Protokoll der Sitzung vom 15.02.2012

Zu Abschnitt II liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU, der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 15/1277, vor. Wer die sem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Hand zeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist es einstimmig so beschlossen. Dadurch ist auch Abschnitt II des Antrags der Fraktion der CDU, Drucksache 15/658, erle digt.

Damit ist Tagesordnungspunkt 4 beendet.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung – Kreislaufwirtschaft und Einführung der Wertstofftonne im Land – Drucksache 15/532

Die Fraktionen haben für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der antrag stellenden Fraktion eine Redezeit von fünf Minuten verein bart.

Für die Fraktion der SPD erteile ich Frau Abg. Rolland das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihnen sind sicherlich noch die Bilder der brennenden Müll berge in Neapel in Erinnerung. Das ist das Negativbeispiel da für, wie öffentliche Daseinsvorsorge nicht geregelt werden sollte.

Wie dies besser geschehen kann, zeigen wir deutlich in unse rem Land. Wir sind Weltmeisterinnen und Weltmeister im Sammeln, Trennen, Verwerten und Beseitigen von Abfall. Wir haben eine Tonne für Papier, meist eine für Biomüll, eine für Restmüll, haben Container für Glas, haben Recyclinghöfe, Grünschnittplätze und Sammelstellen für Schadstoffe.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Für Batte rien!)

Genau, Herr Bullinger: Batterien, Leuchtstoffröhren wer den zurückgenommen. Wir sammeln Textilien, Kork und Alu minium.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: CDs!)

Die neueste Art, sich Dingen zu entledigen, ist, sie einfach auf den Bürgersteig zu stellen und mit dem Hinweis „Zu ver schenken“ zu versehen. Wir sind also echt gut. Das nennt sich Kreislaufwirtschaft und ist super.

(Beifall der Abg. Rosa Grünstein SPD)

Was gut ist, kann aber noch besser werden. Hundertprozenti ge Verwertungsmöglichkeiten sind vorhanden. Eine mir gut bekannte Anlage des Zweckverbands Abfallverwertung Kah lenberg zeigt, wie mit moderner innovativer Technik erstaun lich hohe Verwertungsquoten möglich sind – und das, wie die letzten Jahre zeigen, bei stabilen Gebühren. Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, Kreislaufwirtschaft zahlt sich aus. Sie ist nicht teurer, und sie ist gut für den Geldbeutel der Ge bührenzahlerinnen und -zahler.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Fazit: Kommunale Müllbeseitigung und Müllentsorgung ist bürgernah, effizient und kostengünstig.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Nicht im mer!)

Wir haben hier in unserem Land nicht die Fehler anderer ge macht; wir haben nicht auf teure Verbrennungsanlagen ge setzt, die heute nicht ausgelastet sind.

Wir sind aber in einem Punkt nicht gut. Sie alle kennen die gelben Säcke, die auf dem Bürgersteig liegen und die oft ei nen roten Punkt tragen, weil nicht immer das darin ist, was dort hineingetan werden soll. Die stoffliche Verwertung im Kunststoffbereich hat noch viel Spielraum nach oben. Deswe gen ist der Vorschlag mit der Wertstofftonne durchaus richtig. Dadurch kann die Recyclingquote bei Weißblech, Aluminium und Kunststoff hervorragend verbessert werden. Das heißt: dann weniger Verbrennung und mehr Stoffkreislauf.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Der SPD-Fraktion ist natürlich klar, dass die Einführung der Wertstofftonne sehr eng begleitet werden muss. Es ist ein neu es System. Auch muss natürlich im Auge behalten werden, dass dabei die Gebühren stabil bleiben.

Aber, Kolleginnen und Kollegen, Ressourceneffizienz ist die Herausforderung der kommenden Jahre. Sie wissen auch: Wir haben nur eine Erde und keine zweite im Kofferraum.

Ich glaube, wir werden demnächst sogar zu einer Goldgräber stimmung kommen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Altdeponie Meiningen!)

