Sieht man einmal auf das, was laut Stichprobenerhebungen im Durchschnitt an Unterricht ausfällt – im Jahr 2011 waren es 2,9 % –, so wird noch deutlicher, wie sehr die 200 Lehrer stellen der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sind.
Natürlich sind das nur grobe Rechnungen. Man könnte der Landesregierung immerhin zugutehalten, dass sie sparen muss und eben nicht mehr Mittel zur Verfügung hat. Aber es ist eben nicht so, dass die Landesregierung ihr letztes Hemd für die Unterrichtsversorgung ausgibt.
Wenn ich das sage, denke ich nicht an die ca. 2 Milliarden € Steuermehreinnahmen des vergangenen Jahres. Vielmehr den ke ich an den demografischen Wandel und die zurückgehen den Schülerzahlen. Frau Warminski-Leitheußer, Ihr Finanz minister brüstet sich mit der Feststellung, dass in diesem Jahr rechnerisch 3 300 Lehrerstellen frei werden. Das heißt, der demografische Wandel birgt ein ungeheures Potenzial für die Bildungspolitik. Doch wofür nutzen Sie von Grün-Rot dieses Potenzial? Jedenfalls nutzen Sie es nicht für die Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Sie nutzen es auch nicht für die weitere Senkung des Klassenteilers, was eine Möglichkeit zur Verbesserung der Lehrer-Schüler-Relation gewesen wäre. Stattdessen schimpfen Sie auf die christlich-liberale Vorgän gerregierung, weil sie den Klassenteiler von 33 Schülern auf 30 Schüler gesenkt hat, und sagen, das sei aus Rücklagen fi nanziert und über 2011 hinaus nicht ausfinanziert gewesen.
Dass Sie über ein Jahr nach dem Regierungswechsel noch im mer nach Sündenböcken suchen, lässt sich psychologisch re lativ einfach erklären: Sündenböcke werden nämlich immer dann gesucht, wenn man von dem eigenen Fehlverhalten ab lenken will.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Zuruf: Sehr gut!)
Hoffentlich beschleicht Sie bisweilen ein schlechtes Gewis sen, wenn Sie für die Finanzierung Ihrer Lieblingsexperimen te – vor allem der Gemeinschaftsschule – große Summen re servieren und diese Summen meines Erachtens viel wichtige ren Baustellen in der Bildungspolitik wie z. B. der Unterrichts versorgung vorenthalten.
Das sehe nicht nur ich so, sondern das sieht beispielsweise auch der Berufsschullehrerverband so. Dieser titelt in einer Pressemitteilung vom 26. April dieses Jahres:
Ich empfehle Ihnen im Namen meiner Fraktion dringend: Schenken Sie den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein ein, und sagen Sie ihnen klipp und klar: „Wir brauchen das Geld
Auf diese Informationen haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht. Eine Regierung des Zuhörens sollte von Zeit zu Zeit auch einmal etwas sagen.
Sonst fragen sich die Menschen in unserem Land irgendwann einmal: „Gibt die Ministerin falsche Auskünfte?“ Das ist üb rigens der Titel eines Zeitungsartikels der „Neckar Chronik Horb“ vom 14. Oktober 2011 über den Unterrichtsausfall im Landkreis Freudenstadt.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wie heißt die Chronik? – Gegenruf der Abg. Rosa Grünstein SPD: „Horror Neckarchronik“!)
Nachdem mich mehrere Hilferufe wegen des großen Unter richtsausfalls an einigen Schulen in meinem Wahlkreis er reicht hatten,
erhielt ich auf eine Kleine Anfrage als Antwort vom Kultus ministerium, es sei nur eine einzige Schule im Landkreis be troffen. Weiter heißt es in der Antwort – Zitat –:
Durch schulinterne Umplanungen und die Einstellung ei ner Vertretungslehrkraft sind die Probleme behoben.
