(Beifall bei den Grünen und der SPD – Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Setzen Sie erst einmal den Bürgerwil len um! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wir sind direkt gewählt!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Standpunkt der FDP/DVP ist klar und konkret und ist an sich auch ganz schnell auf den Punkt gebracht: Wir sind dafür, das Entscheidungsquorum von einem Drittel auf ein Fünftel abzusenken, also von 33 % auf 20 %. Wir sind weiter dafür, das Eingangsquorum von einem Sechstel auf ein Zehntel zu senken, also von 16,66 % auf 10 %. Das ist unser Standpunkt. Wir würden nicht weniger tun – denn ich glaube schon, dass man etwas tun sollte –, aber wir würden auch nicht mehr tun. Dazu komme ich gleich noch.
Tatsache ist, dass wir im vergangenen Jahr versucht haben – Herr Stoch, Sie haben es zitiert; man sollte noch kurz darauf zu sprechen kommen –, diese Position Wirklichkeit werden zu lassen. Wir sind damals gemeinsam mit unserem Koali tionspartner zu dem Vorschlag gekommen, das Quorum auf 25 % abzusenken. Das war ein ordentliches Angebot. Da kam,
um auf Ihre Wortwahl zurückzukommen, lieber Herr Sckerl, der Weihnachtsmann schon einmal bei Ihnen vorbei.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Die ter Hillebrand CDU: Genau! – Zuruf: Der Osterhase! – Unruhe bei den Grünen)
Sie haben gesagt: Der Weihnachtsmann ist nicht 1,90 m groß, er ist nur – und das passt uns nicht – 1,70 m groß.
Damit muss man sich, glaube ich, an dieser Stelle einmal aus einandersetzen. Lieber Herr Stoch, Sie sind sehr allgemein ge blieben, wohl aus irgendwelchen verhandlungstaktischen Gründen; das ist auch klar. Ich darf das etwas konkreter fas sen. Wir wissen genau, was wir wollen, wir wissen genau, was wir angeboten haben, und wir wissen auch, was wir nicht wol len. Sie wollten uns damals sozusagen über das Stöckle sprin gen lassen und haben gesagt: Wir wollen überhaupt kein Quo rum.
Nein, um das Eingangsquorum ging es da weniger, sondern um das Entscheidungsquorum. Gut, Sie können jetzt natürlich versuchen, das zu relativieren, aber im Großen und Ganzen wird hier jeder zustimmen, dass es genau so war, wie ich es beschrieben habe.
Nun würden wir und ich der Abschaffung des Quorums nicht gern zustimmen. Meine Damen und Herren, ich wäre wenig begeistert, sozusagen von jeder Splittergruppe wegen jeder Flause an jedem Sonntag an die Urne genötigt zu werden, nur weil man diesen Gruppierungen keinerlei Mobilisierungs anstrengungen zumuten will. Das kann nicht richtig sein.
Ich wäre auch nicht besonders begeistert, alle naselang zu ei ner Abstimmung gerufen zu werden, die ich selbst bezahlen muss. Seit der Volksabstimmung wissen wir ja, wie teuer so etwas ist.
Schon von diesen ersten Überlegungen her verbietet sich ei gentlich der Gedanke, lieber Herr Sckerl, dass eine beliebig kleine Gruppe beliebig oft dieses Instrument Volksabstim mung in Gang setzen können soll.
Ich möchte eines sagen: Wir stehen grundsätzlich – dazu sollten wir auch stehen – zu den positiven Aspekten dieses Themas. Eine solche Volksabstimmung kann eine bestimmte Animationsfunktion haben. Ich möchte auch sagen: Die Ab stimmung am 27. November habe ich als Abstimmung nicht kritisiert, sondern ich habe immer gesagt: Es ist gut, dass man einmal eine Abstimmung hat. Es ist nur schade, dass über et was abgestimmt wurde, was es nicht gibt und voraussichtlich nicht geben wird, nämlich über Kündigungsgründe. Das war ein bisschen schade.
Aber ich konstatiere mit Ihnen erfreut: Diese Volksabstim mung hat zu einer Belebung der Demokratie geführt.
Diese Volksabstimmung war eigentlich eine für die Demokra tie positive Erfahrung. Das dürfen wir aber nicht zum Anlass nehmen, anschließend das Denken ganz abzuschalten.
Wir wollen Entscheidungen durch das Volk – das ist das Ziel –, wir wollen Entscheidungen, die vom Volk getragen werden. Bei einzelnen Projekten kann die Einbindung des Volkes si cherlich zu einer besseren Legitimation führen. Das ist völlig richtig. Auf der anderen Seite geht einem dann zwangsläufig der Gedanke durch den Kopf – das wurde angesprochen –: Wir haben Parlamente, und diese werden, Gott sei Dank, noch immer mit Wahlbeteiligungen von deutlich über 60 % gewählt.