Genau, Herr Bullinger. Das Beispiel Meiningen zeigt, was heute schon praktiziert wird: Unsere Rohstoffe sind vergra ben, und alte Deponien werden wahrscheinlich wieder aufge macht, um genau an diese teuren Rohstoffe wie seltene Erden oder Gold, die im Handy verarbeitet sind, zu kommen.

Ziel und Zweck unserer Anfrage war erstens, dass wir heute genau über das Thema Kreislaufwirtschaft mehr erfahren. Da für einen herzlichen Dank an das Ministerium und an Sie, Herr Untersteller. Die Anfrage wurde wirklich vollumfänglich be antwortet.

Der zweite Punkt aber war die Frage: Wie gehen wir denn mit dem neuen, auf Bundesebene zu verabschiedenden Kreislauf wirtschafts- und Abfallrecht um? Da zeigt sich deutlich: Es war richtig, dass wir hier auf Bundesebene agiert haben. Wir sind erleichtert, dass jetzt im Vermittlungsausschuss endlich das festgeschrieben wurde, was richtig ist: Müllbeseitigung gehört in die öffentliche Trägerschaft und in die Verantwor tung der Kommunen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP, es ist richtig – und wir sind froh darüber –, dass dem Prinzip, Ge winne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, eine Ab sage erteilt worden ist. Die Kommunen sind zuständig und verantwortlich.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, von Ihnen hät te ich mir gewünscht, dass Sie gar nicht erst auf diesen Zug aufspringen, sondern deutlich sagen: Rosinenpickerei zulas ten der Bürgerinnen und Bürger ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deswegen gilt für uns, die SPD: Die Daseinsvorsorge, die ele mentaren Dinge des Lebens müssen in der Kommune, bei den Bürgerinnen und Bürgern erledigt werden. Wir stehen an der Seite der Kommunen. Das Motto „Stadt und Land Hand in Hand“ hat eine neue Qualität bekommen. Wir stehen an der Seite der Städte und Gemeinden in unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut! – Abg. Wil li Stächele CDU: „Stadt und Land Hand in Hand“!)

Das Wort für die CDUFraktion erteile ich Herrn Abg. Reuther.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Die heutige Debatte zur Kreislaufwirtschaft und Einfüh rung der Wertstofftonne im Land findet vor einem aktuellen Hintergrund statt. Es wurde gerade angesprochen: Vor einer Woche ist es im Vermittlungsausschuss im zweiten Anlauf ge lungen, die große Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Ab fallrechts zu verabschieden. Der Grundsatz, mehr Wachstum mit weniger Ressourcen zu erreichen, ist ein ganz wesentli ches Leitmotiv des neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallge setzes.

Die Vorgängerregelung, die nun schon 16 Jahre alt ist, war die Grundlage hierfür. Die neue Regelung fußt auf drei Kernge danken, wovon zumindest einer neu ist, nämlich erstens der Abfallvermeidung, zweitens der Wiederverwertung und Wie derverwendung von Abfall und drittens dem Recycling.

Noch Anfang der Neunzigerjahre wurden nur 30 % der Sied lungsabfälle wiederverwertet und recycelt. Mit der neuen ge setzlichen Grundlage soll ein Anteil von zwei Dritteln, näm lich 65 %, erreicht werden. Das ist natürlich ein neuer, hoher Anspruch und eine Vorgabe an Verbraucher, Unternehmen und Kommunen.

Das heißt aber nicht, dass es insbesondere hier im Land nicht auch bis jetzt schon noch besser gegangen wäre. Denn es gilt gleichwohl festzuhalten: Wir sind, wie auch aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgeht, in Baden-Württemberg in allen diesen drei Punkten, nämlich der Abfallvermeidung, der Wiederverwertung und dem Recycling, bereits heute sehr gut aufgestellt. Allein schon bei der getrennten Erfassung von Wertstoffen liegt Baden-Württemberg in allen Bereichen deut lich über dem Bundesdurchschnitt. Insofern übernehmen Sie, Herr Minister Untersteller, auch in diesem Punkt, denke ich, ein ganz gut bestelltes Haus. Wir hoffen, dass Sie dies erfolg reich weiterführen können.

