Protokoll der Sitzung vom 19.04.2012

a) Ist eine an der VwV Frostbeihilfe 2011 orientierte Rege

lung geplant, um die von den im Februar 2012 entstande nen Frostschäden teilweise existenzbedrohend getroffenen landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg im Wege einer direkten Beihilfe zu unterstützen?

b) Falls nicht: Was steht dem aus Sicht der Landesregierung

Noch ein Hinweis: Am vergangenen Dienstag gab es erneut Frostschäden mit erheblichen Auswirkungen auf die Land wirtschaft, etwa bei mir im Hohenlohischen. Ist darüber schon etwas bekannt,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Minus 6,5 Grad zum Beispiel!)

und welche Gedanken macht man sich darüber?

Vielen Dank. – Für die Landesregierung darf ich den Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Bonde ans Rednerpult bitten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der Frost minister!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für die beiden Fragen.

Um zunächst die letzte Frage zu beantworten, nämlich die Fra ge nach den Frösten der vergangenen Tage: Hierzu haben wir noch kein genaues Lagebild, sodass ich darüber hier jetzt noch nicht genau berichten kann.

Ich will mich in meinen Antworten deshalb auf die Auswir kungen der Februarfröste beziehen, die in Teilen des Landes zu ganz erheblichen Schäden, vor allem im Ackerbau, geführt haben. Betroffen waren dabei hauptsächlich der Nordosten unseres Landes und die Rheinebene. In beiden Regionen war ich selbst mit den Bauernverbänden vor Ort, um mir die Situ ation anzuschauen.

Es gibt übrigens eine ähnliche Betroffenheit auch in unserem Nachbarland Bayern, das mit einem Maßnahmenpaket reagiert hat, das dem, das ich jetzt für Baden-Württemberg schildern möchte, genau gleich ist.

Ich will vorweg auch noch sagen, dass der Landesbauernver band, nachdem im März klar wurde, welche verheerenden Schäden die Februarfröste im Ackerbau angerichtet haben, mit der Forderung an uns herangetreten ist, im Bereich der Steuern Erleichterungen zu schaffen und den Betrieben im Rahmen der Möglichkeiten, die die Finanzverwaltung hat, ent sprechend entgegenzukommen.

Ich habe den Finanzminister daraufhin angeschrieben und ihn gebeten, die möglichen steuerlichen Erleichterungen in Form von Steuerstundungen, Herabsetzung von Vorauszahlungen oder Vollstreckungsaufschub einzuleiten. Das befindet sich im Moment in der Prüfung beim Finanz- und Wirtschaftsminis terium. Ich will allerdings nicht verhehlen, dass ich gestern von der dortigen Hausspitze positive Signale bekommen ha be, sodass ich hoffe, dass wir dabei in den nächsten Tagen zum Vollzug kommen.

Über diesen Punkt hinaus, der, wie gesagt, die einzige Forde rung des Landesbauernverbands in Reaktion auf die Situati on vor Ort war, hat die Landwirtschaftliche Rentenbank auf meine Initiative hin ihr Programm zur Liquiditätssicherung bereits seit Ende März für die frostgeschädigten Landwirte geöffnet, die zuvor nicht die Voraussetzungen gehabt hätten, um in die Ermäßigungsprogramme bei der Rentenbank hin einzukommen. Das Programm bietet zinsverbilligte Darlehen für den Zukauf von Betriebsmitteln und für andere betriebs notwendige Ausgaben.

Außerdem habe ich – was, wie sich in den Gesprächen schnell gezeigt hat, den betroffenen Landwirten vor Ort sehr wichtig war – eine adäquate Auslegung der MEKA-Richtlinie im Sin ne der Landwirte veranlasst. Sie wissen, dass eine ganze Rei he von Fragen auf die Landwirte zukommen, was die Erfül lung von MEKA-Verpflichtungen betrifft. Es darf natürlich nicht sein, dass beispielsweise jemand, der wegen eines Frost schadens im fünften Jahr der Fruchtfolgeverpflichtung nicht in der Lage ist, den Verpflichtungen nachzukommen, nun in die Situation kommt, dass dadurch für die ersten vier Jahre auch noch Rückzahlungen oder Strafzahlungen verursacht werden. Ich glaube, es ist gelungen, im Rahmen der Möglich keiten beim MEKA eine vernünftige Auslegung hinzubekom men. Die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses müss ten inzwischen die entsprechende Richtlinie bekommen ha ben. Falls nicht, ist diese unterwegs; das war am Rande der letzten Ausschusssitzung ebenfalls ein Thema.

