Sie hatten diese Debatte 2013 schon einmal hier im Landtag beantragt. Wir haben im Sozialausschuss über diese Themen diskutiert. Es ist auch richtig, dies im Sozialausschuss zu tun. Inzwischen verlagern jedoch einige Unternehmen bestimmte Tätigkeiten schon ins Ausland. Deswegen sage ich: Der SPD ist offensichtlich keine Arbeit lieber, als sich damit intensiv auseinanderzusetzen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Noch nie waren so vie le Leute beschäftigt wie jetzt! Was ist das denn für ein Quatsch? – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: 400 000 mehr als 2010!)
Diese Neuregelung ist ein Hemmschuh für die Unternehmen in Baden-Württemberg. Bei der guten Entwicklung, die wir verzeichnen, liebe Frau Sitzmann, sind wir nicht auf Rosen gebettet. Wir haben historisch niedrige Zinsen. Wir haben ei nen schwachen Euro, was dem Export hilft, und wir haben günstige Ölpreise, die die Unternehmen im Moment auch un terstützen. Aber das ist nicht in Stein gemeißelt; es bleibt nicht so. Wenn Sie die letzte Ausgabe des Informationsdienstes des
Instituts der deutschen Wirtschaft vom 11. Februar lesen, dann sehen Sie: Zwei Drittel der Unternehmen erwarten eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung in Zukunft, und sie führen das auf den Fachkräftemangel, auf hohe Arbeitskosten und auf starke Regulierungen zurück. Das sind Dinge, die Sie in den letzten Jahren permanent betrieben haben. Damit ha ben Sie die Schwierigkeiten für die Unternehmen zunehmend vergrößert.
Dazu gehört auch das Mindestlohngesetz in dieser Ausfüh rung. Aber Sie kümmern sich ja nicht um diese Themen. Wä ren Sie beispielsweise, wie ich, gestern bei einem Weinbau verband im Remstal gewesen, hätten die Ihnen etwas zu der unsäglichen Bürokratie erzählt,
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Un säglich! – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: So ist das, wenn man Ausnahmen macht!)
Das führt nämlich dazu – ich erwähne das, da Sie bei solchen Themen vielleicht gar nicht so sehr an der Basis sind –, dass man inzwischen selbst Schulklassen, die in die Weinberge ge hen, um dort ein Projekt zu machen, wegen 30 € anmelden muss. Das ist so unsinnig, dass eine Riesenfrustration auch in diesen Bereichen entsteht, und dafür trägt die SPD die Haupt verantwortung.
Sie leisten Existenzgründern und Start-up-Unternehmen ei nen Bärendienst. Diese müssen nämlich möglicherweise am Anfang mit einem Arbeitgeber zurechtkommen, und Sie fan gen dann an, in diesem Bereich die Axt anzusetzen, sodass Existenzgründungen zunehmend unmöglich werden. Auch da für trägt die SPD die Verantwortung,
wenn wir bei den Existenzgründungen in Baden-Württemberg nicht so gut vorankommen, wie es sinnvoll wäre.
Sie legen an die Erfolgsfaktoren der deutschen Wirtschaft und auch hier in Baden-Württemberg Hand an.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD: Quatsch! – Abg. Claus Schmiedel SPD zur CDU: Warum klatscht ihr da? Ihr macht doch mit! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Weil er recht hat!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Würt temberg hatte im Januar mit 4 % die niedrigste Arbeitslosen quote deutschlandweit. Das ist natürlich eine frohe Botschaft und unterstreicht die Stärke unseres Standorts. Aber es kann und darf nicht nur darum gehen, Menschen in Arbeit zu brin gen. Nein, wir müssen auch dafür sorgen, dass es sich in un serem Land immer besser arbeiten lässt. Es geht um gute Ar beit für Unternehmen und für die Beschäftigten.
Das ist der große Vorteil unseres Standorts. Das ist übrigens auch die Grundlage unseres Erfolgs. Wir haben auf diesem Weg in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Wir ha ben heute in Baden-Württemberg dank des Tariftreuegeset zes, dank des Bildungszeitgesetzes und vor allem auch dank des gesetzlichen Mindestlohns, den die Bundesregierung end lich eingeführt hat, bessere Arbeitsbedingungen als jemals zu vor.