Dass Ihnen die Unterrichtsversorgung alles andere als ein Her zensanliegen ist, wurde spätestens bei den vier Anträgen der FDP/DVP-Fraktion deutlich, die sich auf den Unterrichtsaus fall in den einzelnen Schulen der vier Regierungsbezirke be zogen.
Die beantragte Totalerhebung an allen über 4 000 öffent lichen Schulen des Landes übersteigt bei Weitem die ver fügbaren sachlichen wie personellen Ressourcen der Schulverwaltung und wäre selbst bei verfügbaren Res sourcen innerhalb der gesetzten Frist nicht realisierbar.
Weil sowohl für die Landesregierung als auch für die be troffenen Eltern ein großes Interesse an der Unterrichts situation besteht, wurden die Schulleitungen bereits vor rund 10 Jahren verpflichtet, hierzu wöchentliche Bilan zen zu erstellen und den Elternvertretern auf Antrag Ein sicht in die Bilanzen zu gewähren.
Mit anderen Worten: Der Unterrichtsausfall wird bereits vor Ort erfasst. Aber die Regierung scheut sich, die Zahlen zu sammenzustellen und transparent zu machen. Dabei wäre ei ne solche Erhebung eine wichtige Grundlage, um das Phäno men Unterrichtsausfall zu analysieren und zeitnah Abhilfe zu
schaffen. Machen Sie den Weg frei für eine umfassende Er hebung zum Unterrichtsausfall, und stellen Sie unter Beweis, dass Ihnen dessen Bekämpfung wirklich ernst ist!
Eine solche Erhebung könnte im Übrigen auch belegen, was wir Liberalen schon länger vermuten: Das Problem des Un terrichtsausfalls ist einerseits ein Problem der knappen Mittel und andererseits ein Problem des Einsatzes dieser Mittel. Wenn die Schulen ein eigenes und auskömmliches Budget er halten würden und wenn in dieses Budget nicht nur die Mit tel für die Gewährleistung des regulären Unterrichts und für zusätzliche Angebote, sondern auch Mittel für die Gewinnung von Vertretungslehrern einbezogen würden, könnten die Schu len im Bedarfsfall schnell und unbürokratisch handeln.
Da lohnt sich vielleicht einmal der Blick nach Hessen, wo der zeit Schulbudgets auf den Weg gebracht werden. Zu diesen Freiheiten sollte meines Erachtens gehören, dass die Schulen die Möglichkeit erhalten, Zulagen insbesondere für das An werben von Lehrern in den Gebieten zu gewähren, die von den Lehramtsbewerbern weniger stark nachgefragt werden. Darüber sollte sich die Landesregierung meiner Meinung nach einmal ernsthaft Gedanken machen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Ich muss schon sagen: Das, was ich heute hier von der Opposition gehört habe, ist auf der einen Seite dreist, aber auf der anderen Seite auch unglaublich ignorant.
(Abg. Winfried Mack CDU: Die Wahrheit! – Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Finden Sie einmal einen anderen Ein stieg!)
Herr Wacker, wenn Sie uns allen Ernstes vorwerfen, wir wür den unsystematisch an die Lehrerversorgung herangehen,
Wir geben für Personal, für Lehrerinnen und Lehrer, 8 Milli arden € aus. 8 Milliarden €! Und wir wissen bis heute nicht, an welcher Stelle dieses Geld tatsächlich ankommt.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Lachen bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Große Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Wenn die Kultusministerin fragt, wie viel Unterricht denn tatsächlich ausfällt, dann bekommt sie gera de nicht auf Knopfdruck die Fakten, weil Sie es in den letz ten Jahren und Jahrzehnten versäumt haben,
die Schulämter wissen nicht, was los ist, die Regierungsprä sidien nicht und das Kultusministerium auch nicht.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Seit dem 30. März haben Sie die Zahlen auf dem Tisch! Unglaublich! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Sie disqualifizieren sich selbst! – Glocke des Präsidenten)