Direkte finanzielle Beihilfen für die von Auswinterungsschä den betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe sind gegenwär tig nicht geplant. Wir haben dabei, wie gesagt, das gleiche Verfahren wie die Bayern, die damals bei den Frostschäden im Obst- und Weinbau mit einigem zeitlichen Verzug auf un sere Regelung, auf unsere Verwaltungsvorschrift zurückge griffen haben.

Die Forderung nach direkten Beihilfen kann ich aufgrund der aktuellen Situation in den Betrieben gut nachvollziehen, will aber deutlich darauf hinweisen, dass sich die Situation im Ver gleich zu den Frostschäden 2011 im Obst- und Weinbau ak tuell anders darstellt. Beim Getreide sind, so bitter das für die Betriebe ist, mögliche Auswinterungsschäden Teil des betrieb lichen Risikos. Die Möglichkeit, Sommergetreide einzusäen und dadurch Schäden zu mindern, ist natürlich im Ackerbau im Unterschied zum Obst- und Weinbau gegeben. Gleichwohl

ist uns sehr bewusst, dass das die Schäden natürlich nur mi nimiert, aber nicht ausgleichen kann und es durch die schwie rige Verfügbarkeit beim Saatgut noch eine Erschwernis für viele Landwirte gab. In Südbaden gab es dann bezüglich der Maiswurzelbohrerbekämpfung auch noch eine Sondersituati on, weil gemäß der EU-Richtlinie zur Pflanzenquarantäne die Fruchtwechselfolge gesetzlich vorgeschrieben ist.

Bei Obst und Trauben war es naturgemäß nicht möglich, in eine Neuanpflanzung zu gehen. Da war eine komplette Ernte zerstört. Gleichzeitig mussten die Landwirte dennoch die ge samte kostenintensive Kulturmaßnahme durchführen, also im Grunde weiter kostenträchtig wirtschaften, ohne wirtschaftli chen Erfolg durch eine Ernte einfahren zu können. Das war aber trotzdem notwendig, um die Anlagen für die Folgejahre überhaupt erhalten zu können.

Nach dem europäischen Wettbewerbsrecht – das europäische Beihilferecht ist hier einschlägig – ist darüber hinaus Voraus setzung für eine Beihilfe, dass einzelne Betriebe einen min destens um 30 % geringeren Naturalertrag im jeweiligen Pro duktionsverfahren gegenüber einem dreijährigen Referenz zeitraum haben. Diese Ertragsminderung ist aufgrund der Nachbaumöglichkeiten für Getreide in den konkreten Fällen der Februarfröste kaum darstellbar, vor allem wenn sich das Sommergetreide dann am jeweiligen Standort auch noch gut entwickelt. Hier tritt natürlich auch die Voraussetzung einer Ertragsminderung bei den Landwirten ein, was die rechtliche Fragestellung zusätzlich verkompliziert.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Herr Minis ter, genau die hat es jetzt getroffen, die nachgesät ha ben!)

Ich will auch darauf hinweisen: Die Gewährung der Frostbei hilfe im letzten Jahr war bereits ein Grenzfall, bei dem wir hart an die Spielräume herangegangen sind, die wir im Rah men der europäischen Gesetzgebung haben. Wir waren der Auffassung, dass wir aufgrund des sehr hohen Schadens und der hohen Anzahl der geschädigten Dauerkulturen und damit einhergehender drohender Betriebsschließungen handeln mussten. Allerdings glauben wir, dass wir in der jetzigen Si tuation, so bitter sie für die Betriebe ist, diese Handlungsop tion momentan nicht haben.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Bullinger.

