Matthias Pröfrock
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Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Verbrechen des sogenannten Na tionalsozialistischen Untergrunds haben uns alle erschüttert. In Gedanken sind wir heute bei den Opfern und ihren Ange hörigen. Über mehr als ein Jahrzehnt konnten drei Rechtster roristen unerkannt und unentdeckt im Untergrund leben und von dort eine ungeheuerliche Verbrechensserie verüben mit insgesamt neun Morden an Menschen mit Migrationshinter grund, dem Mord an der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter und dem Mordversuch am Polizeibeamten Martin A., der den Anschlag nur mit großem Glück überlebt hat; dazu kamen mindestens zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle.
Dass diese Verbrechensserie viele Jahre nicht als rechtsterro ristisch erkannt wurde, dass drei Rechtsterroristen über so lan ge Zeit hinweg unbehelligt im Untergrund leben konnten, da zu haarsträubende Fehler bei der Suche nach dem Trio in Sachsen und Thüringen, fragwürdiges Verhalten von Verfas sungsschützern und V-Leuten und nicht zuletzt allerlei Ver schwörungstheorien haben dazu geführt, dass Vertrauen in un sere Sicherheitsbehörden erschüttert wurde. Diese Verbre chensserie war nicht nur gegen die einzelnen Opfer gerichtet. Es handelt sich vielmehr um einen Anschlag auf unsere De mokratie und auf unseren Rechtsstaat. Dies muss uns alle be stürzen und alarmieren, gerade in der aktuellen politischen Si tuation.
In diesem Untersuchungsausschuss sind wir daher die uns ge stellte Aufgabe mit großer und ungekannter Einigkeit ange gangen. Das ist einmalig in der Geschichte der Untersu chungsausschüsse in Baden-Württemberg, und es ist ein deut liches Zeichen dieses Hauses: Demokraten stehen zusammen, wenn es darauf ankommt.
Im Ausschuss wurde zwar immer wieder kontrovers disku tiert, aber immer sachbezogen. Das ist alles andere als selbst verständlich, insbesondere wenn man sich die Vorgeschichte des Ausschusses noch einmal betrachtet. Aber ich möchte die Gutachtenaffäre nicht noch einmal aufwärmen, durch die die Grünen die Enquetekommission zum Scheitern brachten.
Was wir in den vergangenen 15 Monaten geschafft haben, ist allein vom Umfang schon beachtlich; der Vorsitzende hat da rauf hingewiesen. Hierfür möchte ich den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss aus allen Fraktionen Dank sagen. Mein besonderer Dank gilt dem Ausschussvorsitzenden, der mit großem persönlichen Einsatz und auch fast immer mit der gebotenen Gelassenheit
die Sitzungen geleitet hat.
Auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen und des Ausschusssekretariats möchte ich an dieser Stelle mei nen Dank aussprechen. Sie haben in den letzten Wochen und Monaten bis an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hi naus gearbeitet. Dafür herzlichen Dank!
Ob sich dieser Untersuchungsausschuss nun gelohnt hat, das hängt ein Stück weit auch von der Erwartungshaltung ab. Wer mit der Erwartungshaltung frei nach dem Motto „Jetzt klärt der Untersuchungsausschuss endlich den Mord an Michèle Kiesewetter auf“ heranging, ist möglicherweise heute ent täuscht. Wer aber mit der realistischen Erwartungshaltung an diese Aufgabe heranging, genau zu überprüfen, ob und, wenn ja, wo baden-württembergische Behörden Fehler gemacht ha ben, der muss feststellen, dass wir eine sehr gute Arbeit ge leistet haben und ein wirklich vorzeigbares Ergebnis haben. Der Ausschuss hat deutlich mehr geschafft, als ihm manche vorher zugetraut haben.
Es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die Arbeit der 15 Monate in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Lassen Sie mich daher einige wichtige Aspekte herausgreifen.
Wir haben uns intensiv mit dem Todesfall von Florian H. be schäftigt, der sich im September 2013 auf dem Cannstatter Wasen in seinem Fahrzeug verbrannt hat. Florian H. hatte schon vor dem Auffliegen des NSU behauptet, er wisse, wer Michèle Kiesewetter ermordet habe. Wir mussten leider er hebliche Unzulänglichkeiten in den polizeilichen Ermittlun gen aufdecken. Im Ergebnis deutet jedoch nichts darauf hin, dass bei seinem Tod Fremdverschulden im Spiel gewesen sein könnte, und erst recht nicht, dass dieser Todesfall irgendetwas
mit Michèle Kiesewetter und dem Mord auf der Theresien wiese zu tun haben könnte.
Dass die in diesem Fall unzureichende Ermittlungsarbeit aber nicht typisch für die Polizei in Baden-Württemberg ist, haben wir – das sei der Vollständigkeit halber auch erwähnt – am Fall Arthur C. gesehen, der im Jahr 2009 ebenfalls unter un geklärten Umständen in seinem Fahrzeug verbrannte. Die Ar beit der Polizei in diesem Fall war geradezu vorbildlich – das war übrigens vor der Polizeireform.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit war die Aufarbei tung der Mitgliedschaft von zwei baden-württembergischen Polizisten im Ku-Klux-Klan. Der Ausschuss musste leider feststellen, dass die disziplinarische Aufarbeitung dieser Vor gänge viel zu lange gedauert hat und zu völlig unbefriedigen den Ergebnissen geführt hat.
Um den Mordanschlag auf der Theresienwiese auf die Poli zeibeamtin Michèle Kiesewetter und ihren Streifenkollegen Martin A. ranken sich sehr viele Spekulationen, Mutmaßun gen und Verschwörungstheorien. Dadurch hat sich bei vielen das Gefühl eingeschlichen: Da muss in den Ermittlungen un heimlich viel schiefgelaufen sein. Tatsächlich haben wir auch einige Ermittlungsfehler festgestellt. Ich will nur die unterlas sene Auswertung des E-Mail-Kontos oder die Wattestäbchen spur erwähnen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Soko „Parkplatz“ hat insgesamt über 5 000 Spuren abgearbeitet. Wenn man sich die Relation der Fehler zu den bearbeiteten Spuren anschaut, haben nach meiner Meinung unsere Justiz- und Sicherheitsbehörden in diesem Fall insgesamt gute Arbeit geleistet.
Keine einzige der 5 000 Spuren hat zu den tatsächlichen Tä tern, nämlich dem NSU-Trio, geführt. Es ist eine bittere Er kenntnis, ja. Aber ich fürchte, wenn die NSU-Terroristen nicht im November 2011 letztlich zufällig aufgeflogen wären, wä re der Mordanschlag auf der Theresienwiese vermutlich bis heute nicht aufgeklärt.
Im Ergebnis hatten wir im Ausschuss nicht den geringsten Zweifel daran, dass die NSU-Terroristen tatsächlich die Täter waren. Was wir nicht abschließend klären konnten, war, ob es weitere Unterstützer aus Baden-Württemberg gab.
Eine Erkenntnis unserer Ausschussarbeit möchte ich beson ders hervorheben: Sie wissen, dass Michèle Kiesewetter eben so wie die Terroristen aus Thüringen stammt. Immer wieder wird spekuliert und unterstellt, Michèle Kiesewetter müsse selbst Bezüge zur rechtsextremistischen Szene gehabt haben. In gleicher Weise hat man den Opfern der Ceska-Mordserie, die alle einen Migrationshintergrund hatten, über Jahre unter stellt, sie müssten Bezüge zur organisierten Kriminalität ha ben. Keines der Opfer des NSU kann sich gegen solche Vor würfe mehr wehren, und die Familien der Opfer werden durch solche Unterstellungen noch einmal zum Opfer gemacht.
Für mich ist es daher ganz wichtig, dass wir bei der intensi ven Befassung mit dem Fall Kiesewetter keinen einzigen be lastbaren Hinweis gefunden haben, dass sie tatsächlich irgend
welche Bezüge zur rechtsextremistischen Szene gehabt haben könnte. Ich bin mir sicher, das ist auch für die Familie von Frau Kiesewetter ein wichtiges Zeichen.
