Herr Minister, Sie sagten gerade, dass Sie um jeden Arbeitsplatz in diesem Land kämpfen. Darf ich daraus schließen, dass alle Insolvenzverwalter dieses Lan des zu Ihnen kommen dürfen, wenn es auch nur um die Ent lassung von einem Arbeitnehmer, von fünf Arbeitnehmern, von zehn Arbeitnehmern oder von 100 Arbeitnehmern geht, oder habe ich dies gerade falsch verstanden?
Frau Gönner, ich sagen Ihnen eines zu: Jeder Insolvenzver walter, der mit einem seriösen Investor kommt und ein Kon zept für die Fortführung eines insolvent gegangenen Betriebs vorlegt,
(Abg. Peter Hauk CDU: Aha! – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Genau so ist es! – Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU – Unruhe)
kann sich an das Wirtschaftsministerium und die entsprechen den Einrichtungen wenden. Das ist das Tagesgeschäft des Wirtschaftsministeriums und der L-Bank. Genau dies forde re ich auch für Schlecker ein. Darum geht es, meine sehr ver ehrten Damen und Herren.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Rein hard Löffler CDU: Das ist die richtige Reihenfolge!)
Ich lasse nicht zu, dass, nur weil Schlecker eine atypische Be schäftigtenstruktur hat, nur weil es viele Tausend Filialen mit mehreren Tausend Beschäftigten gibt, die über die ganze Re publik verstreut sind, diese Beschäftigten in dieser Geschich te durch alle Ritzen fallen.
Man muss sich einmal vorstellen: Die Beschäftigten bei Schle cker sind überwiegend Frauen, überwiegend Teilzeitbeschäf tigte, viele Ältere, viele mit Migrationshintergrund, Frauen, die sich unheimlich engagieren, um den Laden umzutreiben. Es gibt Wochenöffnungszeiten von 68 Stunden mit einer Be legschaft von vielleicht drei Frauen. Häufig bedeutet das, dass eine Frau allein den Laden schmeißt, abkassiert, die Ladenre gale einräumt, die Nachbestellungen aufnimmt, die Leute be rät, wenn sie im Laden etwas suchen, und auch noch die so zialen Kontakte pflegt. Das ist das Kapital der Mitarbeiterin nen bei Schlecker.
Ich sage Ihnen eines: Diese Frauen haben nicht die Gleichgül tigkeit und Hochnäsigkeit des Herrn Rösler verdient; sie ha ben vielmehr Unterstützung verdient, wenn sie kurz vor der Entlassung stehen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Vor Jahren haben Sie noch zum Boykott von Schlecker aufgerufen! Mit Ihren Ge werkschaften! – Gegenrufe von der SPD)
Da kann ich jetzt nicht mehr groß überlegen und allgemeine Vorlesungen zum Insolvenzrecht halten, sondern da geht es darum: Wie kann man diesen Tausenden von Frauen eine Per spektive bieten?
Nein, nein. – Es besteht völlige Einigkeit zwischen dem In solvenzverwalter, der Arbeitsagentur und dieser Landesregie rung sowie allen, die sich mit der Sache auseinandergesetzt haben, darüber, dass diese Frauen in einer Transfergesellschaft am besten aufgehoben sind.
Denn es geht nicht nur darum, einfach zu sagen: „Da gibt es viele offene Stellen, und die Schlecker-Frauen werden da schon irgendwie unterkommen.“ Da geht es um passgenaue Vermittlung, da geht es um die Beseitigung von Mobilitäts hemmnissen, und im Einzelfall geht es auch um eine Weiter qualifizierung. Denn bei allem Kapital, das diese Frauen mit bringen, und bei all ihrem Engagement ist es so: Um im Fach einzelhandel, im Optikgeschäft, als Fachverkäuferin für Da menoberbekleidung oder anderes an der Königstraße, unter zukommen, kann es im Einzelfall auch wichtig sein, dass sie eine zusätzliche Qualifikation bekommen. Genau dies ist die Funktion einer Transfergesellschaft.
(Zuruf von der CDU: Einer Arbeitsagentur! – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Was machen sie dort? – Abg. Tobias Wald CDU: Was machen sie dann?)
Deshalb sind wir uns mit der Arbeitsagentur und mit dem In solvenzverwalter einig, dass die Transfergesellschaft das rich tige Mittel ist, um diesen Frauen zu helfen.
Übrigens: Alle, die sich mit dieser Sache befassen, sehen das auch so. Beispielsweise wird der CDU-Landesvorsitzende Strobl heute mit der Aussage zitiert, dass eine Transfergesell schaft ein hervorragendes Instrument sei, um diesen Frauen zu helfen.
