Dann – viertens – zum Thema Gutachten. Aus meiner Sicht gibt es zwei wesentliche Komponenten, auf die es noch ein zugehen gilt. Zum einen müsste einem solchen Gutachten ei gentlich dringend eine naturschutzfachliche und eine forst fachliche Begutachtung der entsprechenden Suchgebiete vo rangestellt werden. Momentan stützt sich das Ministerium in seiner Stellungnahme auf über acht Jahre zurückliegende An fragen an Forsteinrichtungswerke, doch ich meine, allem vo rangestellt müsste zunächst einmal eine Untersuchung auf die ser Ebene stattfinden. Zum anderen fehlt – das halte ich für wesentlich eklatanter – ein stringentes Naturschutzkonzept für das Land Baden-Württemberg, in das wir ein Großschutzge biet einbinden können.
Vor diesem Hintergrund sei auch die Frage gestattet, wieso ein Gebiet wie der Nordschwarzwald mit seiner Flora und Fauna erst über einen 30-Jahres-Zeitraum – Entwicklungsna tionalpark ist das Stichwort – künstlich umgebaut werden muss, damit es schützenswert ist.
Ich bitte also darum, dass man hier etwas andere Entscheidun gen trifft, etwas mehr Verantwortung in der Sache zeigt und dass man die bisherige politische Gestaltung am grünen Tisch zurückfährt, mehr mit den Bürgern spricht, mehr in die Ver bände geht und den Menschen zuhört.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für diejenigen, die sich im schönen Nord schwarzwald bewegen, dort unterwegs sind, drängt sich das Thema Nationalpark sichtbar auf. Unübersehbar sind die Auf kleber mit dem durchgestrichenen Schriftzug „Nationalpark“. Man findet sie an Pkws, an Lkws und an Straßen. Dies ist sym ptomatisch für die zunehmende Polarisierung bei diesem The ma. Es wird kräftig Stimmung gemacht.
Seit der Behandlung des Themas hier im Plenum hat die SPDFraktion – ihr Arbeitskreis für den ländlichen Raum – auch vor Ort getagt und vor Ort im Suchgebiet das Gespräch mit den Menschen gesucht, sowohl mit denen, die vom Holz le ben, die also auch einen wirtschaftlichen Schaden durch den Nationalpark befürchten, als auch mit denen, die dem freien Lauf der Natur ein viel größeres Gebiet als bisher einräumen wollen. Ein offenes Ohr für beide Seiten zu haben, das zeich net die Arbeit der SPD an dieser Stelle aus,
denn im Dialog wird beispielsweise deutlich, dass die Säge werke gar nicht so scharf auf das Holz sind, das in einer Hö he von über 900 m geschlagen wird, weil einfach die Quali tät nicht stimmt. Das Holz aus dieser Höhe entspricht nicht den hohen Ansprüchen der verarbeitenden Betriebe. Wenn sich dann herausstellt, dass rund 90 % der Fläche des Natio nalparks in dieser Höhe liegen werden, dann schwinden die Befürchtungen derer, die um die Wertschöpfung aus dem Wald besorgt sind.
Erhellend ist ein zweiter Umstand. Wenn man dann deutlich macht, dass wir einen Entwicklungsnationalpark wollen, das heißt, dass wir rund 30 Jahre einplanen, um dahin zu kom men, wo wir mit dem Nationalpark sein wollen, zeigt sich, dass man sich in dieser Zeit auf die neuen Gegebenheiten ein stellen kann. In dieser Zeit bedarf es am Anfang einer Phase, in der sogar ein erhöhter Holzeinschlag nötig ist. Es gibt also in dieser Anfangszeit mehr Material für die Sägewerke, und es gibt in dieser Anfangszeit eben auch die Notwendigkeit, sich mit dem Argument Strukturprobleme auseinanderzuset zen. Dass nach dem Sturm Lothar Kapazitäten, ja Überkapa zitäten aufgebaut wurden, lässt sich nicht leugnen. Auch dass es bei den Sägewerken einen sehr harten Konkurrenzkampf
gibt, wissen wir. Deshalb wird von manchem der National park als der Tropfen empfunden, der das Fass zum Überlau fen bringt, auch wenn das für die Zukunft der Sägewerke gar nicht wirklich entscheidend ist. Man sollte dieses Thema al so an verschiedenen Stellen etwas niedriger hängen.
Niedriger hängen wollen wir nicht das Thema Borkenkäfer. Die entsprechenden Kontrollen, die damit verbunden sind, sind ein brisantes Thema. Damit sich der Borkenkäfer nicht ungehemmt im Wirtschaftswald ausbreitet, ist eine Manage mentzone vorgesehen,
eine Zone als Puffer zwischen der Kernzone, also dem Nati onalpark im eigentlichen Sinn, und dem Wirtschaftswald. Ge nau in dieser Pufferzone, der sogenannten Managementzone, findet eine besonders strenge Kontrolle statt. Hier werden all die Maßnahmen durchgeführt, die zur Schadensvermeidung im Wirtschaftswald nötig sind und die eine übergreifende Ver mehrung des Käfers verhindern.
