Was die Personalsituation im Ministerium betrifft, empfehle ich Ihnen wirklich einmal eine Unterhaltung mit meiner Amts vorgängerin. Schauen wir uns einmal an, welche Entwicklun gen es in den letzten Jahren im Haus gab. Es gab Stellenein sparprogramme, von denen das Haus komplett betroffen war. Es gab bei mir und auch bei meiner geschätzten Vorgängerin keine Schonbereiche im Ministerium. Vielmehr haben diese Programme das Haus mit voller Wucht getroffen. Wir sind heute, was die Personalsituation betrifft, an der Grenze ange langt.
Gleichzeitig muss man sehen, dass auf das Umweltministeri um in den letzten Jahren ständig neue Aufgaben zukamen, ins besondere von der europäischen Ebene,
und jetzt die Umsetzung der IED-Richtlinie. Das sind nur zwei Beispiele. Hinzu kommen die ganzen Hochwasserschutzmaß nahmen. Dann kommen Sie mit einem Antrag zum Haushalt, mit dem Sie die Stellen, die man im letzten Nachtragshaus halt im Umweltministerium geschaffen hat, wieder streichen wollen.
Wie passt das denn zusammen? Auf der einen Seite stellen Sie sich hier hin und sagen, wir sollten mehr im Bereich der Um weltpolitik machen, mehr im Bereich der Energiewende ma chen, aber auf der anderen Seite wollen Sie das nötige Perso nal, das ich dazu brauche, streichen. Das – es tut mir leid – ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.
Kommen wir zu dem Themenkomplex Energiewende/Klima politik: Wir haben zwei große Herausforderungen. Eine Her ausforderung lautet: Wie können wir den im vergangenen Jahr gemeinsam beschlossenen Atomausstieg meistern? Dieser hat zur Folge, dass bis zum Ende des Jahres 2022 Kernkraftwer ke mit einer Leistung von zusammen 20 000 MW in Deutsch land abgeschaltet werden. Dies betrifft natürlich ganz beson ders die süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württem berg sowie Hessen. Dort sind etwa zwei Drittel der Kernkraft kapazitäten in Deutschland installiert gewesen. In BadenWürttemberg lag bis zum Frühjahr vergangenen Jahres der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung bei 50 %. Bis zum Jahr 2022 fahren wir diesen Anteil auf null herunter.
Noch einmal: Das haben wir gemeinsam beschlossen. Das war der Vorschlag der Bundesregierung. Ich fand diesen Vorschlag gut, und wir haben ihn unterstützt.
Die zweite große Herausforderung bezieht sich auf die Kli mapolitik. Alle im politischen Geschäft sind sich bislang ei nig, dass wir das Ziel haben sollten, bis zum Jahr 2050 die CO2-Emissionen um 80 %, besser 90 % zu reduzieren, wenn wir das sogenannte Zwei-Grad-Ziel erreichen wollen.
Das heißt, wir brauchen eine völlig andere Form der Energie versorgung, wir brauchen eine völlig andere Form der Wär mebereitstellung und eine völlig andere Form der Mobilität – um nur einmal die wesentlichen Punkte zu nennen.
Wir stellen uns diesen Herausforderungen bei einer ganzen Reihe von Punkten. Erstens werden wir, wie gesagt, die er neuerbaren Energien in Baden-Württemberg in den kommen den Jahren massiv ausbauen. Zweitens werden wir die The men Energieeffizienz und Energieeinsparung voranbringen, auch im Rahmen dieses Haushalts; ich werde Ihnen nachher noch konkret sagen, wie das geht. Drittens werden wir den Ausbau der Netzinfrastruktur und der Speicherkapazitäten auch mit neuen Forschungsprogrammen vorantreiben. Im Be reich der Speichertechnologien geht es aus meiner Sicht um eine Weiterentwicklung. Herr Kollege Glück, das Thema „Po wer to Gas“ ist wichtig. Unter Kostengesichtspunkten können wir dies aber noch nicht einsetzen.
Ich renne übrigens auch nicht sonntags in der Gegend herum und teile mit, wie wichtig Energieeffizienz sei, und bringe montags eine Geschichte zum Tragen, die einen Wirkungs grad von 35 % hat.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie wir beim Ausbau der er neuerbaren Energien in Deutschland und in Baden-Württem berg in dem Umfang, in dem wir dies tun, zu neuen konven tionellen Kapazitäten kommen, die wir als Back-up-Kapazi täten brauchen. Wenn aufgrund des Ausbaus der erneuerba ren Energien die Jahresstundenzahlen der konventionellen Ka pazitäten immer weiter sinken, sodass die Anlagen unwirt schaftlich werden, brauchen wir neue Gaskraftwerke. Bun deswirtschaftsminister Rösler will sogar neue Kohlekraftwer ke. Es nützt aber nichts, wenn Sie nur neue Gaskraftwerke for dern. Sie müssen vielmehr sagen, wie diese in den Markt kom men. Unter den gegebenen Marktbedingungen – das hat der Präsident der IHK Stuttgart offensichtlich noch nicht so recht verstanden – kommen sie nicht in den Markt. Vielmehr müs sen Sie Instrumentarien finden, um diese neuen Kapazitäten in den Markt zu bringen.
Ich habe dazu einen Vorschlag gemacht. Der Vorschlag lau tet: Kapazitätsmarkt. Das ist nachzulesen. Ich sage nicht, dass das die allein selig machende Lösung ist. Wenn man mir ei nen anderen Vorschlag unterbreitet – ich kenne aber bisher keinen –, setze ich mich gern damit auseinander.