Herr Minister, Sie haben zu Recht gesagt, dass man die Schäden beim Winter getreide durch die Nachsaat von Sommergetreide ausgleichen kann und dass diese Schäden nicht vergleichbar sind mit den Schäden im Jahr zuvor beim Obst- und Gemüsebau oder auch beim Weinbau. Würden Sie das bitte prüfen und darauf dann auch reagieren? Denn ich habe die Befürchtung, dass es ge nau diejenigen, die jetzt versucht haben, diese Winterschäden mit der Aussaat von Sommergetreide zu korrigieren, in den letzten zwei Tagen erneut erwischt hat. Könnte man da eine Sonderregelung finden oder zumindest noch einmal überprü fen, ob man da besondere Möglichkeiten hat, Doppelschäden abzuwenden?

Ich habe es eingangs gesagt: Ich habe

noch keinen Überblick über die Schäden, die sich tatsächlich in den letzten Tagen ergeben haben, zumal Schäden im Obst bau sehr viel schneller feststellbar sind als bei den Ackerkul turen. Wir haben ja mitbekommen: Das Ausmaß der Februar fröste wurde überhaupt erst Mitte/Ende März klar. Erst da wurde sichtbar, in welcher Massivität diese Fröste zu Schä den geführt haben. Insofern bitte ich um Geduld, dass wir jetzt eine adäquate Erhebung der Schäden bei den aktuellen Vor gängen machen, bevor wir die Schäden überhaupt gemeinsam politisch bewerten können.

Ich will Ihre Frage zum Anlass nehmen, noch einen wichti gen Punkt anzusprechen. Ich glaube, die Dichte dieser Vorfäl le, die es gab, von den großen Frösten des letzten Jahres bis zu den Frösten dieses Jahres – das ist jetzt schon der zweite Fall –, macht deutlich, dass wir da einen Handlungsbedarf ha ben. Die Klimaveränderung mit der Zunahme von Wetterex tremen wirkt sich gerade auf die Landwirtschaft massiv aus. Ich glaube, dass es insofern richtig ist, die Diskussion, die wir vor einigen Wochen miteinander im Ausschuss über die Fra ge hatten, wie wir da adäquate Sicherungssysteme hinbekom men, jetzt auch wirklich voranzutreiben.

Ich bedaure sehr, dass auf der Bundesebene im Moment kei ne Bewegung ist; denn im Kern ist es der Bundesgesetzgeber, der handeln müsste. Die Forderung nach einer Steuerrückla gemöglichkeit für die Betriebe, um einen betriebsinternen Ri sikoausgleich vorzunehmen und um die Möglichkeit zu schaf fen, in guten Betriebsjahren Rücklagen für Situationen zu schaffen, wie wir sie jetzt vielfach erleben mussten, wurde im Ausschuss mit breiter Mehrheit vertreten. Gleichwohl sind solche Krisenfälle auch immer Teil des Berufsrisikos des Un ternehmers Landwirt; das ist ebenfalls völlig richtig.

Ich bedaure sehr, dass sich da bundespolitisch im Moment nichts bewegt. Ich würde mir wünschen, dass wir an dieser Stelle gemeinsam vorankommen und beim Bundesgesetzge ber Druck ausüben, um zu einer sinnvollen Lösung zu gelan gen, sodass die Landwirte innerhalb ihrer Betriebsstruktur ei genständig Vorsorge treffen können.

Es liegen zwei weitere Zusatzfragen vor. Da die Zeit fast abgelaufen ist, bitte ich da rum, die Fragen kurz zu fassen und darauf auch kurz zu ant worten.

Herr Kollege Dr. Reinhart.

Herr Minister, Sie haben sich im Nordosten umgeschaut. Vielen Dank dafür.

Steuererleichterungen, sei es durch Streckungen, Stundungen oder Ähnliches, bringen denen nichts, die keine Gewinne ha ben. Denen ist damit nicht geholfen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr lo gisch!)

Die Dreijahresproblematik ist mir bewusst. Im Anschluss an die Ausführungen des Herrn Kollegen Bullinger möchte ich Sie bitten: Schauen Sie sich doch im Sommer die Situation noch einmal an; denn da weiß man mehr, auch was die zu rückliegenden Jahre angeht. Ich glaube, dann können Sie auch einfacher unter Subsumtion des europäischen Beihilferechts agieren.

