(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der FDP/DVP und der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Schön gesagt!)
Jetzt kann man zum Betreuungsgeld stehen, wie man will. Aber was mich doch etwas überrascht hat – vor allem, weil hier jeder von Ihnen jetzt auch gesagt hat, man wolle keine Wertungen vornehmen –, ist die Begründung zu Ihrem An trag, aus der ich Ihnen einmal zitieren möchte:
Die gegenwärtige Diskussion über das Betreuungsgeld für Familien markiert eine gesellschaftspolitische Zäsur. Danach wird entschieden sein, welchem Familienbild die politisch Handelnden folgen wollen – einem Familien bild, das die Lebenswirklichkeiten anerkennt und ihnen Rechnung trägt, oder sie leugnet und der Rekonstruktion einer unwiederbringlichen Idylle verhaftet bleibt.
dass sie ihre drei Kinder in einer „unwiederbringlichen Idyl le“ erzogen hat und dass wir einem Familienbild entsprochen haben, das so gar nicht mehr der Lebenswirklichkeit in Ba den-Württemberg entspricht.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf: Bra vo! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die meis ten sind auch noch glücklich dabei!)
Deswegen sage ich: Man kann zu diesem Thema stehen, wie man will; das ist gar keine Frage. Aber die Begründung, die Sie geliefert haben,
In einem liberalen Rechtsstaat steht an erster Stelle die Pflicht der Eltern, für ihre Kinder zu sorgen, und in einem liberalen Rechtsstaat sollte man nicht vorschreiben,
wie sich die Familien entscheiden. Mit dieser Begründung ha ben Sie eigentlich etwas anderes ausgedrückt als das, was Sie gerade gesagt haben.
Es ist unglücklich formuliert. Aber immerhin hat Ihr Frakti onsgeschäftsführer, Herr Seidel, dies unterschrieben. Ich ge he davon aus, dass er so etwas vorher durchliest und sich Ge danken macht. Aber ansonsten können Sie ihm das bei die sem Thema gern einmal weitergeben.
Jetzt geht es uns natürlich so: Sie wissen, in einer Koalition muss man Kompromisse machen. Ich war insofern überrascht, zu lesen, dass es 2008/2009 eine Diskussion gab und dass es dann zwischen der damaligen Familienministerin, Frau von der Leyen, und dem damaligen Finanzminister, Herrn Stein brück, zu einer Einigung beim Betreuungsgeld kam. Das hat
mich dann doch überrascht und hat mich ein bisschen an die Situation der FDP im Bund erinnert. Sie hatten das Thema al so schon einmal. Es ist dann zwar nicht zur Umsetzung ge kommen, aber Sie hatten sich immerhin schon einmal geei nigt.
Auf diesem Stand sind wir jetzt. Wir haben noch gar keinen Gesetzentwurf, Herr Kollege Heiler. Es liegt noch gar kein Gesetzentwurf vor, und wir wissen noch gar nicht, in welche Richtung das dann laufen soll. Wir reden jetzt also über ein Thema, bei dem sich überhaupt noch nichts konkretisiert hat. Es liegt noch gar nichts vor. Aber das ist natürlich schön: Wir haben ja ein Vollzeitparlament, und wir suchen auch immer wieder Themen. Wenn man im Land nichts findet, dann muss man eben Bundesthemen für Aktuelle Debatten suchen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das Land muss im Bun desrat zustimmen! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drex ler SPD)
Ihnen geht es doch genauso. Sie haben doch auch Themen in der Koalition, bei denen man sagt: Da stimmen wir halt zu. Ich denke jetzt nur an die Einführung der Schulversuche bei G 9.
Da sagen mir meine Kinder, die jetzt gerade Abitur gemacht haben: „Jetzt hatten wir doch 60 Jahre G 9. Wieso brauchen wir einen Schulversuch?“
Entweder machen wir es gleich richtig, oder wir lassen es. Aber wenn man jetzt nach so vielen Jahrzehnten noch einen Versuch machen muss, dann muss ich sagen: Manchmal muss man eben Dingen – darauf will ich zurückkommen – zustim men – –
Ich könnte jetzt auch das Thema Stuttgart 21 bringen, aber das wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen.
Insofern würde ich sagen: Die Hausaufgaben hat die Union zu machen. Da gibt es noch viele Gespräche. Wenn man die Zeitung liest oder fernsieht, erfährt man jeden Tag irgendet was anderes. Ich glaube, der Diskussionsprozess läuft jetzt noch, und den sollten wir der CDU und der CSU überlassen. Es gibt einen Koalitionsvertrag, nach dem ein Betreuungsgeld eingeführt werden soll. Die FDP ist und bleibt ein verlässli cher Koalitionspartner.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Lassen Sie sie doch reden! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sie wollte das von der Telefonzelle aus mitteilen!)
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist sicher nicht immer schön, wenn man etwas vergisst bzw. wenn etwas ver gessen wird. Aber das geplante Betreuungsgeld der Bundes familienministerin Schröder und der CSU als Teil der Koali tion können Sie in der Tat vergessen.
Dieses geplante Betreuungsgeld verletzt das Gleichstellungs gebot und schafft zudem ein ganz neues und, ich möchte sa gen, ein kurioses Recht, indem Familien dafür belohnt wer den, dass sie Kindertagesstätten nicht in Anspruch nehmen. Das ist so, als würde ich ein staatlich bezuschusstes Angebot nicht annehmen und bekäme dafür auch noch einen finanziel len Ausgleich. An dieser Stelle wird sehr deutlich, dass diese „Herdprämie“ in der Tat ein Rückfall in die Fünfzigerjahre ist. Ich bin der Auffassung, dass es falsch ist, eine Prämie dafür zu zahlen, dass Frauen – es betrifft vor allem Frauen – nicht arbeiten gehen.
Da ist es sicherlich richtig, dass jeder und jede, der oder die sich überlegt, eine Familie zu gründen, Kinder zu haben, die Wahlfreiheit haben sollte,
unabhängig davon, wie brüchig manches „Idyll“ gestaltet ist. Dennoch müssen wir nicht belohnen, dass Eltern – insbeson dere Mütter – zu Hause bleiben. Vielmehr obliegt diese Ent scheidung der Wahlfreiheit des und der Einzelnen. Dafür auch noch eine Prämie zu zahlen, das finde ich irgendwie – ich sa ge es einmal auf Schwäbisch – „hendersche fir“.
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Übersetzen! – Abg. Martin Rivoir SPD: Für das Protokoll bitte erklären!)
Besonders beschämend finde ich dann noch, dass überlegt wird, das Betreuungsgeld zwar einer wohlhabenden Ehefrau, nicht aber einer Mutter, die Leistungen nach dem SGB II oder Hartz IV bezieht, zu geben. Ich denke, wenn wir weiter dar
über nachdenken, dann stellen wir fest, dass das Betreuungs geld für die wohlhabende Ehefrau tatsächlich einen Mitnah meeffekt darstellt.