Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade habe ich wieder erlebt, dass Sie sich die Dinge doch gern ein bisschen in die Rich tung drehen, die Sie gern hätten.
Ich sage noch einmal ganz deutlich: Die Abstimmungslage ist kompliziert. Das haben Sie zugegeben. Wir müssen informie ren.
Ich knüpfe an das an, was ich vorhin gesagt habe: Wir wollen informieren, damit die Menschen am 27. November aufge klärt sind und richtig entscheiden können. Das heißt natürlich, dass ich ihnen das zutraue. Das gilt aber nicht, wenn sie, wie bisher, so einseitig informiert werden und über die Reichwei te dieser Abstimmung getäuscht werden. Gerade deswegen sind Informationen nötig.
Wir werden in der Zeit vor dieser Abstimmung vor allem klar machen, worum es auch geht. Es geht um etwas, was auf dem Stimmzettel gar nicht steht. Es geht um die Frage: Fortschritt oder Stillstand in diesem Land?
Das müssen wir klarmachen. Auch wenn Sie es nicht gern hö ren, ist es so. Kürzlich hat wieder ein aufmerksamer Beobach
ter schön aufgelistet, dass die Grünen in jedem Bundesland gegen das jeweils wichtigste und aktuelle Infrastrukturprojekt sind.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zurufe von den Grünen, u. a. Abg. Andreas Schwarz: 1,8 %! – Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)
Ich sage Ihnen: Wenn es hier in Stuttgart um 2,5 km Autobahn ginge, hätten wir genau dasselbe Theater.
Ich sage bewusst „Theater“, weil sich an dem Geschehen auch Schauspieler, Theaterdirektoren beteiligen und sich profilie ren. Das ist ihr gutes Recht; das ist in Ordnung. Aber das zeigt, worum es eigentlich geht. Es geht um eine Haltung, um eine Art Lifestyle, um ein Freizeitvergnügen.
(Lachen bei Abgeordneten der Grünen – Zurufe von den Grünen, u. a. Abg. Andreas Schwarz: Unglaub lich!)
Aber das ist eine Haltung, die ich nicht anziehend finde. Ich persönlich finde sie eher erschreckend. Das ist eine Haltung zur Zukunft, auch zur Zukunft unserer Kinder.
In der Debatte hier ist zu Recht kritisiert worden, wie die Grü nen mit der Deutschen Bahn umgehen. Kollege Schmiedel hat hier die Frage gestellt: Mit wem wollten Sie eigentlich K 21 bauen?
Ich habe mich mit dieser Frage beschäftigt. Ich kann Ihnen die Antwort sagen: Die würden K 21 gar nicht bauen. Das ist doch klar.
In der ganzen Zeit habe ich zu K 21 nur eine einzige konkre tere Beschreibung gelesen. Mir ist auch klar, warum: K 21 be deutet zunächst, dass mehrere Gleise im Tunnel durch den Ro sensteinpark verlegt werden müssten. Was glauben Sie, was in Stuttgart los gewesen wäre, wenn wir den Vorschlag ge macht hätten, den Rosensteinpark aufzureißen, um ein paar Gleise hineinzulegen? Wir hätten genau dasselbe Geschehen wie jetzt. Genauso sicher wäre der Widerstand gekommen. Denn es wird in dieser Debatte und bei der Volksabstimmung letzten Endes um die Frage „Fortschritt oder ängstlicher Still stand?“ gehen. Da bin ich mir ganz sicher, meine Damen und Herren.
Auch habe ich im Wahlkampf immer gesagt: Wenn die Volks abstimmung vom Blickwinkel der Gegner von Stuttgart 21 aus „falsch“ ausgehen sollte, dann war das Volk eben nicht schlau genug.
In diesem Raum hat Herr Abg. Wölfle von der Fraktion GRÜ NE gesagt: „Mehrheit ist nicht Wahrheit.“ Da bin ich wirklich erschrocken.
So würde es laufen, wenn die Volksabstimmung so ausginge, dass das Ergebnis Ihnen nicht passt. Erste Anzeichen und ers te Äußerungen mehren sich, dass man nicht in jedem Fall ge willt ist, sich an das Ergebnis zu halten.
Ich sage es noch einmal: Es geht um die Frage: „Fortschritt oder Stillstand?“ Wir sind für Fortschritt im Sinne dieses Lan des, seiner Infrastruktur, seiner Arbeitsplätze und seiner Men schen.
(Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP – Zurufe der Abg. Karl Zimmermann CDU und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
Frau Präsiden tin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat gemäß Artikel 60 der Landesverfassung eine Volksabstim mung eingeleitet. Es ist ein historisches Ereignis für dieses Land, dass die Bürgerschaft in einer wichtigen Landesfrage, in einer höchst umstrittenen Angelegenheit zum ersten Mal selbst entscheiden kann.
Nachdem die Opposition anfänglich infrage gestellt hat, dass diese Volksabstimmung überhaupt möglich ist,
ist sie auf den letzten Metern doch eingeschwenkt. Sie wer den nicht klagen, sondern bei dieser Volksabstimmung mit machen. Ich finde, Sie haben eine kluge und gute Entschei dung getroffen.
Nun ist die Sache so entschieden. Ich denke, nun sollten wir nicht mehr um das Verfahren selbst „herumrechten“. Vielmehr geht es jetzt in die Sachauseinandersetzung. Jede Partei hat ihre guten Argumente, die jetzt vorgebracht werden müssen, damit die Leute motiviert werden, an dieser Abstimmung teil zunehmen. Es ist wichtig, dass wir bei der ersten Volksabstim mung eine hohe Beteiligung erreichen. Erst dann hat die Ab stimmung den Effekt, den wir von ihr erwarten, dass sie näm lich einen Schlusspunkt unter dieses hoch umstrittene Thema setzt. Dabei stehen wir alle in der Verantwortung.
Ich denke, der Blick in unsere europäischen Nachbarstaaten und die damit verbundene Feststellung, dass in allen Indust rienationen das Vertrauen in die politischen Institutionen ab nimmt, muss uns mit Sorge erfüllen. Das hat meines Erach tens damit zu tun, dass die Bürgerschaft viele komplizierte
Zusammenhänge oftmals nicht mehr durchschaut. Denken Sie einmal an die Frage der Stabilität des Euro, an die Schulden krise und an die Eurokrise. Das hat aber auch damit zu tun, dass sich die Bürgerschaft von uns wünscht, dass wir stärker an der Sache entlang argumentieren
und nicht immer gleich in vordergründige Polemik verfallen. Gerade bei einer Volksabstimmung, bei der das Volk selbst zum Gesetzgeber wird, ist das notwendiger als bei jedem an deren Problem, zumal die Bürgerschaft das zum ersten Mal macht.
Deswegen möchte ich den eindringlichen Appell an Sie rich ten, jetzt in die Sachauseinandersetzung zu gehen, die in der Sache hart sein darf und soll. In der Sachauseinandersetzung können Sie all das vortragen, was Sie vortragen möchten, wa rum Sie glauben, dass man gegen das Kündigungsgesetz stim men soll.
In der Sache sind Ihnen keine Grenzen gesetzt. Sie können al les vortragen, um die Leute von Ihrer Meinung zu überzeu gen. Das ist der richtige Weg. Aber noch immer am Verfahren selbst herumzukritteln, das ist nicht zielführend
Wir als Berufspolitiker haben nun die Aufgabe, die Leute da zu zu motivieren und ihnen die notwendigen Informationen – je nachdem, in welchem Lager wir stehen – zu vermitteln.