Zwei Punkte möchte ich noch kurz ansprechen, die uns gleich zu Beginn der Arbeit beschäftigt haben. Das eine ist der Vor wurf der unzureichenden Aktenzulieferung durch die Landes regierung an den Untersuchungsausschuss des Bundestags. Dieser Vorwurf, Herr Innenminister, hat sich leider zum Teil bestätigt. Auch in unserem Ausschuss hat sich gezeigt, dass das LfV eine ganz eigene Auslegung unserer Beweisbeschlüs se vorgenommen und uns Akten zunächst nicht vollständig vorgelegt hat. Wir mussten daher sogar einen eigenen Sach verständigen ins LfV schicken, der sich vor Ort alle Akten an geschaut hat. Im Ergebnis – das gehört zur ganzen Wahrheit dann auch dazu – hat der Bundestagsuntersuchungsausschuss und haben auch wir am Ende des Tages alle Akten vollstän dig erhalten.
Der andere Punkt ist der Vorwurf, in deutschen und badenwürttembergischen Sicherheitsbehörden gebe es einen struk turellen oder gar institutionellen Rassismus. Vermeintlicher Kronzeuge in der öffentlichen Diskussion ist ein Zitat aus den Ermittlungsakten. Dieses lautet – ich zitiere –:
Die Psychologen betonten, dass es sich bei S. um einen typischen Vertreter seiner Ethnie handele, das heißt, die Lüge ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation darstelle.
Wenn man das liest, kann man schon den Eindruck rassistisch geprägter Voreingenommenheit haben. Tatsächlich handelt es sich hierbei aber um die Meinung eines serbischen Psycholo gen, der zu einer Vernehmung eines Verdächtigen in Serbien hinzugezogen wurde. Aus der Akte ergibt sich auch eindeu tig, dass es sich gerade nicht um die Meinung der baden-würt tembergischen Ermittler handelte.
Hier wird entweder aus Böswilligkeit oder aus Unkenntnis oder deswegen, weil einfach einer beim anderen abschreibt, ein Verdacht in den Raum gestellt, der bei genauerer Überprü fung haltlos ist.
Für die CDU-Fraktion ist daher wichtig, festzustellen, dass sich in den gesamten Ermittlungsakten an keiner Stelle Hin weise auf einen strukturellen Rassismus gefunden haben. Aus meiner ganz persönlichen Sicht handelt es sich bei diesem Vorwurf vielmehr um den Ausdruck eines tief sitzenden Miss trauens gegenüber der Polizei aus bestimmten Kreisen.
Ich will an dieser Stelle auch noch einmal an die Verantwor tung der Medien appellieren, nicht jedem Gerücht, nicht je der Theorie ungeprüft hinterherzulaufen und ihre Berichter stattung regelmäßig kritisch zu hinterfragen.
Diese Frage ist auch in diesen Tagen wieder aktuell gewor den, als wir von einem weiteren bedauerlichen Todesfall er fahren mussten. Offenbar hat sich der Verlobte der Zeugin aus dem Komplex Florian H. vor wenigen Tagen das Leben ge nommen. Das Tragische an dieser Geschichte ist, dass die Zeugin selbst wenige Wochen nach ihrer Vernehmung vor un serem Ausschuss durch eine Lungenembolie ums Leben kam.
Es besteht nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass bei diesen Fällen Fremdverschulden im Spiel gewesen sein könn te. Dass es jedoch auch hier leicht und verlockend ist, auf den Zug der Verschwörungstheoretiker aufzuspringen, konnten wir leider erst vorgestern wieder in der „taz“ lesen. Was dort gerade wieder gemosert und gefunkt wird, empfinde ich als unerträglich.
Bitte verstehen Sie das nicht als allgemeine Medienschelte. Eine große Anzahl von Medien hat die Arbeit unseres Aus schusses bis zuletzt interessiert, kritisch und zumeist sachkun dig begleitet. Dafür herzlichen Dank.
Einem Mythos möchte ich gern eine klare Absage erteilen: Es gibt nicht gute Extremisten und schlechte Extremisten. Es gibt in gewissen politischen Kreisen leider die Tendenz, Linksex tremisten als idealistische Weltverbesserer zu verharmlosen. Dem trete ich entschieden entgegen.
Jede Art von Extremismus – von rechts, von links und aus re ligiöser Motivation – stellt eine Gefahr für unsere Demokra tie und unser friedliches Zusammenleben dar und muss mit gleicher Entschlossenheit bekämpft werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns im Untersuchungsaus schuss war es wichtig, über Parteigrenzen hinweg gegen die Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu sammenzustehen. Ich freue mich daher, dass unser Ausschuss auch in seinen Handlungsempfehlungen deutliche Worte ge funden hat.
Wir legen ein klares Bekenntnis für einen starken Verfassungs schutz ab. Wir wollen den Informationsaustausch zwischen den Behörden verbessern, wir wollen die Prüfung von besse ren und wirksameren Instrumenten für unsere Sicherheitsbe hörden, etwa den Zugriff von Polizei und LfV auf Vorratsda ten, die Befugnis zur sogenannten Quellen-TKÜ – die Über wachung verschlüsselter Telekommunikation –, zur Online durchsuchung und zur präventiven Telefonüberwachung. Hier haben sich zum Teil auch die Grünen eines Besseren belehren lassen.
Noch vor einem Jahr war hier davon die Rede, den Verfas sungsschutz ausbluten zu lassen und das Personal um bis zu 50 % zu kürzen. Es gibt in Deutschland keinen Nachrichten dienst, den die Grünen nicht bereits abschaffen wollten.
Leider ziehen die grünen Kollegen trotz unseres einstimmig beschlossenen Abschlussberichts offenbar weiter durch die Lande und schüren Misstrauen gegen unsere Sicherheitsbe hörden. Dies konnte ich jedenfalls einem Artikel der „Süd west Presse“ vom 29. Januar entnehmen, in dem es heißt – ich zitiere –:
Ermittlungspannen, verschwundene Beweismittel, ein nicht veröffentlichtes Phantombild, nicht befragte Zeu gen und eine Blindheit auf dem rechten Auge ziehen sich nach Filius’ Meinung durch die NSU-Ermittlungen.
Diese Aussage widerspricht diametral unserem einstimmigen Ermittlungs- und Untersuchungsergebnis. Ich möchte nur die Phantombilder nennen, bei denen wir uns doch einig waren, dass sie zu Recht nicht veröffentlicht wurden. Ich muss ganz offen sagen: Mir fehlt für dieses Verhalten jegliches Verständ nis.
Das konnte man vielleicht noch vor einem Jahr so formulie ren; jetzt verbietet sich so etwas. Ich kann daher an Sie, vor allem an die Kolleginnen und Kollegen der Grünen, nur ap pellieren, diesem Abschlussbericht zuzustimmen und für die gemeinsam erworbenen Erkenntnisse auch in der Öffentlich keit einzutreten und zu werben.
Wir als Demokraten müssen Extremismus und Terrorismus in jeder Form die Stirn bieten.
Lassen Sie uns heute ein Zeichen der Geschlossenheit senden. Lassen Sie uns unseren Rechtsstaat stärken und die Majestät des Rechts bewahren.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen schon zum Thema Flüchtlinge und zum Thema Integration gesprochen.
Wir sind uns, glaube ich, in diesem Land alle einig, dass wir denjenigen, die hier Schutz und Hilfe brauchen, diese auch gewähren sollen und gewähren müssen, dass aber diejenigen, die keinen Schutzgrund haben, die keinen Asylgrund haben, das Land auch wieder verlassen müssen. Da setzt das Land, da setzen wir auf die freiwillige Rückkehr. Aber für diejeni gen, die nicht freiwillig zurückkehren wollen, müssen dann eben auch die Abschiebung und die Rückführung durchge setzt werden.
Dazu ist ein Instrument auch notwendig; das ist die Abschie behaft, die als letztes Mittel angeordnet werden kann, wenn man auf anderem Weg nicht zur Abschiebung kommen kann. Die Frage ist nun: Wie wird diese organisiert? Der Europäi sche Gerichtshof hat in einer Entscheidung festgestellt, dass es spezielle Hafteinrichtungen sein müssen und man die Ab schiebehäftlinge nicht in einer normalen Strafvollzugsanstalt unterbringen darf.
Insofern ist es jetzt konsequent, dass das Land in Pforzheim eine eigene Abschiebeeinrichtung schafft, und es ist auch not wendig, hierfür dann eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um eine entsprechende Rechtsgrundlage für Eingriffe in Grund rechte der Betroffenen zu haben. Wir haben ja Beamtinnen und Beamte im Land, die sich mit dem Thema Haft ausken nen. Das ist das eine Modell, das viele Bundesländer durch führen, indem die Justiz im Wege der Amtshilfe die Abschie behaft durchführt.
Das Land Baden-Württemberg hat sich für einen anderen Weg entschieden. Die Landesregierung hat vorgeschlagen und ei nen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, dass im Innen bereich, im Bereich des Innenministeriums, die Abschiebe haft angesiedelt werden soll. Es gibt eine neue eigene Lauf bahn, den Abschiebehaftvollzugsdienst, der dann möglicher weise auch wieder auf das Personal zurückgreift, das in den Justizvollzugsanstalten bereits vorhanden ist.
Das kann man so machen; das muss man nicht so machen. Jetzt ist es aber auf jeden Fall notwendig, dass die Abschie behaft in Baden-Württemberg wieder vollzogen werden kann. In der Vergangenheit war es ja so, dass wir seit der Entschei dung, die Justizvollzugsanstalt Mannheim nicht mehr zu nut zen, auf Rheinland-Pfalz angewiesen waren. Das war ein schwieriges Miteinander mit einem Bundesland, in dem die zuständige Ministerin auf ihrer Homepage gleich im ersten Satz schreibt, dass sie die Abschiebehaft gar nicht möchte.
Weil ich es im Internet gelesen habe, Herr Kollege. Da kann man es nachlesen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Insofern war es jetzt notwendig geworden, auf eine eigene Einrichtung zu setzen. Wir sind von der Notwendigkeit einer eigenen Abschiebehaft in Baden-Württemberg überzeugt und werden deswegen trotz einiger inhaltlicher Bedenken dem Ge setzentwurf auch zustimmen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Innenminister hat das Thema „Rückführungen und Abschiebungen“ zur Chefsache erklärt. Wir hören aus den Reihen der Polizei, dass Baden-Württem berg, was die Quote der erfolgreichen Abschiebungen betrifft, auf einen miserabel schlechten Schnitt kommt. Das liegt ins besondere daran, dass zahlreiche Überstellungs- und Abschie beversuche erfolglos abgebrochen werden müssen und schei tern.
Auch vergeht zwischen den einzelnen gescheiterten Abschie beversuchen viel Zeit, etwa um einen neuen Abschiebeplatz in einem Flugzeug zu buchen; die Abschiebegruppen müssen erneut beauftragt werden, Fahrzeuge müssen bereitgestellt werden, ein Arzt muss hinzugerufen werden, und neue Strei
fen müssen eingeteilt werden. Die Polizeibeamten sind nach zahlreichen erfolglosen Abschiebeversuchen zum Teil extrem demotiviert.
Die Abschiebehaftplätze, die Baden-Württemberg gemeinsam mit Rheinland-Pfalz nutzt und die Baden-Württemberg zur Verfügung stehen, werden nach unseren Informationen nicht in dem Maß in Anspruch genommen, wie man es angesichts der aktuellen Zahlen eigentlich erwarten würde. Dazu kommt beispielsweise, dass zur Abschiebung ausgeschriebene Perso nen, wenn sie an einem Wochenende verhaftet werden, teil weise vom Haftrichter wieder freigelassen werden müssen, weil die notwendigen Haftunterlagen nicht vorliegen, da die se in den polizeilichen Informationssystemen wie beispiels weise POLAS nicht hinterlegt sind.
Die Prozesse sind nicht standardisiert, sondern müssen von jeder Polizeidienststelle selbst erst in mühsamer Kleinarbeit erarbeitet werden. Diese Zustände in Baden-Württemberg sind unhaltbar, und sie sind demotivierend für unsere Polizeibeam tinnen und Polizeibeamten. Die Prozesse sind derzeit zum Teil so gestaltet, wie wenn man einem Hürdenläufer vor seinem Start die Schnürsenkel zusammenbinden würde.
Was beabsichtigen Sie, Herr Minister, um diese Missstände abzustellen? Ich frage Sie insbesondere auch: Seit wann wer den die Abschiebungen in Baden-Württemberg nicht mehr an gekündigt, so, wie dies im Asylkompromiss zwischen Bund und Ländern vereinbart wurde? Wie wollen Sie die Zeiten zwischen den gescheiterten Abschiebeversuchen verkürzen? Wie lang sind diese Phasen heute, und was ist Ihr Ziel, wenn es um die Frage geht, wie lang diese Phasen zukünftig sein sollen? Ganz konkret möchte ich auch wissen, wie viele Plät ze in den Abschiebehafteinrichtungen des Landes RheinlandPfalz das Land Baden-Württemberg nutzt. Grundsätzlich in teressiert mich: Wie wollen Sie mit diesem Thema in Zukunft umgehen?
Vielen Dank.
Herr Minister, ich möchte es einfach noch einmal anhand einer ganz konkreten Frage ver suchen, die ich Ihnen vorhin auch gestellt habe, um die Sie aber sauber herumgeredet haben.
Wie kommt es dazu, dass eine zur Abschiebung ausgeschrie bene Person, die von der Polizei am Wochenende festgenom men wird, dem Haftrichter vorgeführt wird, aber – weil kei ne Haftunterlagen vorliegen, weil die Haftunterlagen nicht in den polizeilichen Informationssystemen eingestellt sind und an der Stelle, wo die Unterlagen lagern, nämlich beim Regie rungspräsidium, am Wochenende niemand erreichbar ist – vom Haftrichter wieder freigelassen werden muss? Wieso wird nicht sichergestellt, dass dem Haftrichter die erforderli chen Unterlagen auch außerhalb der üblichen Bürozeiten vor gelegt werden können? Das ist eine ganz einfache Frage. Im mer, wenn es um organisatorische Versäumnisse beim Bund geht, wissen Sie ganz genau Bescheid, doch wenn es um sol che Themen im Land geht, versuchen Sie, darum herumzure den. Deswegen stelle ich dazu einfach noch einmal ganz kon kret die Frage: Wie wollen Sie das in Zukunft sicherstellen?
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Positive vorweg: Der Schutz der Feiertage in Baden-Württemberg bleibt unangetastet. Feierta ge bieten weiterhin Gelegenheit zur Ruhe, zur Einkehr, zur Besinnung, zur Erholung oder zur Sammlung, je nachdem, wie man das für sich persönlich definieren mag. Das Tanzver bot bleibt an den stillen Feiertagen erhalten. Dies gilt insbe sondere für die Tage des Totengedenkens, aber auch für den Karfreitag und den Karsamstag.
Nun ist eine maßvolle Weiterentwicklung des Tanzverbots an anderen Tagen geplant. Damit wird eine gesellschaftliche Ent wicklung nachgezeichnet. Es sind aber auch theologische Ent wicklungen berücksichtigt worden. Es ist festzuhalten, dass das Auseinanderfallen von Tanzverbot auf der einen Seite und Sperrzeiten auf der anderen Seite künftig vermieden wird. In sofern ist ein Konflikt, der in der Vergangenheit häufig zuta ge getreten ist, in Zukunft entschärft.
