Nein. Es geht doch darum, die Jugendlichen, die in den Kommunen leben, in denen diese Exzesse passieren, vor sich selbst zu schützen. Dann ist es geradezu ein Segen, wenn die Kommunen diese Möglichkeit an die Hand bekommen.
Ich kann Ihnen zusagen: Das Zweite, um das es geht – darum nehmen wir uns die Zeit –, ist, genau das zu vermeiden, von dem Sie den Eindruck erweckt haben, wir täten es. Es geht darum, dass wir keine falschen Hoffnungen wecken. Denn
manche denken schon jetzt, dass wir mit diesem Gesetz, das hier verabschiedet werden soll, jede Gruppe, die sich abends um die Dorflinde versammelt, demnächst mit einem Alkohol konsumverbot belegen wollten. Genau das wollen wir eben nicht machen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Matthias Pröfrock CDU: Falsch! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist doch das Absolute!)
Es geht vielmehr um Brennpunkte. Genau das machen wir. Geben Sie uns die Zeit. Sie werden sich wundern, wie schnell wir fertig werden – im Gegensatz zu Ihnen; Sie haben Ihre Zeit nicht genutzt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Diskussionen und Debat ten der letzten Wochen und Monate hätte man manchmal den Eindruck gewinnen können, dass ohne ein solches Gesetz ein geordnetes Gemeindeleben gar nicht mehr möglich wäre.
Führen wir uns einmal vor Augen: Wir sind doch öfter in der Situation, dass man auf einmal glaubt, die Lösung für ein be stimmtes Problem in einem Gesetz gefunden zu haben. Das ist immer eine schmeichelhafte Illusion für den Gesetzgeber selbst. Aber der Eindruck trügt in vielen Fällen, auch in die sem Fall.
Wir sehen das Problem, dem es entgegenzutreten gilt. Aber wir sehen auch, dass man sich den Weg, um dieses Problem zu lösen, nicht zu leicht machen darf. Machen wir uns nichts vor: In Freiburg hat man es sich mit diesem Weg im Grunde genommen zu leicht gemacht. Man hat es dort ein bisschen übertrieben. Man hat das Gesetz überstrapaziert. Anschlie ßend ist man vor Gericht auf die Nase gefallen, und dann ruft man automatisch nach dem Gesetzgeber und tut dabei so, als gäbe es keine Möglichkeiten, nach geltendem Recht gegen solche Störungen einzuschreiten. Natürlich gibt es diese. Ich komme gleich noch einmal auf das Polizeigesetz zurück. Aber diese Möglichkeiten gibt es nicht nur im Polizeirecht.
Ich nenne Ihnen ein aufschlussreiches Beispiel aus dem RemsMurr-Kreis – so etwas findet auch in anderen Kreisen statt –,
Es gibt dort eine Aktion „Gelbe Karte“. Ich nenne das, damit Sie sehen, was für Instrumentarien schon vorhanden sind. Bei dieser Aktion kann man jugendlichen Säufern und Rowdys die Gelbe Karte in der Form zeigen, dass man sagt: Wenn ihr
so weitermacht, stellen wir z. B. eure Eignung für den Füh rerschein infrage. Das ist eine sehr wirksame Drohung; das muss man sagen. Sie wirkt präventiv. Das ist natürlich ausge zeichnet und wird jetzt in verschiedenen Kreisen praktiziert.
