Wir haben in letzter Zeit, auch im Anhörungsverfahren, für die Kombination aus dem Gerechtigkeitssignal, das wir an die jungen Menschen, an die Studierenden und an die Familien senden, und der Zusage an die Hochschulen, dass wir sie nicht alleinlassen und dafür sorgen, auch in Zukunft gute Bedin gungen für die Lehre sicherzustellen, fast ausschließlich po sitive Reaktionen erhalten.
Mit dem geplanten Gesetz sollen die allgemeinen Studienge bühren aufgehoben und Mindereinnahmen, die durch die Ab schaffung der Studiengebühren entstehen, den Hochschulen – soweit es sich um staatliche Hochschulen handelt – in vol ler Höhe aus Landesmitteln erstattet werden. Das heißt, für jeden Studierenden erhalten die Hochschulen einen Betrag von 280 €. Dieser Betrag basiert auf der Summe, die man er hält, wenn man de facto vorgenommene Gebührenbefreiun gen aufgrund von Ausnahmetatbeständen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage errechnet sich dieser Pro-Kopf-Betrag. Al le Hochschulen erhalten für einen Studierenden in einem Ba chelor- oder konsekutiven Masterstudiengang also den glei chen Betrag. Unterschiede, die sich für einzelne Hochschulen aus den unterschiedlichen Befreiungstatbeständen ergeben, werden dadurch ausgeglichen.
Wir haben uns für ein solch transparentes Prinzip der Gleich behandlung entschieden, weil wir eben nicht denjenigen Hoch schulen einen Nachteil weiterreichen wollten, die in besonde rer Weise die Bildungsaufsteiger oder die Studierenden aus kinderreichen Familien aufgenommen haben. Dies ist ein transparentes und nachvollziehbares Prinzip. Ich weiß, dass es im Einzelnen für Hochschulen zu kleinen Verzerrungsef fekten kommt, gehe aber davon aus, dass für die einen, die et was weniger bekommen, andere mehr erhalten. Das Prinzip ist dennoch das richtige.
Die Qualitätssicherungsmittel sollen zweckgebunden für Stu dium und Lehre bestimmt und kapazitätsneutral sein. Sie füh ren also nicht automatisch zu einer Erhöhung der Zahl der Stu dierenden, sondern sie sollen dazu führen, die Qualität von Studium und Lehre zu sichern und weiterzuentwickeln.
Die Entscheidung über die Verwendung dieser Mittel soll im Einvernehmen zwischen Hochschulleitung und Studierenden erfolgen. Dadurch wird die Kultur des Miteinanders, des Di alogs, die Kultur, Verantwortung für das Ganze mit zu über nehmen, weiter gestärkt.
Wir wollen zudem sicherstellen, dass der Mitteleinsatz für die Hochschulen möglichst flexibel sein kann. Deswegen ist es wichtig, dass die Mittel von einem Haushaltsjahr ins nächste übertragbar sind. Wichtig ist, dass man in einem definierten Rahmen auch künftig unbefristete Stellen aus diesen Mitteln finanzieren kann.
Gebühren sollen aber auch zukünftig für weiterbildende Mas terstudiengänge erhoben werden, die berufspraktische Erfah rungen von in der Regel nicht unter einem Jahr voraussetzen und deren Inhalte die beruflichen Erfahrungen berücksichti gen und an diese anknüpfen. Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Hochschulen weiterhin Gebühren für bereits ein
gerichtete sogenannte nicht konsekutive Masterstudiengänge, die keine Berufserfahrung voraussetzen, erheben können.
Für Darlehen, die bis zur Abschaffung der allgemeinen Stu diengebühren in Anspruch genommen wurden, gelten die bis herigen rechtlichen Regelungen weiter. Der zur Sicherung der Darlehen eingerichtete Studienfonds wird aufgelöst und in ein Sondervermögen umgewandelt werden, das vom Wissenschafts ministerium verwaltet wird. Die nicht benötigten Mittel aus dem Studienfonds werden am Ende den Hochschulen zurück erstattet. Denn diese haben den Fonds ja aus ihren eigenen Globalmitteln gespeist.