Ich will einmal eines festhalten: Alle Befürchtungen und Hor rorszenarien haben sich eben nicht bewahrheitet. Der Min destlohn hat keinen einzigen Arbeitsplatz zerstört. Er hat zu regulärer Beschäftigung beigetragen.
3,7 Millionen Menschen haben in Deutschland mehr Lohn. 700 000 Menschen mehr haben einen sozialversicherungs pflichtigen Arbeitsplatz.
Wer da ernsthaft die Aufweichung des Mindestlohns fordert, der hat noch überhaupt nichts verstanden.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE zur Opposition: Da müsstet ihr eigentlich applaudieren!)
Es geht im Kern darum, dass wir weitergehen auf dem Weg hin zu noch besserer Beschäftigung, zu guter Arbeit in Deutschland und Baden-Württemberg. Deshalb setzen wir uns auch aktuell im Bundesrat dafür ein, dass wir bei Leiharbeit und Werkverträgen endlich vorankommen. Dabei geht es na türlich um gute Arbeit der Beschäftigten in unserem Land. Es geht aber auch darum, Wettbewerbsverzerrungen zu vermei den und diejenigen Unternehmen zu stärken, die unter dem Missbrauch durch Dumpingkonkurrenz leiden.
Um es ganz klar zu sagen: Wenn es darum geht, Spitzen ab zufedern, wenn es darum geht, Engpässe zu vermeiden, dann macht Leiharbeit Sinn. Aber es darf eben nicht sein, dass man Leiharbeit beispielsweise nutzt, um das Streikrecht, das im Grundgesetz verankert ist, auszuhöhlen, wie es z. B. die Deut sche Post AG im letzten Jahr getan hat.
Deshalb ist es wichtig, auch eine gesetzliche Klarstellung bei der Leiharbeit in diesem Punkt zu schaffen. Das Streikrecht darf nicht durch Leiharbeiter gebrochen werden. Das ist ein hochrangiges Recht und steht zu Recht in unserer Verfassung.
Genauso wenig spreche ich dem Institut der Werkverträge ei ne Berechtigung ab. Natürlich gibt es Werkverträge. Sie sind im BGB geregelt. Für Freelancer in der Kreativwirtschaft z. B. ist das ein wichtiges Institut. Aber leider gibt es eben auch ge nügend kreative Beispiele dafür, wie ein sinnvolles Instrument zum Schaden von Beschäftigten und Mitbewerbern führt. Das ist eben kein Einzelfall, sondern in einzelnen Branchen ist es ein strukturbildendes Merkmal geworden. Ähnliches gilt für den Missbrauch von Leiharbeit.
Deshalb, glaube ich, ist es richtig, wenn wir uns bei dieser De batte auch einmal vor Augen halten, um was es da geht. Stel len Sie sich einmal vor, Sie arbeiten als Leiharbeitnehmerin oder Leiharbeiternehmer in der Produktion. Sie führen die gleiche Tätigkeit aus wie die Kollegin oder der Kollege ne benan aus der Stammbelegschaft. Sie bekommen aber weni ger Lohn, weniger Urlaubstage, und das nur, weil Sie über ei ne Leiharbeitsfirma beschäftigt werden. Das ist kein theoreti sches Beispiel. Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer verdienen durchschnittlich 43 % weniger als Stammbeschäf tigte.
Um mit einer weiteren Mär gleich aufzuräumen: Sie haben nicht einmal eine große Chance auf dauerhafte Übernahme. Nach Untersuchungen des IAW spielen ehemalige Leiharbeit nehmer bei betrieblichen Neueinstellungen nur eine unterge ordnete Rolle. Deshalb ist es richtig, Leiharbeiter nicht als strukturierendes Element in den Belegschaften zu haben, son dern wirklich den ursprünglichen Zweck der Leiharbeit wie der einzuführen, nämlich Spitzen abzufedern.
