Argumente zu finden und diese auch zu transportieren. Denn ich denke, Pauschal argumentationen, was Auswirkungen in der Infrastruktur an belangt, bringen alle Standorte und alle Bundesländer vor.

Ich will an dem Beispiel Laupheim aber sagen, wie wir dort argumentiert haben. Wie gesagt: Mit der Übergabe der Unter schriftenlisten habe ich einer Bitte der dortigen Bevölkerung entsprochen. Ich habe die Bundeswehr auch darauf aufmerk sam gemacht, dass sie es sich nicht so einfach machen kann, einen Standort zu verlegen. Das könnte man bei einer Hub schrauberstaffel durchaus machen. Aber gerade in diesem technisch hoch komplizierten Bereich ist die Bundeswehr selbst darauf angewiesen, dass sie im zivilen Bereich qualifi ziertes Personal an einem eventuellen neuen Standort hat.

Ich bin mir relativ sicher: Was das zivile Personal betrifft, et wa für die Hubschrauberwartung oder Ähnliches, so wandert die betreffende Personengruppe nicht automatisch mit nach Norddeutschland. Vielmehr werden diese Menschen in erster Linie versuchen, einen Arbeitsplatz in Baden-Württemberg zu finden. Aufgrund der Situation bei uns – ich habe gesagt: Bun deswehrangehörige sind in Baden-Württemberg willkommen; sie sind dort integriert, sie sind in Kirchen und in Vereinen en gagiert, sie sind gesellschaftlich engagiert – würden sie auch einen Arbeitsplatz in Baden-Württemberg finden; da bin ich mir relativ sicher. Solche Fachkräfte gibt es nicht so einfach auf dem Markt, auch nicht für die Bundeswehr.

In ähnlicher Art und Weise haben wir für jeden Standort ver sucht, eine Argumentationskette zu finden und diese dem Bun desverteidigungsministerium zur Kenntnis zu geben.

Vielen Dank. Damit ist die Fragestunde unter Punkt 6 der Tagesordnung beendet.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer – Drucksache 15/497

Für die Landesregierung darf ich dem Herrn Minister für Fi nanzen und Wirtschaft Dr. Schmid das Wort erteilen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Der Steuererhöhungsminis ter!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der amerikanische Verfassungsrichter Oliver Wendell Holmes hat einmal gesagt: „Steuern sind der Preis, den wir für eine zivi lisierte Gesellschaft bezahlen.“ Wenn wir also darüber spre chen, wie wir unser Steuersystem gestalten, geht es im Kern um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Für unsere Regierung ist die Antwort klar: Wir wollen eine moderne, soziale und nachhaltig ausgerichtete Gesellschaft.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deshalb lege ich Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, mit dem wir diesem Ziel ein Stück näherkommen können. Wir wollen allen Kindern in Baden-Württemberg von Anfang an eine faire Chance geben. Um das zu ermöglichen, nehmen wir eben keine neuen Schulden auf, sondern wir heben die Grund erwerbsteuer an. Denn was nützt es den Kindern, wenn Poli tiker in Sonntagsreden immer wieder die Lasten der Staats verschuldung beklagen, wenn sie sagen, man dürfe den kom menden Generationen keine schweren Lasten aufbürden, wenn gleichzeitig alle neuen Wohltaten über Verschuldung finan ziert werden, so, wie das in der Vergangenheit der Fall war?

Wir reden nicht nur in Sonntagsreden über solide Haushalts politik, sondern wir packen die wichtige Zukunftsaufgabe Bil dung und Betreuung konkret an.

Wir wissen, dass die Grundlagen für den späteren Lebensweg und für den Bildungserfolg bereits in den ersten Lebensjah ren gelegt werden. Deshalb müssen alle Kinder die gleichen Chancen haben, egal, aus welchem Haushalt, egal, aus wel chem Stadtviertel, und egal, aus welcher Familie sie kommen. Wir müssen das völlig unabhängig von ihrer sozialen Herkunft gewährleisten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Dafür müssen wir die frühkindliche Bildung stärken, die Bil dung in der Phase vor Schuleintritt. Denn es geht um Bil dungsgerechtigkeit von Anfang an. Jedes Kind muss die Mög lichkeit haben, seine Fähigkeiten und Potenziale zu entfalten.

Mit den kommunalen Landesverbänden reden wir deshalb über Verbesserungen bei der Kinderbetreuung und bei der frühkindlichen Bildung. Konkret geht es um den notwendi gen Ausbau der Kleinkindbetreuung für die ganz Kleinen, die Kinder unter drei Jahren. Es geht auch um die Umsetzung des Orientierungsplans und um die Schulsozialarbeit, aber der Schwerpunkt der Gespräche liegt zweifelsohne auf der not wendigen Hilfe des Landes für den Ausbau der Krippenplät ze in Baden-Württemberg.