Selbstverständlich wird dieses Thema in dem Gutachten zum Nationalpark gewissenhaft aufgegriffen. Der vorliegende ge meinsame Beschlussantrag unterstreicht die Bedeutung die ses Themas.
Eine wichtige Anregung betrifft das Thema Suchgebiet. Der Fokus liegt bisher allein auf dem Staatswald. Hier kann man ein Fragezeichen setzen, wenn man mit den Menschen spricht. Denn damit wäre nämlich das hervorragend geeignete Gebiet der Hornisgrinde aus dem Suchgebiet ausgenommen. Besit zergrenzen sind nicht automatisch Grenzen für biologisch sinnvolle Einheiten. Deshalb ist uns diesbezüglich an Flexi bilität gelegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD wird die Diskussion über das Thema Nationalpark weiterhin mit Um sicht und auch mit Sorgfalt, mit Weitblick und im Dialog mit den Menschen vor Ort weiterführen. Das unterstreichen wir mit dem gemeinsamen Beschlussantrag, der einen Konsens über die Grenzen der Fraktionen hinweg darstellt.
Große Chancen sehen wir im Nationalpark Nordschwarzwald für den Tourismus, für den Naturschutz und auch für Wissen schaft, Forschung und die Umweltbildung.
Fazit: Sehr wichtig ist für uns, dass wir dieses Thema konst ruktiv voranbringen wollen. Wir sind sehr gespannt auf das Ergebnis des Gutachtens unter sorgfältiger Abwägung aller Chancen und Risiken. Arbeiten wir konstruktiv und gemein sam an diesem Thema weiter.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Damit sich der Minister auch hier im Plenum wie zu Hause fühlt, habe ich einmal ein Exemplar des Aufklebers mit der durchgestrichenen Aufschrift „Nationalpark“ mitgebracht.
Sie sehen es jeden Tag, wenn Sie nach Hause gehen. Diese Art und Weise der Meinungsäußerung kennen wir auch von einer anderen Seite her.
(Abg. Alfred Winkler SPD: Wir möchten es auch se hen! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Schöne Far be: Grün-Rot! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Ist die FDP/DVP bei dieser Bewegung dabei?)
Herr Schmiedel, Sie haben schon beim letzten Mal immer wieder versucht, mich zu unterbrechen. Ich möchte Sie jetzt einfach einmal bitten, sich zu konzentrieren und zuzuhören. Vielleicht lernen Sie wirklich etwas beim Zuhören. Das wür de helfen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er hat kei ne Lernhaltung! Er lernt nichts!)
Meine Damen und Herren, am 12. Oktober des vergangenen Jahres haben wir auf Antrag der FDP/DVP-Fraktion
eine Aktuelle Debatte zu dem Thema „Nationalpark Nord schwarzwald – grünes Prestigeobjekt?“ geführt. Seither hat sich einiges geändert, und zwar vor allem der Protest vor Ort. Reden Sie mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Unter nehmerinnen und Unternehmern, mit dem Mittelstand und mit den Kommunalpolitikern. Dieser Protest hat massiv zugenom men. Deshalb ist es ganz gut, wenn wir heute wieder über die ses Thema sprechen. Danach sollten wir zunächst abwarten, bis das Gutachten vorliegt und wir über dessen Inhalt disku tieren können.
Der Nordschwarzwald erlebt sein Stuttgart 21. Je konkre ter die Pläne für den ersten Nationalpark im Land wer den, umso lauter wird der Protest.
Kollege Rösler, Sie sagen immer, wie einfach und praktika bel das alles werde. Ich bin der Auffassung, die kleinen Din ge, die nach einem Beschluss kommen, sind meist die, die be sonders wehtun.
(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Oder besonders schön sind! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber Stutt gart 21 kommt!)
Meine Damen und Herren, werte Kollegen, die Menschen wollen ihre Kulturlandschaft, die über Hunderte von Jahren gewachsen ist, erhalten. Sie befürchten, dass diese Kulturland schaft mit dem Nationalpark kaputtgeht.
Auch die Feriengäste, die Touristen, die Unternehmer, Gast ronomen und Handwerker schätzen das Biotop Kulturland schaft. Darum frage ich Sie: Wollen Sie das aufgeben?
Die Menschen wollen eine Kulturlandschaft und eine nach haltige Waldbewirtschaftung, meine Damen und Herren,
die übrigens auch mit Blick auf die Energiewende ganz gut wäre. Statt Totholz, Borkenkäfer und Vorschriften durch Park aufseher möchte ich den Touristen und den Menschen vor Ort das erhalten, was in Jahrhunderten geschaffen wurde.