Zurück zum Kreislaufwirtschaftsgesetz: Im Verlauf der lan gen und kontroversen Gesetzgebung ging es vor allem um die ganz schwierige Frage – sie wurde von Frau Rolland schon angesprochen –: Wie soll möglichst kostengünstig der Grund konflikt zwischen Daseinsvorsorge und Sicherheit auf der ei nen Seite und dem privatwirtschaftlichen Wettbewerb auf der anderen Seite gelöst werden? Denn es geht hier immerhin um 50 Milliarden € Gesamtumsatz per annum in der Abfallwirt schaft. Bei diesem Müll kann man schon kräftig stinken.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ich meine, dass in Berlin eine ganz brauchbare Lösung für al le Beteiligten innerhalb dieses Spannungsfelds gefunden wur de. Unser Kollege Ulrich Lusche hat Sie, Herr Minister, vor Ihrer Reise nach Berlin noch einmal aufgefordert, Ihren Bei trag dazu zu leisten, dass ein Konsens gefunden wird. Wir können diesen Konsens begrüßen und hoffen, dass er stand halten wird.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Die Suche nach einer ordnungspolitischen Balance und einem fairen Interessenausgleich muss dabei immer eines im Blick haben: Wenn es mit der Müllentsorgung nicht funktioniert, wird der betroffene Bürger sich nicht an das private Entsor gungsunternehmen wenden – welches vielleicht von der Ge meinde beauftragt wurde –, sondern er wird gleich zur Ge meinde selbst kommen; denn diese trägt in den Augen der Öf fentlichkeit stets die Verantwortung hierfür. Das heißt, es geht hier ganz klar um den Bereich der kommunalen Daseinsvor sorge. Da kommen unsere Kommunen natürlich nicht aus der Pflicht heraus.

Es war von Anfang an festgelegt, dass Müllentsorgung und Abfallwirtschaft kommunale Aufgabe und Pflicht sind und zur Daseinsvorsorge gehören. Deswegen sieht das neue Recht vor, dass eine Kommune, die diese Aufgabe gut und zur allgemei nen Zufriedenheit erfüllt, sie auch in Zukunft wahrnehmen kann.

Die Organisationshoheit und die wirtschaftlichen Belange der Kommunen werden geschützt. Die Gebühren bleiben verläss lich und stabil. Wir müssen festhalten, dass wir in BadenWürttemberg die bundesweit niedrigsten Müllgebühren zu verzeichnen haben. Das ist sicherlich ebenfalls ein Erfolg der vorherigen Landesregierung.

Richtig ist aber auch: Der Schutz der kommunalen Belange gilt natürlich nur dann, wenn Wertstoff- und Reststoffsamm lungen bestmöglich durchgeführt werden. Wenn also eine Ge meinde dies heute nicht selbst tun will oder tun kann, kann sie private Unternehmen hiermit beauftragen. Dann haben wir

hier eben die Möglichkeit, diese einzubinden und somit dem Wettbewerb die Tür zu öffnen.

Diese sinnvolle Balance zwischen Gewährleistung und Erfül lung dieser Aufgaben durch die Kommune zu stabilen Prei sen einerseits und, wie gesagt, der Öffnung hin zu mehr Wett bewerb in diesem Bereich andererseits war die große Aufga be. Denn dies ist zum einen europarechtlich durch die Abfall rahmenrichtlinie vorgeschrieben, zum anderen ist es auch ord nungspolitisch richtig. Dass die FDP sich mit ihrer radikalen Forderung nicht durchsetzen konnte, ist vielleicht ganz in Ord nung so.

(Beifall bei den Grünen)