Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

Sie sprechen von Einzelfällen. Es gibt einen Erlass seitens Ih res Hauses. Das müssen Sie erst einmal erklären. Das betrach te ich als Skandal, weil Sie hier wissentlich oder unwissent lich vor diesem Hohen Haus, Herr Schmiedel, die Unwahr heit gesagt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Jetzt zu dem strukturellen Defizit. Herr Kollege Lehmann, ich freue mich immer auf einen sehr fachkundigen Dialog mit Ih nen. Deswegen möchte ich schon etwas zu Ihrem Beitrag sa gen.

Warum gab es das strukturelle Defizit an beruflichen Schu len? Das wurde übrigens entlang Ihrer Tabelle immer syste matisch abgebaut. Das gab es nicht, weil es ein Versorgungs problem hinsichtlich der Stellen gab, sondern weil es gerade an beruflichen Schulen und besonders im ländlichen Raum immer einen Mangel an Fachlehrern gab – in den Bereichen Elektronik, Maschinenbau, Informatik, Physik, Mathematik.

Das strukturelle Defizit, das in besonderem Maß an den ge werblichen Schulen entstanden ist, ist einfach deswegen ent standen, weil man die Lehrkräfte nicht bekommen hat. Des wegen hat man für diese Fälle ein spezielles Einstellungsver fahren entwickelt, Frau Ministerin: Man muss sich frühzeitig um diese Personen kümmern. Man muss den Schulen die Möglichkeit geben, sich sehr frühzeitig selbst die Stellenbe setzungen auszusuchen. Man muss den Schulen die Möglich keit geben, für Seiteneinsteiger und Quereinsteiger sehr früh zeitig verbindliche Verträge abzuschließen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Aber das machen Sie nicht. Frau Ministerin, wenn Sie sagen, Sie wollten das strukturelle Defizit abbauen, dann geht Ihre Rechnung deswegen nicht auf, weil Sie nicht mehr die Perso nen finden, um das strukturelle Defizit abbauen zu können.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deswegen, meine Damen und Herren, werden Sie größte Pro bleme haben, das strukturelle Defizit abzubauen – im Gegen teil, es wird weiter steigen, weil Sie ein Missmanagement im Bereich der Lehrerversorgung betreiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol lege Lehmann.

Herr Wacker, Herr Dr. Kern! Ich kann nur sagen: Willkommen im Klub! Ich war schon in der letzten Legislaturperiode Abgeordneter und ha be es genossen, in der Opposition zu sein. Jetzt habe ich die Seite gewechselt.

(Zurufe von der CDU)

Herr Wacker, ich kann mich gut an Schreiben erinnern, die ich genau wegen dieser Problematik, die Sie, Herr Röhm, jetzt auch geschildert haben, an das Kultusministerium geschickt habe. Das ist nicht neu, Herr Wacker, das war schon immer so. Es ist aber schön – ich glaube, es ist auch gut so –, dass Regierungsfraktionen auch einmal in die Opposition kommen, damit auch sie einmal mit der Realität konfrontiert werden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Volker Schebesta CDU: Es gab noch nie keine Krankheits vertretungsverträge!)

Herr Schebesta, seien Sie doch einmal ruhig! – Ich sage Ih nen, wo die reale Problematik liegt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Die reale Problematik sitzt hier!)

Im letzten Jahr, als wir das von Ihnen übernommen haben, hatten wir zum Schuljahresbeginn 2011/2012 1 266 Krank heitsvertretungen. Zum Schuljahresanfang waren schon 1 182 weg. Im Prinzip war nichts mehr da. Herr Schebesta, das war das Ergebnis Ihrer Politik.

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Wenn wir sagen, wir müssen die Zahl der Stellen für die Krankheitsvertretungen erhöhen, dann ist klar: Das wird nur schrittweise gehen. Wir sagen ehrlicherweise, dass wir nicht versprechen können, gewährleisten zu können, dass wir beim Unterrichtsausfall in einem Jahr wieder auf null sind. Herr Schebesta, wir werden Verfahren ändern, was Sie nicht ge macht haben. Wir werden die Stellen für die Krankheitsver tretungen erhöhen. Das haben wir im Haushalt 2012 gemacht.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Und dafür bei den Schöpfmitteln kürzen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir wollen Schöpfmittel, dann können wir handeln!)

Herr Schebesta, es ist putzig, dass Sie, die Sie jahrzehnte lang diese Problematik verpennt haben, auf einmal merken, dass ein Problem vorhanden ist, und jetzt fordern, wir sollten das innerhalb von ein paar Monaten umwandeln.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich finde es fahrlässig, dass hier die Debatte über den ländli chen Raum – –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf Sie bitten, Herrn Abg. Leh mann Gehör zu schenken.