Man höre und staune – wie gesagt, von Innenminister Rein hold Gall wird das seit August 2011 unterstützt –: Jetzt betei ligen sich 15 Polizeidienststellen in Baden-Württemberg auf örtlicher Ebene an der Aktion „Gelbe Karte“. Ferner hatte das Innenministerium den restlichen 22 Dienststellen empfohlen, sich dem Projekt anzuschließen, was diese aber bisher nicht gemacht haben. Im Grunde genommen werden die bisherigen Handlungsmöglichkeiten, gegen jugendliche Säufer und Row dys einzuschreiten, gar nicht ausgenutzt – wie so oft. Trotz dem läuft der Ruf nach dem Gesetzgeber darauf hinaus, dass es jetzt sozusagen ein pauschales Alkoholverbot
statt der bisherigen Praxis geben soll. Die bisherige Praxis sieht so aus, dass die Polizei hingeht und schaut, ob es irgend wo Anzeichen für eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gibt. Wenn es diese gibt, kann sie einschreiten. Bei dem Verbot, wie es jetzt gefordert wird, ist der einzige Unter schied, dass die Polizei zum Kontrollieren hingehen muss. Aber man kann doch nicht sagen, sie müsse nicht hingehen. Wer will denn ein Verbot, dessen Einhaltung dann nicht kon trolliert wird? Der Unterschied in der Praxis ist im Grunde ge nommen minimal. Denn natürlich kann man auch schon jetzt im Wege des Polizeirechts und auf anderen Wegen, wie ich es geschildert habe, einschreiten.
Uns stört bei dieser Geschichte – das muss ich sagen – auch ein bestimmter Wertungswiderspruch. Vor ein paar Monaten habe ich erlebt, dass ein sympathischer Oberbürgermeister ein Stadtfest eröffnet hat und alle aufgefordert hat, doch auch herzhaft zuzulangen, natürlich auch was die regionalen Pro dukte in Form alkoholischer Getränke im Remstal anging. We nige Meter weiter will man nun über ein solches Gesetz das sogenannte Vorglühen verhindern. Das wird übrigens sogar so begründet.
Ich meine, so kann man es doch nicht machen. Das ist doch nicht glaubwürdig. Wenn die gleichen Jugendlichen, denen man dort das Vorglühen verbietet, sich auf dem Stadtfest oder auf dem Bockbierfest betrinken, bis sie nach hinten von der Bank fallen, dann ist das offenbar egal. Das sind zwar die glei chen Promille, aber dafür brauche ich offensichtlich kein neu es Gesetz.
Was heißt strafbar? Die Jugendlichen trinken jetzt ihren Al kohol neben dem Fest. Wenn sie dabei anfangen, aus der Rol le zu fallen, dann schickt die Polizei sie weg. Diesen Zustand finde ich in Ordnung. Aber ein generelles Alkoholverbot rund um das Weinfest ist doch ein bisschen schizophren. In der Mit te dieser Zone soll man dann umso ungestörter hinlangen. Deswegen halten wir diesen Weg nicht für überzeugend.
Meine Damen und Herren, es ist immer ein leichter Weg, Frei heiten einzuschränken. Dieser Weg hält im schlechtesten Fall davon ab, über qualifizierte inhaltliche Konzepte nachzuden ken und diese weiter auszubauen. Deswegen lassen Sie uns
andere Wege beschreiten, als die Problembewältigung auf die se Verbotsdiskussion zu verkürzen. Ich sage Ihnen, die Poli zei hat im Moment sowieso ein paar andere Probleme als die ses Gesetz. Ich nenne nur das Stichwort Polizeireform. Aber damit geht es morgen weiter.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Ich will mich an das halten, was Kol lege Sakellariou gesagt hat. Wir haben über dieses Thema im Landtag von Baden-Württemberg in der zurückliegenden Le gislaturperiode, aber auch schon in dieser wiederholt disku tiert, sodass wir da, glaube ich, thematisch und inhaltlich nicht bei Adam und Eva anfangen müssen. Wir haben uns diesbe züglich auch im Innenausschuss intensiv ausgetauscht.