Neben der Abschaffung und Kompensation der Studiengebüh ren enthält der Entwurf verschiedene weitere hochschulrecht liche Regelungen. Die wichtigste möchte ich hier kurz erwäh nen: Wir haben uns dafür entschieden, die Verpflichtung der Hochschulen aufzuheben, bei der Auswahl von Studienbewer berinnen und -bewerbern für zulassungsbeschränkte Studien gänge ab dem Wintersemester 2011/2012 das Ergebnis eines Studierfähigkeitstests oder Auswahlgesprächs berücksichti gen zu müssen. Wir glauben, dass diese Pflicht nicht in die Zeit passt und auch keine Erhöhung der Qualitätsmaßstäbe mit sich bringt, sondern eine bürokratische Last. Es bleibt den Hochschulen aber freigestellt, in den Bereichen, in denen sie ein solches Verfahren für sinnvoll und angemessen halten, dies durchzuführen.
Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, noch kurz ein Wort zum Thema „Kirchliche Hochschulen“ zu sagen. Ich weiß, dass auch Vertreterinnen und Vertreter der kirchlichen Hoch schulen anwesend sind, die mit der Sorge hierhergekommen sind, dass sie womöglich ungewollt Leidtragende einer Rege lung sein werden, die sie nicht betrifft. Denn wir können im Zusammenhang mit dem Studiengebührenabschaffungsgesetz zunächst einmal nur diejenigen Hochschulen berücksichtigen, die als staatliche Hochschulen von der Gebührenpflicht be troffen waren. Für die Auflösung der Pflicht werden sie jetzt eine Kompensation erhalten. Die nicht staatlichen Hochschu len hatten keine Pflicht, Studiengebühren zu erheben, und wer den deshalb im engeren Sinn von diesem Gesetz nicht betrof fen sein.
Wir müssen alle nicht staatlichen Hochschulen in dieser Hin sicht gleich behandeln. Wir können also nicht einem Teil der nicht staatlichen Hochschulen Kompensationsmittel zugute kommen lassen und zur Verfügung stellen, anderen hingegen nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat und müssen dafür sor gen, dass Gleichberechtigung und Rechtssicherheit herrschen.
Wir kennen aber die Nöte insbesondere der Studiengänge der kirchlichen Hochschulen in den Bereichen frühkindliche Bil dung und soziale Arbeit, und wir werden im Gespräch blei ben, um miteinander zu Lösungen zu kommen – die sich al lerdings jenseits dieser Kompensationsregelungen befinden müssen, weil wir an diesem Punkt nun einmal alle staatlichen Hochschulen gleich behandeln müssen und alle nicht staatli chen eben auch.
Deswegen bitte ich in dieser Hinsicht um Verständnis. Ich glaube, wir sind in gutem Kontakt, um zu tragfähigen Lösun gen zu kommen.
Lassen Sie mich, bevor ich zum Schluss komme, noch auf fol genden Punkt zu sprechen kommen: Im Anhörungsverfahren
haben manche die Befürchtung geäußert, dass wir durch die Abschaffung der Studiengebühren eine Verlängerung der Stu dienzeiten in einem relevanten Ausmaß erleben und Anreize für ein Dauerstudium setzen würden. Ich teile diese Sorge nicht. Ich glaube, dass durch den Bologna-Prozess und die stärker strukturierten Studiengänge ein sehr deutlicher Anreiz dafür gesetzt ist, ein Studium in einem vertretbaren Zeitraum abzuschließen. Aber wir haben im Kabinett verabredet, diese Entwicklung sehr genau zu beobachten. Sollte sich entgegen unserer Erwartung ein Problem einstellen, werden wir an die ser Stelle nachsteuern und, falls nötig, korrigieren.
