bevor am kommenden Sonntag die Bevölkerung von BadenWürttemberg das Urteil über Stuttgart 21 spricht: Wird wei tergebaut, oder fällt das Ganze? Man möchte dazusagen: Es ist gut so, dass es die letzte Debatte ist. Man hat den Eindruck: Es sind die immer gleichen Argumente und Scheinargumen te, die vorgebracht werden.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber man erhält E-Mails ohne Ende. Darin wird geschrieben – Herr Kollege Hauk hat es schon angeführt –: „Stuttgart 21 frisst alle anderen Schie nenprojekte.“ Man setzt sich dann hin und schreibt zurück: „Aber schauen Sie es sich doch an: In diesem Jahr investiert die Bahn 850 Millionen € – neben Stuttgart 21. Im nächsten Jahr investiert sie über 1 Milliarde € – neben Stuttgart 21, al les in Baden-Württemberg. Jetzt kommt der Rastatter Tunnel noch dazu.“ Dann schickt man die Antwortmail ab. Kaum ist sie weg, gehen zehn andere Mails mit demselben Text ein. Da hat wieder jemand den Kreisel gedrückt.
Ich fühle mich wie vor zehn Jahren. Damals waren meine Zwillinge zwei Jahre alt und haben auch Kreisel bekommen. Als Erwachsener schaut man eine Weile zu, hat Spaß dabei.
Aber dann denkt man: Jetzt reicht es allmählich. Aber die Kin der drücken immer wieder ihre Kreisel.
Ein anderer Kreisel ist: „Wenn man Stuttgart 21 nicht baut, kann man trotzdem die Neubaustrecke bauen. Das geht alles munter voran.“
Dann schreibt man zurück: „Werfen Sie doch einen Blick in den Finanzierungsvertrag und die gemeinsame Erklärung al ler Projektpartner, die dem Finanzierungsvertrag zugrunde liegt. Da steht alles drin, auch dass das eine zum anderen ge hört.“ Dann schickt man das ab, und dann geht der Kreisel wieder los. Manche vergessen sogar, einen Absender hinein zuschreiben. Sie schicken dann sozusagen anonyme Kreisel botschaften.
(Der Redner schlägt eine Zeitung auf. – Zurufe, u. a. Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Die „Bild“-Zeitung, super!)
Das ist der Verkehrsminister, der da abgebildet ist; das bin nicht ich. Es ist übrigens keine Schande, wenn man in der Zei tung steht, möchte ich einmal sagen.
„Warum wollen Sie aussteigen, Herr Minister?“, steht da ganz groß. Jetzt kommt ein Kreisel; man guckt nach.
Bei insgesamt 60 km Tunnel unter der Landeshauptstadt besteht die Gefahr, dass Gebäude absinken können.
(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Winfried Mack CDU: Meine Herren! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: 60 km Tunnel stimmt schon gar nicht! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Man kann es zumindest nicht völlig ausschließen! – Abg. Thomas Blenke CDU: Einen Tunnel unter dem Verkehrsministerium durch! – Un ruhe)
Es jagt einem gleichsam einen eiskalten Schauer über den Rü cken, ob man in der Landeshauptstadt noch ruhig schlafen kann. Denn es gibt ja schon kilometerlange S-Bahn-Tunnel,
Stadtbahntunnel, Straßentunnel, alle unter der Stadt. Man weiß nicht, ob man da noch ruhig schlafen kann oder ob die Stadt irgendwann im Boden versinkt.
Aber dann kommt wieder eine E-Mail – diesmal kein Kreisel, sehr beruhigend –: „82 % der Ingenieure sind für Stuttgart 21“, eine amtliche Mitteilung der Ingenieurkammer. Die haben al so offensichtlich Zutrauen zu den technischen Möglichkeiten und meinen, dass man sich da nicht fürchten muss.
Es gibt auch neue Meldungen. Am Montag waren in diesem Saal hier Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte aus dem ganzen Land sowie Vertreter des Städtetags, des Land kreistags und des Gemeindetags, die die Kommunen im gan zen Land vertreten. Ich finde es schon beachtlich, wenn die jenigen, die von der Bürgerschaft direkt gewählt sind – Bür germeister, Oberbürgermeister aus dem ganzen Land –, uni sono, einstimmig auch in ihren Gremien, erklären, dass Stutt gart 21 der Bürgerschaft des ganzen Landes dient. Das ist doch ein Gesichtspunkt, den man nicht zu gering schätzen sollte.
Noch einen Gesichtspunkt von anderen Gewählten möchte ich einbringen. Auch da geht es um eine E-Mail, die man be kommt.
Das geht richtig rund, hin und her. Das ist eine E-Mail von ge wählten Vertretern der Arbeitnehmerschaft, von Betriebsrä ten, Gesamtbetriebsräten, beispielsweise von Erich Klemm von Daimler, von Vertretern von HeidelbergCement,
von Heinrich Kmett, Betriebsratsvorsitzender von Kolben schmidt, vom Betriebsratsvorsitzenden von Audi in Neckar sulm, vom Betriebsratsvorsitzenden der Südwestdeutschen Salzwerke AG, von Vertretern von Voith in Heidenheim und von vielen anderen Betriebsratsvorsitzenden.
Alle fordern dazu auf, sich an der Volksabstimmung zu betei ligen und mit Nein zum Ausstiegsgesetz zu stimmen, weil das auch für die Arbeitnehmerschaft in Baden-Württemberg wich tige Investitionen sind.
(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wo ist denn hier der Kreisel?)
die zeigen, wem dieses Projekt nützt. Wenn sich die Bürger schaft daran orientiert, dann, so meinen wir, wird der nächs te Sonntag ein guter Tag für Baden-Württemberg sein.