Kommen wir zu den Werkverträgen. Denken Sie einmal an die Frauen und Männer, die Supermarktregale einräumen. Die se Menschen wollen wir vor missbräuchlichen Werkvertrags konstruktionen schützen. Früher waren Regaleinräumer beim Supermarkt selbst beschäftigt. Heute geschieht dies häufig über Subunternehmer im Rahmen von Werkverträgen. Die Stammbelegschaft wird verdrängt. Regaleinräumer, die über Subunternehmer beschäftigt werden, verdienen deutlich we niger.
Ich sage, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das kann niemand wollen. Deshalb ist es Zeit, jetzt gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen anzugehen, und zwar schnell.
Deswegen ist es auch richtig, im Bundesrat initiativ zu wer den. Denn, lieber Herr Schreiner, das, was Sie dargestellt ha ben, ist ja nicht die ganze Wahrheit. Nein, es gab im Koaliti onsvertrag der Bundesregierung eine Einigung über die Re gulierung von Leiharbeit und Werkverträgen. Das wird seit Monaten von der CDU und vor allem von der CSU auf Bun desebene blockiert.
Deshalb ist es richtig, wenn der Bundesrat und wenn gerade das starke Industrieland Baden-Württemberg, in dem auch z. B. die für Werkverträge und Leiharbeit besonders anfälli gen Branchen wie die Industrielogistik eine starke Rolle spie len, initiativ werden. Deshalb wollen wir die Leiharbeit wie der auf die Kernfunktion konzentrieren, dazu eine Höchstüber lassungsdauer von 18 Monaten einführen, aber auch eine Öff nung für tarifvertragliche Regelungen im Sinne der guten und bewährten Sozialpartnerschaft in das Gesetz aufnehmen. Denn damit können passgenaue und auch branchenspezifische Lö sungen durch die Sozialpartner erarbeitet werden.
Auch unsere Forderung nach Equal Pay ist ein vernünftiger Kompromiss zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinter essen. Auch da ist eine Tariföffnungsklausel vorgesehen, nach der man von dem Grundsatz der gleichen Bezahlung nach neun Monaten abweichen kann.
Außerdem sage ich noch einmal: Wir wollen auch ein Verbot des Einsatzes von Leiharbeitern als Streikbrecher, und wir wollen, dass Leiharbeiter bei der Ermittlung der mitbestim mungspflichtigen Schwellenwerte berücksichtigt werden. Schließlich ist ein Betriebsrat auch für die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter im Betrieb aktiv.
Bei den Werkverträgen wiederum bedarf es endlich einer Klar heit darüber, was ein selbstständig erbrachtes Werk ist und was eben nicht – zum Schutz der Beschäftigten, aber auch der Unternehmen, die nicht Gefahr laufen sollen, sich falsch zu verhalten. Deshalb wollen wir zur Orientierung für Beschäf tigte und Unternehmen, aber auch Aufsichtsbehörden klare Abgrenzungskriterien ins Gesetz aufnehmen.
Wir wollen nicht, dass Unternehmen, die sich an arbeitneh merrechtliche Standards halten, von Wettbewerbern überholt werden, die dies nicht tun. Deshalb ist es ein wichtiger Punkt, dass wir die sogenannte Vorratsverleiherlaubnis abschaffen.
Es ist auch ganz im Sinne der Prävention, wenn der Betriebs rat über den Drittpersonaleinsatz Kenntnis erlangt. Porsche fährt übrigens genau mit einem solchen Ansatz sehr erfolg reich.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein starker Stand ort bemisst sich eben nicht nur an Wachstum und Beschäfti gung. Er bemisst sich auch an den Arbeitsbedingungen, an der Frage: Schaffen wir gute Arbeit für möglichst viele Beschäf tigte? In den letzten fünf Jahren haben wir gemeinsam viel da für getan – im Land, aber auch durch Initiativen im Bund. Ge rade auch unsere Sozial- und Arbeitsministerin hat mehrfach mit Bundesratsinitiativen die Debatte in der Bundespolitik vo rangebracht.
In Baden-Württemberg waren die Arbeitsbedingungen noch nie so gut wie jetzt. Ich kann Ihnen versichern: Wir werden auch weiterhin dafür arbeiten, dass die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Land noch besser werden. Verlassen Sie sich darauf!