Jetzt liegt es an der Politik und an der Bundesregierung, schnell – bis Ende März – eine Lösung zu finden, wie die Finanzie rung für die Transfergesellschaft gestemmt werden kann. Die Struktur der Transfergesellschaft ist klar. Die Arbeitsagentur Baden-Württemberg hat die Federführung für die Arbeitsver waltung übernommen. Es gibt ein Modell, einen bundeswei
ten Rahmen für die Transfergesellschaft und regional, dezen tral organisierte Transfergesellschaften – nach Regionen ge gliedert –, um die Frauen aufzufangen, weiterzuqualifizieren und weiterzuvermitteln. Das heißt: Der Rahmen ist klar. Die Arbeitsagentur selbst weist darauf hin, dass ein solches Mo dell jetzt unbedingt erforderlich ist. Jetzt geht es nur noch um die Zwischenfinanzierung.
Da muss ich schon sagen: Ihre allgemeinen Ausführungen da rüber, wie ein Insolvenzverwalter vorgeht, sind für mich nicht nötig; das brauchen Sie mir nicht zu erläutern.
Das weiß übrigens auch Herr Geiwitz sehr genau. Natürlich werden die Vermögensverhältnisse der Familie Schlecker über prüft. Aber was wir jetzt brauchen, ist innerhalb weniger Ta ge eine Zwischenfinanzierung für die Transfergesellschaft, weil sonst 12 000 Frauen ohne Anschlussperspektive auf der Straße stehen und arbeitslos sind. Diese Verantwortung neh me ich nicht auf mich. Die müssten Sie dann schon selbst tra gen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Rein hard Löffler CDU: Ich kann mein Vermögen inner halb von zehn Minuten erklären!)
Um es ganz deutlich zu sagen: Wir reden nicht über Investo renlösungen, sondern wir reden über eine Zwischenfinanzie rung für eine Transfergesellschaft. Das ist das, was uns aktu ell bewegt. Das ist auch das, warum ich mich mit der gesam ten Landesregierung so einsetze, weshalb wir in den Reihen der Bundesländer die Koordinierungsrolle übernommen ha ben. Es wird noch in dieser Woche ein Treffen stattfinden, um die Koordinierung in Berlin anzudocken. Deshalb bin ich auch mit den Bundesministern, die dafür zuständig sind, im stän digen Gespräch.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber nur über die Presse! – Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löff ler CDU)
Es geht jetzt darum, schnell eine Zwischenfinanzierung für ein halbes Jahr – das sagt der Insolvenzverwalter – für diese Transfergesellschaft zu organisieren.
Der eine ist: Der Insolvenzverwalter versucht, dass er einen ganz normalen Kredit bekommt, weil er Sicherheiten aus dem Komplex Schlecker andienen kann. Das ist in Ordnung.
Die andere Variante: Wenn man schnell handeln will, ist ein Zuwendungsbescheid der Bundesregierung nach den Statuten der KfW sinnvoll, um die KfW sowie eine nachgeordnete Be hörde anzuweisen, diesen Kredit zu geben. Der KfW-Vorstand signalisiert mir, dass sie das sofort machen: Ein Beauftra gungsschreiben des Bundeswirtschaftsministers, und in einer halben Stunde ist der Kredit gegeben. Dann läuft die Sache.
Deshalb sage ich: Sie von CDU und FDP müssen sich schon entscheiden: Wollen Sie diese vielen Tausend Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit entlassen? Wollen Sie eine der größten Unternehmenspleiten einfach an sich vorbeigehen lassen?
Wollen Sie eisig schweigen? Wollen Sie über einen Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums einfach nur erklären las sen, der volkswirtschaftliche Schaden sei nicht so groß, dass ein Handeln des Bundes erforderlich wäre – bei vielen Tau send Frauen, die arbeitslos wären? Es hätte volkswirtschaft liche Auswirkungen, wenn einfach einmal 12 000 Beschäftig te auf den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik entlassen werden.
(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie haben doch das Heft des Handelns in der Hand! – Abg. Helmut Wal ter Rüeck CDU: Wer ist der Minister? – Abg. Peter Hauk CDU: Sie sind doch der Minister!)
Da frage ich: Wollen Sie das zulassen oder nicht? Es ist Auf gabe der Bundesregierung, diese Dimension anzugehen.
(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Machen Sie sich doch nicht so schwach! Superminister! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Superminister!)
Sie hat das Instrumentarium dafür. Die Landesförderbanken können an der einen oder anderen Stelle helfen. Die Landes förderbanken werden vor allem dann helfen, wenn es eine In vestorenlösung gibt. Dafür gibt es abgestimmte Verfahren. Da zu bekennen wir uns auch.
um diese vielen Tausend Frauen. Da müssen Sie sich entschei den: Wollen Sie helfen, oder wollen Sie nicht helfen?
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist nicht unsere, sondern Ihre Ent scheidung! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie sind die Regierung! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Regierung heißt nicht nur Dienstwagen und Sekretä rin! – Glocke des Präsidenten)