Ein wenig strittig ist die Regelung zu den Weihnachtsfeierta gen. An dieser Stelle war die Stellungnahme der Kirchen nicht ganz so eindeutig, wie dies ansonsten der Fall war. Aber auch hier hat sich ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen. Es hat sich aber durchaus auch ein theologischer Wandel vollzogen.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen. Ein Pfarrer, den ich auf dieses Thema angesprochen habe, hat mir erzählt, er besuche an den Weihnachtstagen immer die BDKJDisco. Insofern hat sich bei diesem Thema eine Entwicklung bis hin zu den Kirchen abgespielt.
Das hat aber auch einen theologischen Hintergrund; denn die Rolle des Advents und die Rolle des Heiligen Abends haben sich auch in der Theologie gewandelt. Während die Advents zeit früher in erster Linie eine Zeit der Buße und des Fastens war, hat sich die Adventszeit zunehmend zu einer Zeit der freudigen Erwartung auf das Weihnachtsfest entwickelt. Au ßerdem ist das Weihnachtsfest an sich für alle Christen ein Grund zur Freude und damit kein stiller Feiertag.
Die evangelische und die katholische Kirche haben signali siert, dass sie diesen Weg der maßvollen Entwicklung des Fei ertagsgesetzes bzw. des Tanzverbots mitgehen können. Daher können auch wir, die CDU-Fraktion, diesen Gesetzentwurf mittragen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir, die CDU-Fraktion, begrüßen zu nächst einmal, dass der Schutz der Feiertage von diesem Ge setzentwurf grundsätzlich unberührt bleibt und dass keine wei ter gehenden Regelungen zur Lockerung der Vorschriften zum Schutz der Feiertage formuliert worden sind, wie dies ver schiedentlich gefordert worden ist, sondern dass uns die Fei ertage als Tage der Einkehr und Arbeitsruhe vollständig erhal ten bleiben.
Die CDU-Fraktion stellt sich einer maßvollen Lockerung der Regelungen zum Tanzverbot nicht entgegen. Wir sind offen für eine maßvolle Anpassung an gesellschaftliche Entwick lungen. Bei einigen bisherigen Regelungen zu manchen Ta gen kann man sich in der Tat fragen, wie sich ein Tanzverbot theologisch herleiten lässt.
Klar ist, dass wir die Regelungen zu den sogenannten stillen Feiertagen, insbesondere zum Karfreitag und zur Karwoche, aber auch zu den Feiertagen Allerheiligen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag sowie Totensonntag, beibehalten bzw. nur maßvoll ändern, sodass die Tage der Trauer geschützt sind.
Über einen Punkt kann man mit Sicherheit noch reden. Das haben auch die Kirchen deutlich gemacht. Fraglich ist, ob die Nacht, in der man „Stille Nacht, heilige Nacht“ singt, ein stil ler Feiertag ist oder ob die Freude im Vordergrund steht. Das ist ein Punkt, über den man im weiteren Verfahren noch ein mal sprechen sollte.
Auch die Kirchen haben dem Gesetzesvorhaben insgesamt zugestimmt. Insofern kann man von einer grundsätzlichen Zu stimmung zu diesem Vorhaben von dieser Seite ausgehen.
Ich glaube, es macht Sinn, an vielen Stellen das Thema Sperr zeit und das Thema Tanzverbot zusammenzufassen, um Kon fliktpotenzial, das durch ein solches Auseinanderfallen ent steht – wie dies bisher teilweise der Fall war –, in Zukunft zu vermeiden. Insofern sind wir offen hinsichtlich der weiteren Beratungen zu diesem Gesetzentwurf.
Vielen Dank.
Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt, die Kompetenzzentren würden aus Ihrer Sicht keinen Sinn machen. Wie bewerten Sie dann die Aussage des Staatssekretärs im Staatsministerium, der Ende Mai gesagt hat, mit Blick auf die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt sei en Cluster aus LEA, BAMF-Außenstelle und einem Verwal tungsgericht vor Ort sinnvoll, um die Verfahren schnell ab schließen zu können? Die Flüchtlinge würden dann zwischen durch nicht von der Erstaufnahmestelle in andere Unterbrin gungen im Land gebracht. Das ist genau das, was wir formu liert haben. Das war laut dpa die Formulierung von Herrn Mu rawski.
Ich möchte fragen, warum dies bei Herrn Murawski richtig ist, bei Herrn Wolf aber falsch.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Bund, Länder und Kommunen stehen vor großen Herausforderungen, was die Bewältigung der Flücht lingslage angeht. Wir haben vonseiten der CDU-Fraktion be reits mit einer Großen Anfrage im Oktober 2013, in der Ak tuellen Debatte im Juli 2014 und zuletzt noch in den Haus haltsberatungen im Dezember auf dieses Thema hingewiesen.
Unsere Forderungen an die Landesregierung waren: Führen Sie die Bezirksstellen für Asyl – Zusammenfassung von Lan deserstaufnahmestelle, BAMF-Außenstelle und Verwaltungs gericht – wieder ein. Stimmen Sie der Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu, und führen Sie die Asylbe werber, die aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, direkt aus der LEA zurück und verteilen Sie sie nicht aufs Land.
Wie war die Reaktion der Landesregierung? Nichts tun, zu schauen, abwiegeln, schönreden.
Wir haben die Landesregierung damals gefragt, was sie bei spielsweise von der Wiedereinführung der Bezirksstellen für Asyl hält, und es kamen drei Antworten.
Erstens: Aufgrund der Zahl der Entscheider sei das BAMF nicht in der Lage, dieses Thema abzudecken. Dazu kann man heute nur feststellen: Das stimmt nicht. Das BAMF hat mas siv aufgestockt: 2 000 zusätzliche Stellen,
zuletzt 750 neue Stellen in den Haushaltsberatungen im Mai beschlossen. Die Stellen sind da; das BAMF stellt das Perso nal zur Verfügung. Laut einer dpa-Meldung gibt es ein Pilot projekt für Karlsruhe. Dort sind zusätzlich 30 Mitarbeiter al lein für das Thema Kosovo eingestellt worden.
Zweiter Punkt: Es stehe gar keine Unterbringungskapazität beispielsweise in Form von leer stehenden Kasernen zur Ver fügung. Da muss ich nur nach Ellwangen schauen, da kann ich nach Meßstetten schauen, da kann ich auch nach Ulm schauen. Da sind diese Kapazitäten vorhanden und werden zum Teil von der Landesregierung überhaupt nicht abgerufen.
Und der dritte Punkt war: Solche Entscheidungen würden im Land nicht auf Akzeptanz stoßen.
Wie Frage? Ich habe drei Minuten Zeit, das zu begründen.
Der dritte Punkt war: Ent sprechende Standortentscheidungen dürften zudem kaum auf Akzeptanz stoßen. Auch das kann ich im Land überhaupt nicht erkennen. Im Gegenteil, man hat im Schulterschluss zwischen Land und Landkreisen bzw. Kommunen dafür gesorgt, dass in Meßstetten und in Ellwangen vor Ort genau diese Akzep tanz geschaffen wurde. Dennoch haben Sie lange nicht gehan delt.
Jetzt kommt plötzlich die dpa-Meldung: Aus der Bezirksstelle für Asyl wird ein Cluster; man möge doch bitte LEA, BAMFAußenstelle und das Verwaltungsgericht vor Ort zusammen führen, damit man schneller die Verfahren abschließen kön ne. Anschließend heißt es dann noch: Die Flüchtlinge würden dann auch nicht zwischendurch von der Erstaufnahmestelle in andere Unterbringungen im Land gebracht.
Drei Kernforderungen der CDU-Fraktion sind erfüllt worden. Ich frage Sie jetzt: Was hat Sie alle zu diesem Sinneswandel gebracht? Was hat sich geändert zwischen dem Dezember 2013, als Sie die Große Anfrage beantwortet haben, und heu te? Warum haben Sie nicht früher gehandelt?
Herr Minister, dass es sich hier um eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen handelt, war mein erster Satz. Dass wir uns im Landtag von Baden-Württemberg die baden-württembergi schen Behörden vornehmen, ist, wie ich meine, eine bare Selbstverständlichkeit. Ich verstehe gar nicht, wie Sie sich da rüber aufregen können.