Ich will aber, Herr Dr. Goll, bei dieser Gelegenheit ausdrück lich dem widersprechen, was Sie ein bisschen unterschwellig zum Ausdruck gebracht haben: Es gebe ja Möglichkeiten, die die Polizei bislang schon hat, nur würden sie eben nicht ent sprechend genutzt. Nach meinem Eindruck ist insbesondere in den Kommunen, die mit der Forderung nach einem solchen Verbot an uns, an die Politik herantreten – ich habe es mir, denke ich, schon sehr in der Tiefe angeschaut –, diesbezüg lich so gut wie alles unternommen worden, um dem Problem entgegenzutreten. In den Brennpunkten – über diese reden wir grundsätzlich, denke ich – war es trotz dieser polizeilichen Maßnahmen, aber auch trotz intensiver präventiver Maßnah men, die die Städte durchgeführt haben, nicht möglich, gegen diese alkoholbedingten Störungen einzuschreiten und dadurch auch Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu verhindern – zumindest nicht mit dem Erfolg, den man sich davon erwar tet hat.
Deshalb war mein Eindruck, dass es auch im Innenausschuss eine breite Mehrheit gab – mit Ausnahme Ihrer Fraktion –, dass es in der Zielrichtung darum geht, jetzt einmal eine ge setzliche Grundlage zu erarbeiten, die aber anders aussieht als die, die uns heute auf dem Tisch liegt, und die zum Ziel hat, solche Brennpunkte, an denen exzessiver Alkoholkonsum zu Straftaten und zu Ordnungswidrigkeiten führt, zu entschärfen und das Ganze halbwegs befriedigend in den Griff zu bekom men. Dabei kommt es, glaube ich, schon wesentlich darauf an, welche Kriterien wir diesbezüglich festlegen: Was sind überhaupt solche sozialen Brennpunkte? Mit welchen Krite rien kommen wir dem Problem bei?
Es kommt nach meiner Einschätzung darauf an, dass wir uns einmal auf diese Kriterien einigen. Es sollten im Wesentlichen drei Kriterien sein, die dabei zur Geltung kommen müssen: Es muss sich um eine Örtlichkeit handeln, die tatsächlich mit einer hohen Belastung, mit alkoholbedingten Straftaten in Ver bindung gebracht werden kann, wo eine absolute oder auch eine relative Belastung vorhanden ist und wo wir regelmäßig von einer hohen Anzahl von anwesenden Personen ausgehen können.
All das, was viele Kommunen von uns erwarten, wird also nicht zutreffen. In der Tat gibt es eine ganze Menge an Zu
schriften für Örtlichkeiten, die schon dieses Kriterium „regel mäßig eine hohe Anzahl“ nicht erfüllen und bei denen eine häufig auftretende Anzahl von entsprechenden Störungen in Verbindung – ich sage es noch einmal – mit Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nicht nachweisbar ist.
Das heißt, im konkreten Einzelfall ist dann von einem Brenn punkt auszugehen, wenn diese relativen Kriterien anhand ei ner Gesamtbetrachtung – darauf kommt es im Wesentlichen an – beurteilt werden können.
Herr Throm, Folgendes ist auch wichtig: Sie haben gesagt, das Thema Übermaßverbot stehe nicht im Urteil. Das ist so. Trotzdem hat es Gültigkeit.
Natürlich ist es wichtig. Aber Sie haben gesagt, es würde nicht im Urteil stehen. Sie haben doch recht. Das Übermaß verbot muss immer beachtet werden; es muss auch bei einer solchen gesetzlichen Regelung beachtet werden. Man könnte auch sagen: Es gilt das Verhältnismäßigkeitsgebot. Bei der Maßnahme, die der Staat, die die Verwaltung ergreift, muss auch erkennbar sein, dass das angestrebte Ziel damit erreicht werden kann. Das müssen wir natürlich zugrunde legen.
Auf dieser Grundlage – das will ich ausdrücklich sagen – er arbeiten wir gegenwärtig einen entsprechenden Gesetzent wurf, den wir dann natürlich auch zur Diskussion stellen wer den
ich sage gleich, wann – und in dem völlig klar zum Aus druck kommt, dass das Schreckgespenst einer flächendecken den Prohibition, das manche durchaus sehen, eben nicht vor handen ist.