Alles in allem wollen wir gemeinsam mit den Kommunen ei nen Pakt für Familien mit Kindern in Baden-Württemberg schließen, um Baden-Württemberg wirklich familienfreund licher zu machen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Wolf gang Raufelder GRÜNE: Bravo!)

Das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Der Preis für ein fami lienfreundlicheres Baden-Württemberg ist die Anhebung der Grunderwerbsteuer um anderthalb Prozentpunkte.

Bevor Kolleginnen und Kollegen, insbesondere aus den Rei hen der CDU, jetzt aus taktischen Gründen den Untergang des Abendlands beschwören, sollten sie sich zwei Dinge bewusst machen: Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass Sie genau die se Steuererhöhung selbst gewollt haben. Es war Ihr Kollege Hauk – er ist jetzt nicht da –

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf: Er sitzt da hinten!)

doch, da hinten sitzt er –, der damals verlauten ließ, er sei einer solchen Erhöhung der Grunderwerbsteuer nicht abge neigt. Insofern nehmen wir diese Vorlage jetzt dankbar auf und freuen uns auf die Zustimmung der CDU-Landtagsfrak tion zu dieser Steuererhöhung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zweitens haben Ihre CDU-Parteifreunde, z. B. in den Regie rungen in Schleswig-Holstein, in Sachsen-Anhalt und in Nie dersachsen – häufig unter Beteiligung der FDP –, genau die se Steuererhöhungen vorgenommen.

(Zurufe von der SPD und des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Deshalb ist es auch ein bisschen scheinheilig, wenn Sie dies jetzt in Baden-Württemberg kritisieren.

Wenn Sie nun fordern, man könnte es einfach locker aus dem Landeshaushalt finanzieren, dann möchte ich Sie an eine Klei nigkeit erinnern, nämlich an den gewaltigen Schuldenberg, der in Ihrer Regierungszeit in Baden-Württemberg aufgehäuft worden ist.

(Widerspruch bei der CDU)

Dennoch schaffen wir, die neue Landesregierung, nicht nur im Jahr 2011 die Nullneuverschuldung, sondern wir arbeiten auch hart daran, sie auch 2012 wieder zu erreichen. Das fällt nicht vom Himmel. Deshalb sind neue Schwerpunktaufgaben wie dieser Pakt mit den Kommunen für die Kinder solide zu finanzieren. Das geht eben nur, wenn man neben konsequen tem Sparen auch Mehreinnahmen erzielt. Deshalb hat sich die se Koalition am Anfang ihrer Regierungsperiode darauf ver ständigt, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen.

Ich habe volles Verständnis dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger über eine Steuererhöhung nicht freuen. Wenn aber im mer wieder behauptet wird, gerade die jungen Familien wä ren davon besonders betroffen, dann ist das glatte Polemik.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nein, Tatsache!)

Die meisten Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer kommen eben nicht von den Familien,

(Zuruf von der SPD: Aha!)

und umgekehrt ist es so, dass die Mehreinnahmen, die wir er zielen wollen – etwa 350 Millionen € pro Jahr –, ganz über wiegend gerade diesen Familien mit Kindern zugutekommen. Denn wir wollen den Kindern und den Familien helfen, in dem wir jetzt eine Betreuungsoffensive starten, indem ihnen die Bildungsdividende, die wir erwirtschaften wollen, zugu tekommt. Diese Steuererhöhung stärkt Familien mit Kindern in Baden-Württemberg, indem Betreuung ausgebaut wird, in dem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert wird. Das alles ist nötig, um endlich ein wirklich familienfreundli ches Baden-Württemberg zu erreichen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Andre as Deuschle CDU: Hatten wir schon!)

Eines ist auch klar – das haben wir im Gesetzentwurf so fest gelegt –: Wir werden die sozialen Auswirkungen dieser Steu ererhöhung genau prüfen und dann in einem nächsten Schritt beim Thema Wohnungsbauförderung gegebenenfalls gegen steuern. Das ist im Grundsatz mit den Regierungsfraktionen so vereinbart.

Entscheidend ist aber, meine sehr verehrten Damen und Her ren: Wir müssen für die Familien im Land mehr tun, wir müs sen mehr für Bildungsgerechtigkeit tun, und wir dürfen das nicht immer über Schulden finanzieren. Deshalb müssen wir alle Spielräume nutzen, die sich der Landespolitik bieten, müssen konsequent sparen, aber auch die Einnahmesituation verbessern.