Die Entwicklung war seit Jah ren absehbar. Ihr Vorschlag, direkt aus der LEA zurückführen, stammt vom Oktober letzten Jahres. Ich habe ihn hier in der Haushaltsdebatte im Dezember vorgetragen.
Was ist denn in der Zeit pas siert? Was ist jetzt der Unterschied – das frage ich jetzt noch einmal – zwischen einem Cluster und einer Bezirksstelle für Asyl? Das Staatsministerium erklärte in einem Pressege spräch, dass ein Cluster prima sei und eine Bezirksstelle für Asyl schon immer schlecht gewesen sei. Können Sie mir bit te erläutern, wie es dazu kommt?
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir beraten heute das Gesetz zur Aus führung des Bundesmeldegesetzes. Diese Vorschrift ist durch die Föderalismuskommission I und die damit verbundenen Veränderungen im Grundgesetz notwendig geworden.
Die Zuständigkeit des Meldewesens wurde aus der damaligen Rahmengesetzgebung in die ausschließliche Gesetzgebungs kompetenz des Bundes transferiert. Damit verbunden ergeben sich auch Veränderungen für die Landesebene und das Land Baden-Württemberg. Die landesrechtlichen Regelungen wer den nun an die neue Rechtslage im Bund angepasst.
Inhaltliche Veränderungen ergeben sich im Wesentlichen nicht. Wenn sich Veränderungen ergeben, dann sind diese meist durch den Bundesgesetzgeber erfolgt. Insofern entspre chen diese Regelungen der alten, bewährten Rechtslage in Ba den-Württemberg, und daher können wir, die CDU-Fraktion, diesem Gesetzentwurf auch zustimmen.
Herzlichen Dank.
Herr Minister, Sie haben ge rade ausgeführt, dass die pure Anwesenheit der Minister Krebs und Friedrich im Kosovo dafür gesorgt habe, dass die Zahlen nicht weiter steigen. Liegen der Landesregierung durch diese Reise der beiden Minister weitere Erkenntnisse über die Situ ation im Kosovo vor?
Herr Minister, ich möchte noch einmal auf die bestehende Gesetzeslage eingehen. Wel che Erkenntnisse liegen denn der Landesregierung darüber vor, auf welchen Wegen die Menschen aus dem Kosovo der zeit Baden-Württemberg erreichen?
Herr Minister, welche Erfah rungen haben Sie denn mit der Ankündigung am Tag vor der Abschiebung gemacht? Waren die Abzuschiebenden dann am nächsten Tag noch in der Unterkunft?
Herr Minister, inwieweit, auf wessen Anweisung und mit welcher Zielsetzung wird das Staatsministerium über geplante Abschiebungen informiert?
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Grünen sorgen für ein „Water gatele am Nesenbach“. Was ist passiert? „Grüne Abgeordne te machten sich nackig“, so titelten am Samstag die „Stuttgar ter Nachrichten“. Ich war entsetzt. Sckerl und Sitzmann als Femen-Aktivisten? Nein, so war es nicht gemeint. Es geht nicht um den Schutz vor Blicken, es geht um den Schutz von Daten, und es geht um ein sehr ernstes Thema.
Zum Thema Datenschutz können wir im Wahlprogramm der Grünen für die vergangene Landtagswahl nachlesen – ich zi tiere –:
Meine Daten gehören mir!
Diese schön klingende Aussage gilt aber offenbar nicht für die Abgeordneten und die Mitarbeiter der eigenen Fraktion. Denn sie haben eine „Datenschutzrechtliche Einwilligungserklä rung“ zur Unterschrift vorgelegt bekommen. Sie willigten ein, ihre Daten auf dem Arbeitsplatz-PC, dem Heim-PC, Note books und Tablets von einer sachverständigen Firma untersu chen zu lassen – so schrieben es am Samstag die „Stuttgarter Nachrichten“.
Betroffen ist der Zeitraum vom 15. September bis 15. Novem ber 2014, also genau der Zeitraum, aus dem die öffentlich ge wordenen E-Mails der Gutachtenaffäre stammen, auf die ich gleich noch sprechen komme. Diese Einwilligungserklärung sollte ausdrücklich auch für solche E-Mails gelten, die – so werden sie im Bundesdatenschutzgesetz genannt – besonde re Arten personenbezogener Daten enthalten, das heißt Anga ben über rassische und ethnische Herkunft, politische Mei nungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Ge werkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich halte das für einen unerhörten Vorgang.
Die selbst ernannte neue Partei der Bürgerrechte forscht ihre eigenen Abgeordneten und Mitarbeiter aus.
Unglaublich! Mich würde interessieren, was Datenschützer davon halten.
Wenn es tatsächlich darum gehen sollte, einen Maulwurf zu finden, dann ist das ein massiver Angriff auf die Unabhängig keit der Abgeordneten. Da werden Kollegen und Mitarbeiter verdächtigt, E-Mails nach außen gegeben zu haben. Wie frei willig soll eine solche Einwilligung denn sein? Wenn jemand diese Einwilligung verweigern würde, entstünde doch das Bild: „Der muss etwas zu verbergen haben.“ Das sind keine Mittel, die in ein Parlament gehören.
Nun waren diese Daten zum Leidwesen der grünen Führung leider schon gelöscht. So wurde nichts aus der Maulwurfjagd.
Mit dem Thema Maulwurfjagd kennt man sich in der Landes regierung ja auch aus. Im Hause von Frau Öney hat man an geblich auch schon einmal nach einem Maulwurf fahnden las sen. Nun macht dies die grüne Landtagsfraktion.
Dabei ist der Maulwurf nach § 1 Satz 1 der Bundesarten schutzverordnung unter besonderen Schutz gestellt. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz darf man den Maulwurf nicht ein mal stören.
Dennoch hält der NABU in einer Broschüre Tipps bereit, wie man Maulwürfe vertreiben kann, wenn sie allzu sehr stören. Ich zitiere daraus mit Erlaubnis der Präsidentin:
Kleine Windräder, die man mit dem Stab in einen Maul wurfshaufen steckt, sollen ebenfalls helfen.
Herr Untersteller, das hilft zwar nicht bei der Energiewende weiter, aber vielleicht vertreibt es wenigstens den Maulwurf.
Warum eigentlich suchte die grüne Fraktion nach dem Maul wurf? Um dies zu beleuchten, müssen wir noch einmal kurz in die Gutachtenaffäre einsteigen: Die Landtagsverwaltung verfasst ein Rechtsgutachten, der den Grünen angehörende Vorsitzende der Enquetekommission hält das Papier zurück und berät es erst mit Parteifreunden. Anschließend bestreiten er und der Obmann der Grünen, von dem Gutachten Kennt nis gehabt bzw. es weitergegeben zu haben. Der Vorsitzende zieht die Konsequenzen und tritt von seinem Amt zurück. Doch dann tauchen E-Mails auf, die erkennen lassen, dass Wilhelm Halder gar nicht allein gehandelt hat, sondern von Ulrich Sckerl, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion GRÜNE, zu diesen Lügen angestiftet wurde.
Nein, jetzt nicht.
Nicht nur, dass die beiden Kollegen von den Grünen vor Me dienvertretern und Kollegen gelogen haben – Ulrich Sckerl hat mehrfach, auch von diesem Platz aus, auch vor diesem Hohen Haus die Unwahrheit gesagt,
zuletzt am 13. November 2014, als ich ihn mit Aussagen aus einer E-Mail konfrontiert habe, die mir zugegangen war. In diesem Zusammenhang zeigt sich erneut die mangelnde da tenschutzrechtliche Kompetenz der Grünen. Als Reaktion auf meine Äußerung warf Herr Sckerl mir vor, die Grünen aus spioniert zu haben, und kündigte eine umfangreiche juristi sche Prüfung an. Diese ist nun erfolgt. Die Fraktionsvorsit zende der Grünen, Frau Sitzmann, hat einen Brief an den Landtagspräsidenten geschrieben, und sie fährt darin schwe res Geschütz auf. Sie schreibt, ich hätte gegen das Bundesda tenschutzgesetz verstoßen und hätte das allgemeine Persön lichkeitsrecht ihrer parlamentarischen Beraterin verletzt.
