Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

Kollegin Razavi gestat tet keine Nachfrage mehr.

Ich erteile Herrn Abg. Sckerl das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss zunächst einmal eine Lanze für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Baden-Württemberg brechen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das, was man heute aus den Reihen der CDU und der FDP/ DVP gehört hat – das „großartige“ Zutrauen in die Klugheit, die Aufgeschlossenheit und die Informiertheit unserer Bevöl kerung –, spricht wirklich Bände

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Bände!)

und ist traurig, meine Damen und Herren.

Wir vertrauen auf die Bürgerinnen und Bürger – ein kluges Volk, das über Jahrhunderte bewiesen hat, in schwierigen wie in leichten Situationen allen Herausforderungen gewachsen zu sein. Sie meinen, eine Bevölkerung mit dieser Kultur kann die Frage der Volksabstimmung am 27. November – Ja oder Nein – in ihrem Sinn nicht richtig beantworten? Die Bürge rinnen und Bürger werden Sie eines Besseren belehren. Da von bin ich überzeugt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Nicole Razavi CDU: Vor allem Sie werden sie eines Besse ren belehren!)

Wir werden – das sollten bitte auch Sie tun – neben dem Wer ben für unsere Grundüberzeugung in der Sachfrage auch ganz großen Wert darauf legen, zu sagen: „Die Volksabstimmung ist eine nie da gewesene Möglichkeit der Beteiligung. Machen Sie schon aus grundsätzlichen Überlegungen der Demokratie, der Weiterentwicklung der Demokratie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch.“ Das sollten Sie machen, anstatt diese Volksabstim mung ständig zu diffamieren. Ich finde, das ist der Situation nicht angemessen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Heuchlerisch! – Zu ruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Gehen Sie noch einmal in sich, und überprüfen Sie vielleicht noch einmal Ihre Abstimmungsunterlagen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Was ich da zum Teil in Mustererklärungen Ihrer Fraktion ge sehen habe – auch über die Person des Ministerpräsidenten –, ist diesem Haus, Ihrer Fraktion, aber auch dieser Auseinan dersetzung nicht angemessen.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Moralkeule! – Abg. Win fried Mack CDU: „Ich bin die Moral“! – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Noch einmal zurück: Worum geht es? Es geht um den klassi schen Fall des Artikels 60 der Landesverfassung. Was haben sich denn die Mütter und Väter dieses Artikels eigentlich über legt, als sie ihn in die Landesverfassung aufgenommen ha ben?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das habe ich mir auch gedacht! Das weiß ich bis heute nicht!)

Das ist der klassische Konflikt, den die Landesverfassung für genau diesen Fall vorsieht:

(Abg. Nicole Razavi CDU: Vor einigen Monaten ha ben Sie von der Verfassung nicht mehr viel gehalten! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Die Regierung scheitert mit einem Gesetz im Landtag. Der Ausweg, eine Lösung wird in einer Volksabstimmung gese hen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Vertrags bruch!)

Diese Bestimmung wurde in den Sechziger- bzw. Siebziger jahren in weiser Voraussicht in die Verfassung aufgenommen. Jetzt haben wir in Baden-Württemberg zum ersten Mal den Fall, dass diese Bestimmung zur Anwendung kommt. Ich sa ge Ihnen, das ist verfassungsrechtlich völlig einwandfrei. Weil Sie zu genau dieser Einsicht auch gekommen sind, haben Sie auf den Gang zum Staatsgerichtshof verzichtet. So ist die Si tuation.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Es ist auch völlig klar und wird in den nächsten Wochen auch glasklar zutage treten, worum es geht. Es geht um die finan zielle Beteiligung des Landes Baden-Württemberg, um den Ausstieg des Landes,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aus einem Vertrag!)

um ein Kündigungsrecht des Landes bezüglich der Finanzie rungsverträge. Deswegen ist die Formulierung auf dem Stimm zettel so gewählt, wie sie jetzt vorgesehen ist. Deshalb ist die Informationsbroschüre so gestaltet, wie sie jetzt aussieht. Die Bürgerinnen und Bürger können genau in diesem Grad ihrer Beteiligungsmöglichkeiten entscheiden. Wir entscheiden nicht über ein Baurecht des Bundes, der Bahn oder was auch im mer. Vielmehr entscheiden wir im Rahmen der Zuständigkeit des Landes. Das ist verfassungsrechtlich anspruchsvoll, aber verständlich und nachvollziehbar. Davon sind wir in der Tat überzeugt.

Deshalb zum Schluss die Bitte an die Bürgerinnen und Bür ger des Landes: Lassen Sie sich von dieser Diffamierungs kampagne der CDU nicht beeinträchtigen,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Unverschämtheit! – Wei tere Zurufe von der CDU)

nehmen Sie Ihr demokratisches Recht wahr. Wir setzen dar auf, dass die Sachfrage, über die am 27. November die Ent scheidung ansteht, durch eine hohe Abstimmungsbeteiligung demokratisch überzeugend beantwortet wird.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: 100 %! – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Binder.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Professor Goll, Sie haben über die Begründung des Ausstiegsgesetzes gesprochen. Ich gebe Ihnen da inhaltlich vollständig recht. Deshalb hat die SPD-Fraktion dieses Gesetz abgelehnt, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der SPD: So sieht es aus! – Zurufe von der CDU)

Ein zweiter Punkt: Wenn eine Partei wie die FDP Eigenver antwortlichkeit und Freiheit propagiert – das passt nicht zu Ihrer Rede –, dann sollten Sie den Bürgerinnen und Bürgern schon ein bisschen mehr zutrauen als das, was Sie hier am Pult erzählt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Frau Kollegin Razavi, jetzt sind Sie von dieser Debatte ent täuscht. Ich war schon von der Überschrift enttäuscht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich habe immer darauf gewartet zu erfahren: Was ist jetzt Sinn und Zweck der Debatte?

(Abg. Nicole Razavi CDU: Haben Sie es nicht ver standen?)

Machen Sie uns einen verfassungsrechtlich einwandfreien Al ternativvorschlag? Nichts ist passiert.

Es gibt für mich keinen nachvollziehbaren Grund, dass die Debatte überhaupt hochgezogen worden ist.

(Zurufe der Abg. Nicole Razavi und Winfried Mack CDU)

Vielmehr haben wir alle doch jetzt die Aufgabe, darauf auf merksam zu machen – ob in der Bahnhofswirtschaft oder in den Schulen –, wie abzustimmen ist und wie diese Frage zu interpretieren ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ach so! Ich dachte, die Leute verstehen das!)

Frau Kollegin Razavi, wenn ein Grund für diese Debatte der gewesen sein sollte, dass Sie mit mir in die Bahnhofswirt schaft nach Geislingen gehen wollen, dann hätten wir dieses Treffen genauso gut auf dem kleinen Dienstweg verabreden können.

(Heiterkeit – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut!)

Dazu hätte es keiner Debatte im Landtag bedurft.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch: Eine An mache über den Landtag!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll.