Protokoll der Sitzung vom 14.03.2012

Regierungsbefragung

Mit Schreiben vom 13. März 2012 hat das Staatsministerium die beiden folgenden zentralen Themen der vergangenen Ka binettssitzung mitgeteilt:

1. Bundesratsinitiative: Entwurf eines Gesetzes zur Klarstel

lung der Auskunftserteilung zur Altersvorsorge durch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung

2. Abstufung nicht mehr fernverkehrsrelevanter Bundesstra

ßen

Frau Ministerin Altpeter wird zum erstgenannten Thema eine einleitende Erklärung für die Landesregierung abgeben. – Bit te schön, Frau Ministerin.

B u n d e s r a t s i n i t i a t i v e : E n t w u r f e i n e s G e s e t z e s z u r K l a r s t e l l u n g d e r A u s k u n f t s e r t e i l u n g z u r A l t e r s v o r s o r g e d u r c h d i e T r ä g e r d e r g e s e t z l i c h e n R e n t e n v e r s i c h e r u n g

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kabinett hat am Mon

tagabend dieser Woche auf meinen Vorschlag hin eine wich tige Bundesratsinitiative zum SGB I beschlossen. Konkret geht es um die gesetzliche Klarstellung, dass Auskünfte zur zusätzlichen Altersvorsorge, die von den Rentenversiche rungsträgern erteilt werden, auch eine einzelfallbezogene, pro dukt- und anbieterneutrale Beratung umfassen sollen.

Warum starten wir diese Initiative?

Mit dem Altersvermögensgesetz aus dem Jahr 2001 hat der Bundesgesetzgeber die staatliche Förderung der privaten Al tersvorsorge eingeführt. Interessierten Bürgerinnen und Bür gern wurde innerhalb kurzer Zeit von Banken und Versiche rungen eine Vielzahl von Produkten mit unterschiedlichen Ri siken und Renditeversprechen sowie verschiedensten Neben kosten angeboten.

Bis zum Jahr 2011 wurden kontinuierlich ansteigend 15 Mil lionen staatlich förderfähige sogenannte Riester- und RürupVerträge abgeschlossen. Dies ist eine eindrucksvolle Zahl. Al lerdings beläuft sich die Gesamtzahl der Förderberechtigten bundesweit auf ca. 35 Millionen. Man kann schon an der Dif ferenz zwischen diesen beiden Zahlen erkennen, dass noch viel Luft nach oben vorhanden ist.

Unabhängig davon ist nach aktuellen Erhebungen festzustel len, dass für viele Verträge die staatliche Förderung nicht be antragt wurde. Viele Verträge wurden zudem wieder gekün digt oder storniert, weil sich die Renditeerwartungen nicht er füllten und mehr oder weniger erkennbar hohe Nebenkosten entstanden. Darüber hinaus verzichten gerade diejenigen, die jahrelang Geringverdiener waren bzw. sind und daher eine niedrige Rente zu erwarten haben, auf die Riester-Förderung, weil sie sich einen Riester-Vertrag kaum leisten können. Schließlich verzichten viele, weil sie das Angebotsdickicht der Chancen und Risiken nicht durchschauen.

Ich darf es ganz offen sagen: Die Altersvorsorgeförderung läuft auch zehn Jahre nach ihrer Einführung noch keinesfalls rund, und es besteht deshalb Handlungsbedarf. Die von mir soeben beschriebene Situation macht deutlich, dass mit der Einführung der staatlich geförderten Altersvorsorge ein erheb licher Beratungsbedarf, vor allem auch ein Bedarf an qualifi zierter Beratung, bei den Bürgerinnen und Bürgern im Land besteht.

Ich darf hier auch sagen: Ich erkenne ausdrücklich an, dass bereits die vorherige Landesregierung dieses Defizit erkannt hat. So gibt es seit März letzten Jahres in Baden-Württemberg flächendeckend in den Regionalzentren der Deutschen Ren tenversicherung Servicezentren für Altersvorsorge. Alle Bür gerinnen und Bürger können sich dort umfassend, individuell und persönlich über ihren Altersvorsorgebedarf beraten las sen. Nach Klärung des Versichertenkontos in der gesetzlichen Rentenversicherung wird anhand eines Kundenleitfadens der private Altersvorsorgebedarf erhoben. Anschließend werden die verschiedenen Vorsorgewege mit deren Vor- und Nachtei len erläutert.

Die Erfahrungen – so viel können wir heute sagen – während der vorgeschalteten Pilotphase in den drei Regionalzentren waren durchaus positiv. Die Evaluation durch das Karlsruher Institut für Technologie bestätigte insbesondere die Zufrieden heit der Kunden mit der Beratung und die Förderung des al tersvorsorgerelevanten Wissens.

Bis Ende 2011 haben bereits über 10 000 Bürgerinnen und Bürger das Angebot in Anspruch genommen. Ich unterstütze dieses Projekt ausdrücklich und will es weiter voranbringen. Dazu gehört als nächster Schritt die klarstellende Bundes ratsinitiative.

Ich betone: Es geht um eine Klarstellung, weil es seit drei Jah ren einen Dissens zwischen dem Sozialministerium und dem Bundesrechnungshof über die Auslegung der maßgeblichen Vorschrift im Ersten Sozialgesetzbuch gibt. Wir wollen für Rechtssicherheit sorgen – im Sinne der Fortsetzung der kom petenten und kostenlosen Beratung der Bürgerinnen und Bür ger in den Servicezentren für Altersvorsorge in Baden-Würt temberg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Soll ich am Rednerpult stehen bleiben oder an meinen Platz gehen?

Bitte bleiben Sie am Red nerpult stehen. – Für die Fraktion GRÜNE erhält Herr Abg. Lucha das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsiden tin. – Frau Ministerin, herzlichen Dank zum einen für Ihre In itiative und zum anderen für die Darstellung. Wir wissen, dass die Absicherung im Alter eine der Zukunftsaufgaben ist, zu mal der demografische Wandel auch dazu führt, dass die Men schen in Deutschland im Durchschnitt immer älter werden, also auch länger Renten und Vorsorgeleistungen beziehen. Wir wissen auch, dass es angesichts der Absenkung des Niveaus der gesetzlichen Rente, die bereits vor längerer Zeit beschlos sen worden ist, umso erforderlicher ist, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist, sich selbst zu ver sichern, um – auch wenn der Lebensstandard nicht immer zu halten sein wird – zumindest vor Armut geschützt zu sein, so dass ihnen die gesellschaftliche Teilhabe weiterhin möglich ist.

Für uns stellt sich die Frage, weshalb diese Initiative erst jetzt ergriffen wird, obwohl die Landesinitiative „PROSA – Pro Si cherheit im Alter“ schon mehrere Jahre läuft und der Dissens mit dem Bundesrechnungshof schon länger besteht. Die Fra ge ist: Warum erst zum jetzigen Zeitpunkt?

Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Abge ordneter. Ich möchte die Frage wie folgt beantworten: Man kann sicherlich trefflich über die Auslegung der maßgeblichen Norm streiten. Dazu mag es unterschiedliche Meinungen ge ben.

Die Antwort auf die Frage, warum die Landesregierung erst jetzt eine Klärung durch eine Bundesratsinitiative herbeifüh ren will, müsste Ihnen die vorherige Landesregierung geben. Denn wir sind das Thema angegangen, sobald es für uns mög lich war, weil wir eben sehen, dass wir das Problem, den Dis sens, den es hier gibt, nur lösen können, indem das Gesetz klarstellend um einen einzigen Satz ergänzt wird. Der Satz würde lauten: „Gegenstand der Auskunftserteilung kann auch

eine einzelfallbezogene produkt- und anbieterneutrale Bera tung sein.“ Wenn man diesen Satz hinzufügen würde, dann wäre die Rechtslage für unsere Servicezentren in Baden-Würt temberg klar, und wir könnten unsere Arbeit auch auf dieser guten Basis weiterführen.

Wir haben diese Bundesratsinitiative ergriffen, um hier Rechts klarheit zu bekommen. Denn es wäre einfach schade, ein An gebot, das nah an den Bürgerinnen und Bürgern ist, das nied rigschwellig ist, für das Baden-Württemberg auch mit dem guten Angebot der Deutschen Rentenversicherung BadenWürttemberg steht, auf rechtsunsicherer Basis stehen zu las sen. Deswegen sind wir das Problem auch zügig angegangen. Wir erhoffen uns eine baldige Klärung.

Danke schön. – Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Abg. Reusch-Frey das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Frau Ministerin! Die Biografie eines je den ist unterschiedlich. Das gilt natürlich auch mit Blick auf die Rente, die Altersversorgung. Dieses Gebiet hat sich durch die verschiedenen Angebote entwickelt. Deshalb finde ich es sehr gut und angemessen, dass der Beratungsbedarf, den Sie erwähnt haben, auch abgedeckt wird und dass wir da in der Entwicklung der Servicestellen weitergehen.

Meine Frage: Wie ist Baden-Württemberg im Vergleich zu den anderen Bundesländern aufgestellt, und welche Modelle gibt es in anderen Bundesländern, von denen wir lernen könn ten?

Bitte, Frau Ministerin.

Vielen Dank, Herr Abge ordneter. – In Rheinland-Pfalz gibt es ähnliche Initiativen, al lerdings in deutlich geringerem Umfang als in Baden-Würt temberg. Es gibt dort erste Aktivitäten in diese Richtung, aber in Bezug auf die Servicestellen ist Baden-Württemberg wirk lich an erster Stelle.

Mir wäre ganz wichtig, dass wir bei einem Erfolg der Bun desratsinitiative mit der damit einhergehenden Rechtssicher heit andere Rentenversicherungsträger dazu bringen könnten, das Modell Baden-Württembergs zu übernehmen und mittel fristig – und im Idealfall sicherlich flächendeckend – ein ähn liches Beratungsangebot aufzubauen, weil es sich eben ge zeigt hat, dass durch dieses Beratungsangebot für die Men schen, die in Zukunft Rente und zusätzlich einen privaten Al tersvorsorgeanteil beziehen, wirklich etwas getan werden kann. Wir alle wissen, dass vor dem Hintergrund unterbrochener Er werbsbiografien, vor dem Hintergrund von Erziehungszeiten, vor dem Hintergrund von Teilzeittätigkeiten und Ähnlichem die Frage der Rente insbesondere für Frauen oft mit großer Unsicherheit verbunden ist. Diese Frage muss geklärt werden, und sie muss am besten dann geklärt werden, wenn eine per sönliche und neutrale Beratung stattfindet.

Ich darf vielleicht ein Beispiel anfügen, das ich gerade eben in der Mittagspause gehört habe. Ein 60-Jähriger, der mit 59 Jahren schwer erkrankt ist, hat es mir berichtet. Er sagte, er habe sich zu diesem Zeitpunkt Gedanken gemacht, ob er in

eine Teilzeitrente gehen solle. Er habe sich dann gefragt, wie viel es bringt, wie viel Abschläge er hätte und Ähnliches. Er habe bei der Rentenversicherung in Berlin angerufen und die Auskunft bekommen, dass eine persönliche Auskunft auf grund mangelnder Rechtssicherheit nicht telefonisch erteilt werden könne und man das alles schriftlich machen müsse. Er hat seine diesbezügliche Frage dann schriftlich eingereicht, bekam wieder einen Schriftsatz zurück, hatte Zusatzfragen, die auch wieder schriftlich gestellt werden mussten usw.

