Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Matthi as Pröfrock CDU: Hat niemand gesagt! Besser zuhö ren!)

Ja, ich habe schon zugehört, am Anfang und am Ende. Sie haben lange gebraucht, um dann doch wohlwollend über die se Gesetzesinitiative zu reden. Wahrscheinlich mussten Sie erst die konservative Hälfte Ihrer Partei befrieden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Heiterkeit – Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf wird von allen, die an der Anhörung beteiligt waren, also von den kom munalen Landesverbänden genauso wie vom Fachverband der Standesbeamtinnen und Standesbeamten, begrüßt. Übrigens hat der Fachverband der Standesbeamtinnen und Standesbe amten bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass Personenstandsangelegenheiten nicht Aufgabe der Landkreis verwaltung, sondern des Standesamts sind.

(Beifall bei den Grünen)

Das führt zur Verwaltungsvereinfachung, da keine doppelten Meldewege mehr nötig sind. Die neue Regelung ist zudem bürgerfreundlicher, weil zukünftig auch die Personenstandsur kunde einer Lebenspartnerschaft vom Wohnsitzstandesamt ausgestellt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend ist positiv fest zustellen, dass Schluss ist mit einem weiteren Missstand, näm lich mit dem Missstand der ungleichen Gebühren der Beur kundung von Lebenspartnerschaften im Vergleich zu Ehe schließungen. Außerdem werden die Gebühren landesweit an geglichen.

Gleiche Rechte und Pflichten für homosexuelle Paare, das ist ein faires Prinzip. Dabei lassen wir nicht locker. Unser Ziel ist die volle Gleichberechtigung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Sakellariou.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Heute ist ein guter Tag, ein guter Tag für al le Menschen, die sich in Baden-Württemberg verpartnern bzw. verheiraten wollen, die sich gegenseitig ein Eheversprechen geben wollen; denn der Sonderweg von Baden-Württemberg war ein Sündenfall. Es ist gut so, dass davon heute Abstand genommen wird. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Matthias Pröfrock CDU: Ein bisschen arg mo ralisch!)

Um die Werte der klassischen Familie hochzuhalten, ist es nicht notwendig, andere Gruppen zu diskriminieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das will die klassische Familie auch gar nicht, und das woll te sie auch nie.

Ich mache das einmal am Beispiel des wunderschönen Rat hauses in Schwäbisch Hall deutlich. Gleichgeschlechtlichen Paaren war es nicht möglich, in diesem Rathaus zu heiraten, sondern sie mussten sich stattdessen im Landratsamt, in einer abgeschiedenen Nebenstraße, in einem Waschbetonbau ihr Eheversprechen geben.

(Zuruf von der CDU: Viele Eheleute haben auch so geheiratet!)

Das war eine Diskriminierung. Ich bin froh, dass dies jetzt ein Ende gefunden hat.

Ich will Ihnen von einer Situation berichten, die sich in einem Gespräch von mir als Vater von fünf Töchtern mit einem Va ter von fünf Söhnen ergeben hat. Wir waren auf einer kirchli chen Veranstaltung zum Thema Homosexualität. Wir haben uns über die Frage unterhalten, was wir als Eltern machen würden, wenn sich unsere Kinder als homosexuell outen wür den. Da hat mir der Vater gesagt, er würde seinem Kind emp fehlen, von nun an enthaltsam zu leben, weil es eine Krank heit habe.

Das ist meines Erachtens die falsche Haltung seinen Kindern gegenüber; denn jeder Mensch hat das Recht, glücklich zu sein und glücklich leben zu dürfen, und zwar unabhängig von der sexuellen Orientierung.

Der Sonderfall, gleichgeschlechtlichen Paaren eine Verpart nerung nur beim Landratsamt zu ermöglichen, hat derartigen Vorurteilen Tür und Tor geöffnet und diese verstärkt. Ich sa ge Ihnen, dass die klassische Familie das gar nicht nötig hat.

Deswegen ist heute ein guter Tag. Ich freue mich, dass die bis herige Vorschrift einstimmig rückabgewickelt wird.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Einstimmig sicher nicht!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Abg. Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme es gleich vorweg: Die FDP/DVPLandtagsfraktion begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grünen und der SPD)

Mit dieser Änderung kommen Sie einer Forderung unseres Wahlprogramms nach. In diesem haben wir das Ziel formu liert, vom Gebrauch der Länderöffnungsklausel Abstand zu nehmen. Es war nicht möglich, in der damaligen Regierung alle davon zu überzeugen. Sie können das sicherlich nachvoll ziehen, wenn Sie an manche Infrastrukturprojekte denken.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist aber nicht die gleiche Ebene!)

Kommunale Landesverbände und der Fachverband der Stan desbeamtinnen und Standesbeamten stimmen der Aufgaben übertragung zu.

Folgende Punkte sind aus unserer Sicht damit verbunden:

Erstens: Bürokratieabbau durch die Schaffung einheitlicher Zuständigkeiten bei den Städten und Gemeinden als untere Verwaltungsbehörden.

Zweitens: Abbau von geschlechtsspezifischen Ungleichbe handlungen.

Drittens: Standesämter bieten im Regelfall – das wurde schon mehrfach erwähnt – ein attraktiveres Ambiente für diesen auch für die Schließung von Lebenspartnerschaften gleichgeschlecht licher Paare besonderen und einzigartigen Tag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Jahr 2005 gab es 1 400 Verpartnerungen in Baden-Württemberg. Die Zahl dürfte sich sicherlich unabhän gig vom Ort des Vollzugs – ob Landratsamt oder Standesamt – entwickeln. Es besteht also keine Sorge, dass sich an der Entscheidung zur Verpartnerung etwas ändert; eher das Ge genteil ist der Fall. Insofern ist es nur konsequent, dass wir dieses Gesetz in Baden-Württemberg verabschieden.

Anerkennen wir das Bedürfnis nach Gründung einer Lebenspart nerschaft. Gewähren wir den gebührenden Rahmen bei der Schließung einer Lebenspartnerschaft.

Als familienpolitischer Sprecher der FDP/DVP-Landtagsfrak tion begrüße ich diese Maßnahme. Dieses Thema treibt uns allerdings weniger um. Vielmehr sehen wir eine gewaltige He rausforderung im demografischen Wandel. Zusätzlich ver stärkt wird dies durch die niedrigen Geburtenraten. Darauf müssen wir auch in Zukunft die politische Diskussion richten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/768 zur weiteren Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so beschlossen.

Punkt 4 der Tagesordnung ist erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft – Finanz entwicklung von Land und Kommunen – Drucksache 15/157

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Re dezeiten gelten.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzmarktkrise der Jah re 2008 und 2009, die sich in der Folge zu einer Krise der Re alwirtschaft ausgewachsen hat, ist letztlich auch zu einem Pro blem für die verschiedenen Ebenen der staatlichen Verwal tung geworden, was deren Steuereinnahmen anbelangt.

Die Nettosteuereinnahmen der Kommunen sind noch stärker eingebrochen als die des Landes. Allerdings steigen jetzt nach

Überwindung dieser Krise erfreulicherweise die Steuerein nahmen bei den Kommunen auch wieder stärker als beim Land.