Meine Damen und Herren, es muss natürlich schon eine ge dachte Grenze geben, ab der Entscheidungen von Parlamen ten, die durch zwei Drittel der Wahlberechtigten gewählt wor den sind, eine höhere Legitimation haben als Entscheidungen einer Minderheit, die – ich male das jetzt ein bisschen aus – vielleicht mithilfe einer professionellen PR-Kampagne an irgendeinem Sonntag als Momentaufnahme in Relation zu den tatsächlich abgegebenen Stimmen eine momentane Mehrheit herstellen konnte. In diesem Fall kann doch die Legitimation nicht höher sein,
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
abgesehen davon – auch das muss man bedenken –, dass man damit natürlich eher eine kurzatmige Politik belohnt, eine Politik, die sich nicht mit den gesamten Ergebnissen dieser Politik periodisch zur Wahl stellen muss. Auch darin steckt natürlich eine Gefahr, die man im Auge haben muss.
Es gibt weitere Überlegungen, die man nicht ganz beiseite schieben kann. Nehmen wir Effizienzüberlegungen. In jedem Gemeinderat gibt es einen Technischen Ausschuss, der sich mit Dachgauben, mit Vorbauten und Ähnlichem beschäftigt, weil man sagt: Das muss nicht jedes Mal der gesamte Gemein derat machen. Schon deshalb muss klar sein, dass das aufwen
digste Mittel, der Volksentscheid, auch in Zukunft den wirkli chen Kernpunkten vorbehalten sein muss.
Wenn ich jetzt alle Argumente Revue passieren lasse, komme ich genau an den Anfang zurück, meine Damen und Herren. Ich würde tatsächlich – das gestehe ich Ihnen zu – den Schwung des Themas nutzen und würde sagen: Lassen Sie uns an den Quoren noch etwas machen, damit die Hürden nicht zu hoch sind, damit es einladender ist, damit es leichter geht. Aber lassen Sie uns auch nicht zu weit gehen, weil man sonst vielleicht etwas Unbedachtes macht, das im Ergebnis nicht zu mehr Legitimation führt.
Im Endeffekt komme ich genau bei dem wieder heraus, was ich am Anfang gesagt habe. Ich würde beim Entscheidungs quorum auf 20 % gehen und beim Eingangsquorum auf 10 %. Für diese Erkenntnis brauchten wir auch nicht unbedingt eine Kommission. Aber ich glaube, dass eine Kommission durch aus noch weitere Aspekte des Themas zutage fördern und be handeln könnte. Darum begrüßen auch wir diesen Vorschlag.
Herr Präsident, werte Kol leginnen, werte Kollegen! Am zurückliegenden Freitag wurde das offizielle Ergebnis der Volksabstimmung vom 27. Novem ber festgestellt; am kommenden Freitag wird es im „Staatsan zeiger“ bekannt gemacht. Genau in der Mitte zwischen die sen beiden Terminen führen wir heute die Aktuelle Debatte. Sie haben recht: Die Aufforderung, den Schwung dieser Volksabstimmung zu nutzen, damit wir über eine neue Ära demokratischer Beteiligung in unserem Land nachdenken, und uns hierzu auf den Weg zu machen, passt einfach zum heuti gen Tag.
Meine Damen und Herren, auch ich bin der Auffassung: Diese Volksabstimmung am 27. November war ein voller Erfolg, nicht nur wegen des Ergebnisses – das meine subjektive Mei nung bestätigt; keine Frage –, sondern auch, weil dieses Ergebnis von allen hier im Haus akzeptiert, wenn auch nicht von allen begrüßt wird. Das finde ich beachtlich. Diese Auf fassung habe ich auch im Vorfeld schon geäußert, und sie hat allemal noch Gültigkeit.
Meine Damen und Herren, ein toller Erfolg war die Volksab stimmung aber auch deshalb – da bin ich völlig anderer Mei nung als Sie, Herr Dr. Scheffold –, weil eine Abstimmungs beteiligung von nahezu 50 % für eine Beteiligungsform wie die Volksabstimmung eine gute Quote darstellt.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das gibt es sonst nirgends!)
50 % unserer Bürgerinnen und Bürger haben sich für dieses Thema interessiert. Ich denke, dies macht in beeindruckender Weise deutlich, dass sich Menschen in Baden-Württemberg
auch jenseits von Wahlen bei Sachthemen einbringen wollen, dass sie Wert darauf legen, dass ihre Meinung zur Kenntnis genommen wird. Das erwarten sie in Zukunft auch von uns.
Die von der SPD vorgeschlagene und von der Regierungs koalition auf den Weg gebrachte Volksabstimmung war des halb sinnvoll und notwendig, um eine Situation, die für die Landesregierung zugegebenermaßen schwierig war, die aber auch für die Gesellschaft insgesamt und für die Träger dieser Maßnahme schwierig war, zu befrieden.
Ein kleiner Nachklapp von mir: Ich finde, dass die häufig kri tischen Bemerkungen im Vorfeld der Volksabstimmung sowie die in der einen oder anderen Weise geradezu hämischen Be merkungen, die diesbezüglich gemacht wurden, heute ei gentlich noch peinlicher sind, als sie damals schon waren.