Er ging dann zur Servicestelle der Deutschen Rentenversiche rung Baden-Württemberg, hat in einem persönlichen Gespräch auf der Basis seiner Rentendaten die gewünschte Auskunft be kommen und konnte seine Fragen, die sich bezüglich seiner Zukunft entwickelt haben, an dieser Stelle gleich stellen. Sie wurden entsprechend beantwortet. Er sagte mir aus dem per sönlichen Erleben heraus: Das ist tausendmal besser, als bei irgendeiner Hotline der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin zu landen.

Insofern macht dieses Beispiel, glaube ich, deutlich, dass wir hier auf einem guten und erfolgversprechenden Weg sind. Wa rum sollen wir das Gute, das wir hier im Land haben, nicht auch den anderen Bundesländern angedeihen lassen? Insofern hoffe ich wirklich, dass unsere Bundesratsinitiative erfolg reich sein wird.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut!)

Das Wort für die Frakti on der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrte Frau Mi nisterin, ganz herzlichen Dank für die Ausführungen. Ich den ke – um das noch einmal klarzustellen –, die Bundesratsiniti ative ist auf jeden Fall zu begrüßen.

Sie hatten angesprochen, dass bis 2011 15 Millionen förder fähige Riester- und Rürup-Verträge abgeschlossen wurden. Förderberechtigt wären derzeit etwa 35 Millionen Menschen. Meine Frage lautet: Haben wir in Baden-Württemberg ein ähnliches Verhältnis, oder liegen wir in Baden-Württemberg besser? Was kann man tun, um das Bewusstsein in der Bevöl kerung noch stärker zu aktivieren, dass wir hier über die Ser vicecenter hinaus noch mehr tun können? Kann das einfache Vorsorgemodell des Verbraucherschutzministers, das heute über die dpa vorgestellt worden ist, helfen und unterstützen?

Bitte schön, Frau Minis terin.

Herr Haußmann, zu Ihrer ersten Frage: Konkrete Zahlen zu Baden-Württemberg habe ich heute nicht parat. Aber ich gehe davon aus, dass das Ver hältnis ähnlich wie im Bund insgesamt sein wird.

Zu der Frage, was wir tun können, damit das Thema noch mehr in den Mittelpunkt und damit auch in den Horizont der Menschen gelenkt wird: Da tragen sicherlich die Servicestel len ihren Teil bei. Aber einen anderen Teil haben meines Er achtens auch wir, die Politik, zu leisten. Es ist nämlich auch unsere Aufgabe, mit zu transportieren, dass die Vorsorge für das Alter im Blick bleibt und nicht aus dem Blick gerät und man sich auch damit auseinandersetzen muss.

Denn wir haben heute in den Familien vielfach folgende Si tuation – darüber hatten wir auch im Rahmen des Frauentags diskutiert –: Es gibt einen Alleinverdiener, und der Partner, in der Regel die Ehefrau, verdient 400 € dazu. Es ist ganz schön, wenn man diese 400 € zusätzlich zum Familieneinkommen hat. Aber es geht auch darum, deutlich zu machen, was von diesen 400 € überhaupt noch etwas zum Renteneinkommen im Alter beiträgt.

Da ist es mir ein ganz wichtiges Anliegen, dass wir alle – je der auf der Ebene, auf der er tätig ist: die Deutsche Renten versicherung an ihrer Stelle, wir an unserer Stelle, der Ver braucherschutzminister und im Übrigen auch die Verbraucher zentrale an ihrer jeweiligen Stelle – deutlich machen, dass für die Altersvorsorge und die private Altersvorsorge im Rahmen des Möglichen etwas getan werden sollte.

Was das vereinfachte Modell angeht: Ich denke, der Bürger und die Bürgerin kommen am ehesten damit klar, wenn sie das, was ihnen als Modell vorgestellt wird, nachvollziehen können. Bei einem Modell mit tausend Querverbindungen wird es schwierig. Je einfacher das Modell ist, desto nachvoll ziehbarer ist es, und desto eher werden es die Menschen auch annehmen.

Das Wort für die CDUFraktion erteile ich Herrn Abg. Klenk.