Bislang ist es so – ich habe bei dieser Einschätzung die Un terstützung des Präsidenten der Bundesnetzagentur, der das genauso sieht –, dass man Anreize braucht, um neue Kapazi täten hineinzubringen, vielleicht aber auch, um bereits vor handene Kapazitäten im Markt zu halten. Es kann sogar sein, dass Kraftwerke, die heute im Bestand sind, über das Jahr ge rechnet nicht lange genug laufen und wir, wenn sie moderni siert werden müssen, vor der Entscheidung stehen, diese ge gebenenfalls abzuschalten, weil sie sich nicht rechnen. Dann müssen Sie einem Energieversorgungsunternehmen sagen, wie es diese Kapazitäten im Spiel halten kann. Auch deshalb ist es die Idee des Kapazitätsmarkts wert, dass man sich mit ihr auseinandersetzt.
Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang – das möchte ich betonen – ist für uns: Wir reden nicht nur über die Frage der Energiewende und der Klimaherausforderung. Gleichwer tig sind für uns die Frage der Versorgungssicherheit und die Frage der Wirtschaftlichkeit. Dies gilt umso mehr an einem Industriestandort wie Baden-Württemberg. Hierzu hatten wir im Dezember 2011 Gespräche mit der baden-württembergi schen Industrie und mit der IHK geführt. Lesen Sie einmal nach, was der Präsident der IHK Baden-Württemberg, Herr Dr. Kulitz, oder Herr Dr. Koch vom LVI gesagt haben. Ich stelle fest, dass wir sowohl, was die Versorgungssicherheit, als auch, was die Wirtschaftlichkeit betrifft, Unterstützung für unseren Kurs haben.
Was heißt Versorgungssicherheit? Wir haben drei wesentliche Säulen der Versorgungssicherheit. Im vergangenen Sommer habe ich gemeinsam mit dem Präsidenten der Bundesnetz agentur, Herrn Kurth, dafür gesorgt, dass wir für die beiden kommenden Winter mit drei Kohlekraftwerken, die bisher in der Kaltreserve waren – die wir herausgenommen haben, um sie für Eventualfälle zur Verfügung zu stellen –, plus 1 000 MW aus Österreich, die die Bundesnetzagentur vertraglich gesi chert hat, eine Lösung haben.
Seit gestern ist eines dieser Kohlekraftwerke am Netz, näm lich GKM 3; dies steht auch im Zusammenhang mit dem He runterfahren des Gaskraftwerks in Karlsruhe.
In diesem Zusammenhang möchte ich gern einmal auf etwas eingehen, was Sie, Herr Dr. Rülke, gestern hier in Ihrer Rep lik auf den Ministerpräsidenten gesagt haben. Sie waren ges tern der Meinung – ich zitiere es jetzt nicht; aber Sie haben das gestern sinngemäß so ausgeführt –: Wahrscheinlich schafft die Landesregierung die Energiewende nur dann, wenn sie auf Atomstrom aus Frankreich und von anderswo zurückgreift und diesen importiert. Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, wie die Situation derzeit aussieht.
Wir haben derzeit alle Kraftwerke am Netz. Wir sichern hier die Versorgung. Aber wir unterstützen derzeit Frankreich, da mit sie dort warme Zimmer haben und damit dort die Lichter brennen.
Die 56 Kernkraftwerke in Frankreich reichen zur Deckung dieses Bedarfs bei Weitem nicht aus. Wir exportierten in den letzten Tagen mehrere Tausend Megawattstunden Energie nach Frankreich.
Ja, klar. Ich lese es Ihnen vor: Am 6. Februar lieferte die ENSO – das sind die europäischen Netzbetreiber – nach Frankreich 2 800 MWh, in die Schweiz 39 000 MWh, nach Österreich 30 000 MWh und nach Polen 19 000 MWh.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Mit Atomstrom! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Windkraft ist das, Jimmy!)
Bekommen haben wir, Herr Kollege Zimmermann, aus Dä nemark und aus Schweden 25 000 MWh. Unter dem Strich haben wir am 6. Februar 62 000 MWh in die umliegenden Re gionen exportiert. Das sind die Realitäten.
Schauen Sie einmal auf die Entwicklung am heutigen Tag: Heute Morgen zwischen 10:00 und 12:00 Uhr – ich sage das, damit Sie auch einmal verstehen, wie das läuft –, wurde an der französischen Strombörse eine Kilowattstunde Strom für 1,94 € gehandelt, während an der EEX in Leipzig die Kilo wattstunde zur gleichen Zeit mit 16 Cent gehandelt wurde. Was machen unsere Unternehmen? Sie werfen alles an, was sie haben, und exportieren. Warum? Weil damit Geld zu ma chen ist.
Die Mechanismen in unserer Energiewirtschaft sind nun ein mal, dass man dann natürlich den Strom dorthin exportiert, wo man damit Geld machen kann.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schon richtig! Aber welche Stromart wird geliefert? Das muss man auch sagen!)
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von den Grünen: Bravo! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Minister, ein Wort zur Windkraft! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Jimmy, mit dem Wind, den du hier machst, könnten wir Geld verdie nen wie Sau! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt kommen wir zu der Frage, welche Stromart das ist!)
Mittelfristig gesehen werden wir die Versorgungssicherheit auch über die Hinzunahme der beiden neuen Blöcke GKM 9 und RDK 8 ab 2014/2015 gewährleisten.
Herr Kollege Dr. Rülke, ich habe es gerade ausgeführt. – „Langfristig“ – den Vorschlag habe ich auf den Tisch gelegt – heißt für mich, dass man über einen Kapazitätsmarkt nach denken muss, um hier neue Kapazitäten hineinzubringen.