Ansonsten will ich anmerken, dass es sehr wohltuend aufge fallen ist, dass Sie sich die Problematik vor Ort angeschaut haben.

(Beifall der Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE und Ernst Kopp SPD)

Wenn das jetzt eine kur ze Frage war, dann möchte ich nicht wissen, wie eine lange Frage aussieht.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Herr Kollege Locherer.

Herr Minister, zunächst eine Fest stellung: Ihre Forderung nach einer steuerlichen Risikoaus gleichsrücklage teilen wir alle. Das wäre auch ein Thema, das bei der Ministerkonferenz noch einmal angesprochen werden könnte. Der Ansprechpartner dabei ist aber eindeutig der Bund.

Meine Frage konkret an Sie: Wir hatten bei der Haushaltsde batte Anfang dieses Jahres davon gesprochen, eine dauerhaf te Unwetterhilfe aufgrund der Argumente, die Sie gerade vor getragen haben, einzurichten. Deshalb möchte ich Sie noch einmal konkret fragen: Wie stehen Sie dazu? Mit dieser For derung müssten wir gegenüber dem Finanzministerium ge meinsam auftreten und dies dann bei den Haushaltsberatun gen, die im November anstehen, einbringen.

Vielen Dank für die beiden Fragen. Herr Abg. Dr. Reinhart, vielen Dank für das Lob; das nehme ich gern mit. Natürlich werden wir die Situation dort weiter im Blick behalten und die weiteren Entwicklungen genau verfol gen.

Zu Ihrer Frage, Herr Abg. Locherer: Das Einstellen von Geld im Landeshaushalt löst nicht unser Kernproblem, nämlich dass wir nach dem EU-Beihilferecht nur eine sehr beschränk te Möglichkeit haben, zu handeln. Die gesetzlichen Kriterien, etwa die 30-%-Regelung, bestehen unabhängig von der Fra ge, ob dafür Mittel im Haushalt stehen oder ob diese nach dem Erlass einer entsprechenden Vorschrift eingestellt werden müssen, so, wie wir es beim letzten Mal über den Nachtrags haushalt gemacht haben. Unsere rechtliche Situation und un sere Handlungsfähigkeit würden sich durch das Einstellen ei nes globalen Postens „Risikoausgleich“ – oder wie man den entsprechenden Haushaltstitel nennen würde – nicht wesent lich verändern.

Im Kern sind die Wirkungen solcher Katastrophen nicht ab zuschätzen. Wenn wir demnächst mit den Beratungen über den Doppelhaushalt beginnen, wird es jetzt, im Jahr 2012, denkbar schwierig, abzuschätzen, wie viele Mittel für das Jahr 2014 dafür eingestellt werden sollen. Insofern habe ich gro ßes Verständnis dafür, dass kein Finanzminister, egal welcher Couleur, an solchen Stellen große Posten schafft, für die der Bedarf nicht kalkulierbar ist. Es liegt nahe, dass der Haus haltsgesetzgeber dann, wenn es zu einem konkreten Fall kommt, der einschlägig und im Rahmen des EU-Rechts zu lässig ist, entsprechend die Mittel bewilligt.

Wenn wir wieder in eine solche Situation geraten, dann bitte ich natürlich Sie, den Landtag, als Haushaltsgesetzgeber ent sprechend zur Verfügung zu stehen. Ich glaube, dass wir beim

bisher einschlägigen Fall im europäischen Rechtsrahmen kei ne direkte Beihilfe zahlen können.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Herzlichen Dank. – Lie be Kolleginnen und Kollegen, die Mündlichen Anfragen un ter den Ziffern 4 und 5 können aus Zeitgründen von der Lan desregierung jetzt nicht mehr beantwortet werden. Die 30 Mi nuten, die zur Verfügung standen, sind vorbei. Wenn die Fra gesteller damit einverstanden sind, werden die Mündlichen Anfragen schriftlich beantwortet und die Antworten mit in das Sitzungsprotokoll aufgenommen.