Seit Kurzem liegt nun die Antwort der Landtagsverwaltung vor, und diese lässt keine Fragen offen und erlaubt keinen Spielraum für Deutungen. Die Antwort des Präsidenten liest sich zusammengefasst so: „Die Vorwürfe sind Quark. Das von den Grünen bemühte Bundesdatenschutzgesetz ist überhaupt nicht anwendbar, und auch sonstige datenschutzrechtliche
Normen sind nicht verletzt.“ So viel zur Kompetenz der Grü nen in Fragen des Datenschutzes. Die Grünen legen den Da tenschutz eben immer so aus, wie es ihnen gerade in den Kram passt.
Ich darf noch einmal auf die Gutachtenaffäre zurückkommen. Anstatt an der Aufklärung mitzuwirken, haben sich die Grü nen trotz der Forderungen aus allen Fraktionen geweigert, ih ren E-Mail-Verkehr offenzulegen. Wenn sie aber einen Skan dal – oder vielmehr die Möglichkeit zur Skandalisierung – wittern, dann ist die Offenlegung von E-Mails das Erste, was sie fordern – so geschehen vor nicht allzu langer Zeit in Be zug auf Mails von Herrn Mappus, Frau Gönner sowie Beam ten aus deren Häusern.
Auch im Staatsministerium ist man nicht so zimperlich, wenn es um die Einhaltung datenschutzrechtlicher Regelungen geht. Es ist an dieser Stelle schon ausführlich thematisiert worden, wie Daten ohne vorherige Anhörung von Betroffenen an Pri vatpersonen herausgegeben wurden. Gleichzeitig wurden beim Justizministerium personenbezogene Daten zu Straf- und Er mittlungsverfahren in Bezug auf Stuttgart 21 abgefragt – zu mindest wurde dies versucht; zum Glück hat das Justizminis terium dem einen Riegel vorgeschoben.
In diese Reihe passt auch wunderbar die Episode um die „Wäh lerforschung“ im „Ochsen“ in Hardheim, wo Frau Staatsminis terin Krebs, wie die „Stuttgarter Zeitung“ geschrieben hat – ich zitiere –, „das Volk belauscht“ hat.
Hier war schon – nicht ganz zu Unrecht – nicht von einer Po litik des Gehörtwerdens, sondern von einer Politik des Abge hörtwerdens die Rede.
Die „Stuttgarter Zeitung“ hat bereits im vergangenen Okto ber festgestellt, dass die Verstöße der Staatskanzlei bei der Weitergabe von Daten wohl weniger mit Kalkül oder Tücke zu tun haben dürften, sondern eher mit Überforderung. Ich glaube aber vielmehr, es zeugt von der Neigung, sich den Da tenschutz immer genau so hinzudrehen, wie es einem gerade politisch passt. Hohe Maßstäbe gelten immer nur für die an deren.
Ich darf noch einmal aus dem Wahlprogramm der Grünen zi tieren:
Beim Schutz der Grundrechte spielt der Umgang mit per sonenbezogenen Daten eine besonders wichtige Rolle.
Recht haben Sie, doch diesem hehren Anspruch sind Sie zu keinem Zeitpunkt gerecht geworden.
Zurück zur Einwilligungserklärung. Mich würde wirklich in teressieren: Gibt es bei Ihnen, in den Reihen der Grünen, tat sächlich Abgeordnete, die sich diesen massiven Angriff auf ihre Unabhängigkeit haben gefallen lassen? Hat ernsthaft ei ner von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Einwil ligungserklärung unterschrieben?
Dies würde schon ein bemerkenswertes Verständnis von Da tenschutz und Unabhängigkeit
des Abgeordneten offenbaren.
Wer von Ihnen hat dies denn unterschrieben? Hand hoch!
Das interessiert, glaube ich, nicht nur mich, sondern es in teressiert bestimmt auch Ihre Wählerinnen und Wähler, die Ihnen vielleicht ab und zu schreiben wollen oder Ihnen schon geschrieben haben und die nicht wollen,
dass etwas über ihre rassische und ethnische Herkunft, über politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeu gungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexu alleben an Dritte gelangt.
Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch auf eine Beant wortung dieser Frage.
Vielen Dank.
Herr Kollege Schwarz, Herr Kollege Schmiedel, wenn es um die IT-Sicherheit geht, wenn es darum geht, wie wir gemeinsam die Sicherheit unserer Da ten verbessern können, stoßen Sie bei uns auf offene Ohren. Über diese Themen können wir in aller Ruhe sprechen, damit diese Themen so sicher bei uns aufbewahrt sind, wie dies die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten.
Nun gab es im Zusammenhang mit der grünen Aktion zwei Vorgänge. Zunächst gab es eine konkrete Anfrage an die Land tagsverwaltung. Darauf haben Sie Bezug genommen. Darauf ist Herr Kollege Schwarz ausführlich eingegangen. Dabei ging es um die Abfrage von Verbindungsdaten. Das ist das, was man braucht – die sogenannten Logfiles –, um feststellen zu können, wer wann auf ein Konto zugegriffen hat. Das sind Verbindungsdaten.
Warum unterschreiben dann die Abgeordneten der Grünen ei ne Erklärung, in der es nicht um Verbindungsdaten geht,
sondern um personenbezogene Daten? Genau das ist der Un terschied. Es ging eben nicht nur um die Logfiles, es ging nicht nur um Verbindungsdaten, sondern es ging um personenbezo gene Daten.
Ihre Kolleginnen und Kollegen haben eingewilligt, dass man diese ausliest. Ich sage es noch einmal: Angaben über rassi sche und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiö se oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszuge hörigkeit, Gesundheit und Sexualleben.
Das haben Ihre Kolleginnen und Kollegen unterschrieben. Das hat weder etwas mit Verbindungsdaten noch mit Angriffen von außen zu tun. Vielmehr geht es darum, E-Mail-Verkehre einzusehen. Das ist der Skandal, um den es hier heute geht.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Zum Einzelplan 03 gehört auch das Ka pitel 0330 – Ausländer und Aussiedler. In diesem Bereich se hen wir trotz steigender Flüchtlingszahlen rückläufige Ansät ze – bei den Maßnahmen zur Förderung der freiwilligen Rück kehr, bei den Dienstleistungen Dritter, vorwiegend im DV-Be reich, bei den Sachverständigen- und Gerichtskosten. Es sind sinkende Ansätze bei gleichzeitig steigenden Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen. Das leuchtet uns nicht ein.
Bei den Kosten für die Rückführung steigen die Mittel an; das ist wahr. Sie bleiben aber deutlich unter den Istzahlen der Jah re 2012 und 2013. Auch hier fragen wir uns: Wie ist das mit den stark steigenden Asylbewerberzahlen unter einen Hut zu bringen?
Dieser Haushalt wird den Herausforderungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik nicht gerecht. Der Ministerpräsident redet; der grün-rote Haushalt sieht anders aus.
Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn wir uns einmal ganz kon kret die Rückführungen selbst anschauen. Auch dort: grün-ro te Aufgabenteilung. Die grüne Basis protestiert, der Minister präsident gibt den Staatsmann, der der Asylrechtsänderung zugestimmt hat – Sichere-Drittstaaten-Regelung.