Zum Schluss: Ich bin mir sicher, die Abschaffung der Studi engebühren ist ein wichtiges Signal an junge Menschen, ein Studium aufzunehmen. Es ist ein Signal an alle, die den Wil len und die Begabung haben, zu studieren, sich dies zuzutrau en und ohne finanzielle Einschränkungen und Hürden ein Stu dium aufzunehmen. Der Gesetzentwurf ist zudem ein Signal an unsere Hochschulen, dass wir sie nicht alleinlassen bei der Bewältigung der Studierendenströme – auch im Umgang mit den starken Jahrgängen, die jetzt an die Hochschulen gekom men sind. Dieses Signal beinhaltet die Botschaft: Wir wollen, dass nicht nur unsere Hochschulforschung exzellent ist, son dern dass auch die Studienbedingungen und die Bedingungen für gute Lehre exzellent sind.
In diesem Sinn ist heute, glaube ich, ein guter Tag. Wir setzen ein wichtiges Signal, damit wir alle miteinander uns darauf vorbereiten, die Herausforderungen der Zukunft zusammen mit unseren jungen Menschen gut bestehen zu können. Wir brauchen alle fähigen Köpfe. Kein Talent soll uns mehr ver loren gehen.
Meine Damen und Herren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minu ten je Fraktion festgelegt.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, das Studienge bührenabschaffungsgesetz, das Sie heute in das Parlament ein bringen, mögen Sie als wichtiges Signal sehen. Aus der Sicht der CDU-Landtagsfraktion ist es vor allem ein falsches Sig nal, welches sich in der Zukunft rächen wird. Ich werde Ih nen dies in meiner Rede nachweisen.
Die frühere Landesregierung und die sie tragenden Fraktio nen haben im Jahr 2007 Studiengebühren eingeführt. Was war unser Ziel? Unser Ziel war vor allem, eine strukturelle Stär kung der Lehre an den Hochschulen herbeizuführen, mit den Studiengebühren einen ordnungspolitisch richtigen Weg zu gehen und vor allem einen sozial ausgewogenen Weg zu be schreiten. Das haben wir erreicht. Immerhin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, ermöglichen 140 Millionen € pro Jahr für die Stärkung der Lehre eine deutliche Ausweitung der Kursangebote, mehr Tutorien, kleinere Gruppengrößen, eine deutliche Stärkung von Lehrveranstaltungen, zusätzlich ge schaffene Dozentenstellen. Über die Hälfte der Studiengebüh
ren wurde für zusätzliches Lehrpersonal aufgewendet. Die Studiengebühren ermöglichten aber auch eine bessere techni sche Ausstattung: EDV, neue Medien, verbesserte Hörsaal- und Präsentationstechnik, verbesserte Serviceleistungen an unseren Hochschulstandorten, beispielsweise verlängerte Bi bliotheksöffnungszeiten, zusätzliche Lehrmittel, etwa in Form von Büchern und Zeitschriften.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass diese Mittel gut angelegt waren und angelegt sind, zeigt auch die 19. Sozial erhebung des Deutschen Studentenwerks. Die Autoren kom men ganz klar zu der Auffassung, dass es keine Gebühren flucht gibt, sondern dass es gerade aus den Bundesländern, die keine Studiengebühren erheben, einen deutlichen Zuzug an Studierenden in Länder mit Studiengebühren wie Baden-Würt temberg gibt.
Das heißt, wir haben heute mehr Studierende, als wir vor der Einführung der Studiengebühren hatten; wir verzeichnen al lein in diesem Jahr, zum Wintersemester 2011/2012, einen Zu wachs der Erstsemester um 20 %. Das ist ein ganz klarer Be leg dafür, dass wir einen starken Studienstandort Baden-Würt temberg haben und dass wir trotz Studiengebühren weiterhin über die Attraktivität verfügen, um Studierenden in BadenWürttemberg eine gute Ausbildung zu ermöglichen.