Wenn Sie jetzt in der Op position sind, müssen Sie nicht gleich versuchen, Ihren Stil so zu verändern, dass wir hier keine Debattenkultur mehr haben.

Sie haben gesagt, wir hätten den ländlichen Raum vernach lässigt. Das Lieblingsthema von Herrn Dr. Kern ist, dass die Gemeinschaftsschule alles erdrückt

(Abg. Ulrich Müller CDU: Kann jeder Ort eine Ge meinschaftsschule haben?)

und deswegen keine normale Unterrichtsversorgung mehr möglich ist. Die Ministerin hat es gesagt: Es sind 38 bis ma ximal 60 Deputate, um die es im kommenden Schuljahr geht. Das hat überhaupt nichts mit dem Unterrichtsausfall und den strukturellen Defiziten zu tun.

Ihre Bürgermeister im ländlichen Raum ächzen und wollen eine Schulstrukturreform. Sie nehmen auch das Angebot, ei ne Gemeinschaftsschule einzurichten, an, damit die Kinder nicht mehr in Schulbussen durch das ganze Land gefahren werden müssen. Da haben Sie nichts gemacht.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben die Schulstrukturreform in den vergangenen Jahren verschlafen. Baden-Württemberg hat als eines der letzten Bun desländer am dreigliedrigen Schulsystem festgehalten und versäumt, sich davon zu verabschieden. Sie waren nicht ein mal bereit, den Weg anderer CDU-geführter Bundesländer zu gehen, nämlich den Weg in Richtung eines zweigliedrigen Schulsystems, was für ein Flächenland wie Baden-Württem berg unumgänglich ist. Da müssen wir hin.

Wir werden die Schulstrukturreform angehen. Wir werden auch die Ressourcen für die Krankheitsvertretungen anheben.

Wir werden die Unterrichtsversorgung verbessern, und wir werden im nächsten Jahr an den beruflichen Schulen – da ha ben Sie vollkommen recht – zu den früheren Besetzungsver fahren zurückkommen. Es ist klar: In diesem Bereich muss es frühzeitige Einstellungen geben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völlig richtig!)

Wir werden – das haben wir in den Haushaltsberatungen auch vereinbart – das strukturelle Unterrichtsdefizit an den beruf lichen Schulen in diesem und dem kommenden Schuljahr wei ter abbauen, wenn auch nicht in dem Maß, wie wir das ver sprochen haben. Der Hintergrund ist – Sie kennen ihn alle –: Die Landesverschuldung ist in den letzten 20 Jahren um 100 % von 20 Milliarden € auf 40 Milliarden € erhöht worden. Das sind Zwänge, denen wir natürlich auch unterliegen. Deswe gen können wir das nicht in der ursprünglich vorgesehenen Geschwindigkeit machen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Unruhe – Glo cke des Präsidenten)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Fulst-Blei.

Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn die Frau Ministerin für zwei klare Aus sagen ausdrücklich loben.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Welche? – Zuruf: Dass sie den Ergänzungsbereich abschaffen will! – Abg. Peter Hauk CDU: Für die Verschleie rung!)

Das war zum einen die Aussage, dass wir eine sorgfältige Res sourcensteuerung vornehmen werden. Bemerkenswert war da bei ein Zuruf von Ihrer Seite, wir seien bisher spitze gewesen. Kollege Dr. Kern macht ganz gern immer wieder auf das Prin zip der Wiederholung als pädagogischer Grundlage aufmerk sam.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das hilft bloß nichts!)

Ich sage es Ihnen also noch einmal: Wir haben ein Defizit von 412 Millionen € durch mangelnden Vollzug der k.w.-Vermerke, ein Defizit von 155 Millionen € durch die Bugwelle. Zudem sind 360 Millionen € in der mittelfristigen Finanzplanung nicht finanziert. Insgesamt reden wir also von einer Deckungs lücke von 927 Millionen € nur im Kultusetat.

Das Zweite –

(Der Redner hält ein Dokument hoch.)

ich wollte es eigentlich hier gar nicht zeigen –: Das hier, Kol lege Lehmann, ist die zweite Seite der Medaille. Das ist die Anzahl der Beamtinnen und Beamten, die in Pension gehen werden. Die vorherige Landesregierung hat uns eine Lücke von 70 Milliarden € hinterlassen, für die sie nichts in den Pen sionsfonds eingestellt hat. Das ist doch das, was uns zurzeit im Landeshaushalt – –

(Abg. Peter Hauk CDU: Hören Sie doch einmal mit der Mär auf! Das ist ja unglaublich! Sie wollten doch noch mehr! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: 40 Jahre lang wollten Sie mehr!)

Kollege Hauk, das ist das, was uns im Landeshaushalt im Grunde unter Druck setzt.