Gestern sind 83 abgelehnte, ausreisepflichtige Asylbewerber von Söllingen aus in ihre Heimat nach Serbien oder Monte negro zurückgeführt worden. Was ist denn mit denen, die aus Baden-Württemberg zurückgeführt werden sollten? 76 soll ten zurückgeführt werden, davon saßen 26 im Flugzeug. 50 haben gefehlt. Warum? Sie sind vorher abgetaucht. Wie kann das passieren? Offensichtlich gibt es eine Anweisung – ich wüsste gern einmal, wer diese veranlasst hat, Herr Minister –, dass die Zurückzuführenden einen Tag zuvor über die Rück führung informiert werden sollen. Das ist ja ein Treppenwitz! Erst ordnet der Minister an, es solle abgeschoben werden, und dann bindet man den Beamten die Schnürsenkel zusammen und hindert sie daran, ihre Arbeit zu machen.
Denn zufälligerweise sind die Leute an diesem Tag dann nicht in ihrer Unterkunft anzutreffen. Mit so etwas macht sich der Staat zur Lachplatte.
Was wäre denn stattdessen hilfreich? Wir haben schon darauf hingewiesen: Wir brauchten eigentlich Bezirksstellen für Asyl, in denen in schnellen Verfahren schnelle Entscheidungen kommen. Denn längere Verfahren sind auch eine Belastung für die Flüchtlinge selbst, auch sie brauchen schnelle Ent scheidungen.
Wenn wir eine Sichere-Drittstaaten-Regelung haben,
dann sollten wir es auch so halten, dass wir dies konkret mit Leben füllen. Wir sollten also diejenigen Bewerber, die ins Land kommen – häufig auch mit Zweit-, Dritt- und Viertfol geanträgen –, gar nicht mehr verteilen, sondern sie direkt von der Landeserstaufnahmestelle aus schnell in ihre Heimatstaa ten zurückführen. Das wäre eine Verfahrensbeschleunigung,
und das würde die Situation vor Ort wirklich entlasten.
Wenn Sie mir dies nicht glauben wollen: Der Minister hat ge sagt, die Forderung, besser und schneller abzuschieben, sei unanständig. Dazu möchte ich Ihnen – damit schließe ich dann auch – ein Zitat aus einem Brief von der kommunalen Basis vortragen, und zwar vom Landrat des Rems-Murr-Kreises, Herrn Fuchs. Er schreibt – Zitat –:
Wenn ich nun aus dem Innenministerium höre, dass im ersten Halbjahr 2014 aus dem Südwesten nur 422 Perso nen abgeschoben wurden, grenzt dies für mich an eine Aushöhlung und Pervertierung des Asylrechts. Hier fehlt es doch eindeutig an einem nachhaltigen Rückführungs konzept bzw. der entschlossenen Bereitschaft zu einer kon sequenten Heimführungspraxis bei fehlendem Asylgrund.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Vielen Dank.
Herr Kollege Sckerl, es gibt eine E-Mail von Ihnen vom 12. Oktober, die „Sprachrege lung“, von der Kollege Goll gesprochen hat – man kann es
auch Regieanweisung nennen. Darin schlagen Sie vor, zu for mulieren: „Das Gutachten ist in einer ersten Fassung da.“ Ist es zutreffend, dass bereits am 6. Oktober das Gutachten in der zweiten Fassung vorlag?
Sie wussten also, dass das Gutachten in einer zweiten Fassung – Sie haben jetzt den 8. Oktober genannt – vorlag, haben aber in der Sprachrege lung vorgegeben, man solle sagen, es liege in einer ersten Fas sung vor. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden?
Herr Kollege Sckerl, Sie ha ben ausgeführt,
es habe keinerlei Einflussnahme auf das Gutachten gegeben. Warum schreibt dann die parlamentarische Beraterin mit E-Mail vom 10. Oktober: „Diese Nachbesserung ist wichtig für uns“?
Die haben Sie ja nicht herge stellt.
Beamtenrechtliche Aussagegenehmigung – das ist die Kern frage; das Gutachten ist in diesem Punkt nicht nachgebessert worden –, E-Mail vom selben Tag. Wenn also nicht versucht wurde, Einfluss zu nehmen, warum kommt es dann in dieser Mail zu der Formulierung, dass das Gutachten in diesem Punkt nicht nachgebessert worden sei?
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion unterstützt die FDP/ DVP darin, den Antrag für dringlich zu erklären. Warum? Die Zeit drängt. Die Enquetekommission hat nur noch wenige Mo nate Beratungszeit, und wir brauchen einen neuen Schub für die Enquetekommission. Denn der Streit zwischen Grün und Rot überlagert die wichtige Arbeit in der Frage der Extremis musbekämpfung.
Der Schlagabtausch im Sommer zwischen Herrn Özdemir, Herrn Gall und Herrn Schmiedel hatte eher das Niveau einer Schulhofschlägerei an der Rütli-Schule als das einer ernsthaf ten Debatte. Dieses Scharmützel über die Frage „Untersu chungsausschuss, ja oder nein?“ – nach einem halben Tag wird gefordert, man solle ihn einsetzen, einen halben Tag später wird wieder zurückgerudert; das belastet die Arbeit der En quetekommission – bestärkt uns in der Meinung, der Dring licherklärung dieses Antrags zuzustimmen und heute in einem eigenen Tagesordnungspunkt über ihn zu reden.
Wir haben heute die Schlagzeile: „Kobane steht vor dem Fall an den IS“. Das betrifft Baden-Württemberg nicht nur auf grund der Flüchtlinge, die möglicherweise von dort kommen. Auch bei diesem Thema haben Sie ein Jahr lang Tiefschlaf bewiesen. Seit einem Jahr haben wir darauf hingewiesen. Bis zum Sommer ist nichts passiert. Es betrifft Baden-Württem berg auch, weil einige Menschen aus Baden-Württemberg dort hingehen.
Dies tat auch Sarah, eine Gymnasiastin aus Konstanz, die mit 15 Jahren mit einer gefälschten Vollmacht ihrer Eltern nach Syrien gereist ist, um dort ihren Traum zu verwirklichen, näm lich die Ehefrau eines islamischen Gotteskriegers zu werden. Sie lernte Schießen, bekannte sich zu Al Kaida und der Ter rormiliz IS. Ein Foto zeigt sie in einem langen lila Gewand, verschleiert, mit schwarzen Handschuhen. Sie hält eine Ma schinenpistole im Anschlag. Ihr ganzes Leben hatte sie in Deutschland verbracht, 14 Jahre lang in Konstanz. Sie war ei ne gute Schülerin in der Grundschule, war ruhig, freundlich,
zielstrebig und selbstbewusst. Auf dem Gymnasium waren ih re Noten eher besser als schlechter. Sie ging mit ihren Freun dinnen im Bikini baden, schäkerte mit Jungs.
In der neunten und zehnten Klasse wurde dann plötzlich alles anders. Was ist da passiert? Wie können wir so etwas verhin dern?
Das sind aktuelle Fragen. Die Vergangenheitsbewältigung im Hinblick auf Rechtsextremismus seit den Neunzigerjahren ist wichtig. Die Enquetekommission muss ihren Blick aber wei ten und ihn nach vorn richten.
Innenminister Gall hält den Salafismus für die – ich zitiere – „dynamischste islamistische Bewegung nicht nur in Deutsch land, in Baden-Württemberg, sondern in Gesamteuropa“. Er spricht von „erheblicher Gefährdung“ und „ernsthafter Bedro hung“. Mehr als 400 Ausreisen von deutschen Islamisten nach Syrien und in den Irak hat das Bundesamt für Verfassungs schutz verzeichnet. Damit beschäftigt sich die Enquetekom mission nicht.
Zum Weiten des Blickes gehört auch, den Blick auf die juden feindlichen Exzesse der vergangenen Monate zu richten. Kol lege Goll hat bereits darauf hingewiesen, dass das Schema „links/rechts“ für diese Fragen überhaupt nicht taugt.
Ein weiteres Zitat des Innenministers – vom 31. März dieses Jahres – lautet:
Wir haben die erfreuliche Entwicklung, dass rechtsextre mistische Straftaten rückläufig sind, aber wir haben ei nen Anstieg linker Gewalt.
Auch das blendet die Enquetekommission derzeit aus.