Frau Ministerin, auch ordnungspolitisch passen die Studien gebühren in unsere Zeit. Wieso? Es ist doch überhaupt nicht einzusehen, dass in erster Linie Nichtakademiker das Studi um für Akademiker, die weitaus bessere Arbeitsplatzchancen haben, bessere Verdienstmöglichkeiten haben, finanzieren. Wo bleibt denn die Gerechtigkeit, wenn es um die duale Ausbil dung geht, etwa um die Meisterausbildung, bei der der Betrof fene im Vergleich zum Akademiker eine deutlich stärkere Ei genleistung zu tragen hat?
Deshalb, meine Damen und Herren, machen wir uns doch auch in diesem Punkt nichts vor: Ein Studienplatz in BadenWürttemberg verursacht über das gesamte Studium hinweg noch immer Kosten in der Größenordnung von 10 000 bis 35 000 €, je nachdem, ob es geisteswissenschaftliche oder na turwissenschaftliche Studiengänge sind. Da kann es auch nicht zu viel sein, wenn man von einem Studierenden, der acht oder zehn Semester studiert, Gebühren in der Größenordnung zwi schen 4 000 und 5 000 € verlangt. Das muss einem eine Aus bildung wert sein.
Die Studiengebühren sind auch sozial gerecht ausgestaltet. Es gibt kaum ein anderes Bundesland, das so viele Befreiungs tatbestände hat: Mutterschutz, Kindererziehung, Behinderung, längere Krankheit.
Studierende aus Familien mit mehr als zwei Kindern zahlen nicht, wenn zwei der Geschwister keine Gebührenbefreiung
in Anspruch genommen haben. Damit wir uns recht verste hen: Es ist für Studierende noch immer viel Geld, aber wir ha ben dafür mit den Studienkrediten ein sozial verträgliches Stu diengebührenfinanzierungsmodell eingeführt.
Wir können feststellen, meine Damen und Herren, dass die Studiengebühr in Baden-Württemberg kein sozialer Numerus clausus ist. Alles andere ist eine unzutreffende Unterstellung. Das möchte ich auch gegenüber Grün-Rot klar zurückweisen.
Im Übrigen zahlt jeder – auch derjenige, der BAföG bekommt – nach seinem Studium maximal einen Betrag von 15 000 € zurück, und dies frühestens zwei Jahre nach dem Berufsein stieg und erst ab einem bestimmten Einkommen.
Meine Damen und Herren, ich denke schon, dass gerade Aka demiker – die im Arbeitsmarkt in der Zukunft noch stärker ge sucht werden – diesen Betrag in gestuften Formen und mit moderaten Rückzahlungsraten wirklich tragen können. Dazu haben wir uns auch immer bekannt. Ich hatte auch nicht den Eindruck, Frau Ministerin, dass dies in den letzten Jahren bei unseren Studierenden das Hauptproblem, das Problem Num mer 1 war. Vielmehr haben sie diese Studiengebühren akzep tiert. Sie haben sie deshalb mitgetragen,
(Abg. Martin Rivoir SPD: Mittragen müssen! – Abg. Rita Haller-Haid SPD: Es blieb ihnen nichts anderes übrig!)
weil sie einen Vorteil davon hatten, nämlich eine bessere Leh re, und weil sie natürlich auch maßgeblich über den Einsatz der Einnahmen aus den Studiengebühren mitbestimmen konn ten.
Frau Ministerin, jetzt wollen Sie Qualitätssicherungsmittel einführen. Sie sagen, das, was bisher aus Studiengebühren ge flossen ist, soll künftig aus dem Haushalt kommen. Es ist nicht mehr als recht und billig, dass zumindest diese Mittel den Hochschulen in der Zukunft für diese Zwecke zur Verfügung stehen.