Das macht deutlich, dass wir im Sinne einer gesamtstaatlichen Verantwortung das gesamte Spektrum politisch motivierter Gewalt, rechts wie links, sowie religiös motivierter Gewalt in den Blick nehmen müssen. Nur dann können wir die richti gen Forderungen für eine Sicherheitsarchitektur formulieren, um den Feinden unserer Demokratie entschieden entgegen zutreten.
Setzen Sie daher das Thema auf die heutige Tagesordnung, bringen Sie die Enquetekommission wieder ins Lot, lassen Sie uns die Enquetekommission breiter aufstellen, und lassen Sie uns nach vorn schauen. Sie hatten bereits bei der Einsetzung der Enquetekommission die Chance dazu. Damals haben wir, die CDU-Fraktion, genau dies in einem Antrag gefordert. Nut zen Sie jetzt Ihre zweite Chance. Werden Sie Ihrer Verantwor tung gerecht.
Herr Minister, nachdem Sie die Grünen jetzt zu den größten Befürwortern der Bundeswehr erklärt haben, frage ich Sie, wie Sie sich erklären, dass aus den Reihen der Grünen immer wieder die Forderung erhoben wird, Jugendoffiziere aus den Schulen in Baden-Württemberg zu verbannen,
und warum nun die Landesregierung angekündigt hat, dass Bundeswehrvertreter nur gleichberechtigt mit Friedensorga nisationen – wer auch immer das sein mag – an die Schulen kommen dürfen.
Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Die Kommunen in Baden-Württem berg stehen vor einer großen Herausforderung. Die Asylbe werber- und Flüchtlingszahlen steigen dramatisch; sie haben sich in den letzten Jahren verfünffacht. Die Kommunen tun sich zunehmend schwer damit, Asylbewerber und Flüchtlin ge angemessen unterzubringen und angemessen zu betreuen. Wir dürfen die Kommunen bei dieser Aufgabe nicht alleinlas sen.
Im ersten Quartal dieses Jahres kamen deutlich mehr Men schen aus Syrien, aus Afrika und vom Westbalkan zu uns. Von Januar bis Mai kamen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 148 % mehr Menschen aus Syrien zu uns, 151 % mehr aus Somalia, 822 % mehr aus Eritrea. Aus den Staaten des West balkans kamen 146 % mehr aus Serbien, 113 % mehr aus Ma zedonien, 253 % mehr aus Bosnien-Herzegowina. Aus Alba nien kamen in diesen fünf Monaten statt 250 im Vorjahres zeitraum nun 3 200 Menschen nach Deutschland. Das ent spricht einer Steigerung um 1 186 %.
Bei den Menschen, die vor dem furchtbaren Bürgerkrieg in Syrien fliehen, liegt die Anerkennungsquote bei fast 100 %. Sie haben unsere Solidarität verdient.
Herr Ministerpräsident – er ist heute Morgen leider nicht da –, wir, auch die CDU – auch vor Ort –, stehen auf Ihrer Sei te, Überzeugung dafür zu leisten – wo es noch notwendig ist –, dass wir das zugesagte Kontingent erfüllen und die Men schen aufnehmen, dass wir uns auch bereit erklären, weitere Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, sie hier menschenwür dig unterzubringen und zu versorgen.
Dafür müssen die Kommunen aber auch Unterbringungsmög lichkeiten haben; diese sind derzeit aber vollkommen ausge schöpft. Das ist auch deshalb der Fall, weil etwa ein Viertel der Asylbewerber vom Westbalkan kommt – Tendenz stark steigend. Die Anerkennungsquote liegt nahe null. Die Anzahl der Asylfolgeanträge
steigt noch schneller als die Anzahl der Erstanträge.
80 € für die Busfahrt von Skopje nach Stuttgart, anschließend die Aussicht, hier mehrere Monate Sozialleistungen zu bezie hen, deren Höhe weit über den Einkommensmöglichkeiten im Heimatland liegt – ich mache nicht denjenigen einen Vorwurf, die die Möglichkeiten, die ihnen angeboten werden, anneh men, aber wir müssen uns die Frage stellen, ob wir diese Mög lichkeiten weiterhin in dieser Form anbieten wollen.
Die Bundesregierung hat deswegen reagiert und vorgeschla gen, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu si cheren Herkunftsstaaten zu erklären. Serbien hat selbst dar um gebeten. Bei Albanien und Montenegro konnten wir uns innerhalb der Großen Koalition im Bundestag gegenüber den Sozialdemokraten leider nicht durchsetzen. Beispielsweise Frankreich hat Albanien als sicheren Herkunftsstaat aner kannt. Das sind alles Beitrittskandidaten der Europäischen Union,
in denen keine staatliche, politische Verfolgung stattfindet.
Armut und Perspektivlosigkeit müssen vor Ort bekämpft wer den; unser Asylrecht eignet sich dazu nicht.
Es macht auch überhaupt keinen Sinn, die Menschen hierher kommen zu lassen, um sie anschließend, einige Wochen oder Monate später, wieder zurückzuführen.
Eine solche Regelung – die Anerkennung als sichere Her kunftsstaaten – kann die Verfahrensdauern deutlich verkür zen, führt aber nicht dazu – wie häufig fälschlicherweise be hauptet wird –, dass die Anträge überhaupt nicht mehr geprüft würden.
Wenn Sie es der CDU, einer Oppositionsfraktion, nicht glau ben wollen, dann hören Sie doch wenigstens auf Ihren Innen minister und Ihre Integrationsministerin, die sich zu Recht für diese Neuregelung und eine Entlastung der Kommunen ein setzen.
Wir sind uns in diesem Hohen Haus ja auch einig, dass die Unterbringung und die Betreuung vor Ort verbessert werden müssen. Die einem Asylsuchenden zustehende Wohn- und Schlaffläche von 4,5 auf 7 m2 zu erhöhen ist begrüßenswert, verschärft aber derzeit die Unterbringungssituation zusätzlich. Auch der generelle Abschiebestopp, der im Winter für Perso nen aus den Balkanstaaten gilt, verschärft die Unterbringungs situation zusätzlich. Die Verwaltungsgerichte haben untersagt, Unterkünfte in Gewerbegebieten einzurichten; auch dies ver schärft die Lage zusätzlich.
Warum, Herr Ministerpräsident, lassen Sie die Kommunen mit diesen Problemen allein?
Warum lassen Sie die kommunale Basis im Stich?
Es liegt im Interesse des Landes und seiner Kommunen, dass dieser Regelung im Deutschen Bundesrat zugestimmt wird. Im Bund gibt es keine dritte Kammer, keine Kommunalkam mer. Die Interessen der Kommunen müssen somit von den Ländern vertreten werden.
Am Freitag der vergangenen Woche haben Sie, indem Sie das Thema von der Tagesordnung genommen haben, versäumt, den Kommunen über den Sommer zwei Monate lang Entlas tung zu verschaffen. Bis September passiert jetzt in dieser Fra ge nichts. Das haben Sie mit zu verantworten.
Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn Sie den Kommunen hel fen wollen. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn Sie den Flücht lingen und Asylbewerbern helfen.
Es ist doch auch klar, dass es für viele schwer zu ertragen ist, in der Unterkunft zum Nichtstun verdammt zu sein. Wenn nun also die Frist, ab wann eine Arbeit aufgenommen werden kann, von neun auf drei Monate verkürzt wird, dann tun Sie den Menschen etwas Gutes. Sie tun damit übrigens auch vie len Mittelständlern etwas Gutes, die dringend Arbeitskräfte suchen; das mag in anderen Teilen Deutschlands anders sein, aber der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg gibt das her.
Deswegen liegt es auch im Landesinteresse, dem im Bundes tag angenommenen Gesetzentwurf im Bundesrat zuzustim men.
Herr Ministerpräsident, es liegt im Interesse von Flüchtlingen und politisch Verfolgten, es liegt im Interesse der Kommunen,
es liegt im Interesse des Landes. Herr Ministerpräsident, erst das Land, dann die Partei.