Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

Noch einmal: Wir wollen in den kommunalen Parlamenten mehr Frauen. Aber ich sehe natürlich das Problem, dass wir uns geeignete Kandidatinnen nicht einfach backen können. Hier habe ich mir das Attribut „geeignet“ für Kandidatinnen geleistet, denn Sie wissen genau, dass nicht jeder und nicht jede auf einer Liste die Chance hat, gewählt zu werden.

Der typische Fall ist der, dass alle froh sind, die Listen mit aussichtsreichen Kandidatinnen und Kandidaten ausgeglichen besetzt zu haben. Es gibt übrigens auch FDP-Listen, bei de nen man um die Präsenz der Männer fürchten muss – das nur am Rande.

(Oh-Rufe von Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das ist im Landtag nicht der Fall!)

Ich weiß nicht, ob wir damit weiterkommen, dass wir Frauen, bei denen absehbar ist, dass sie nach unserem Wahlrecht kei ne großen Wahlaussichten haben können, zu einer Kandida tur überreden. Wem ist am Schluss damit gedient? Löst man allseits Frust aus? Damit stärkt man den Gemeinderat nicht.

Stattdessen muss es das Ziel sein, die Attraktivität des Gan zen zu erhöhen. Wenn man dem nachgeht und sich mit betrof fenen Kandidatinnen unterhält, dann bekommt man als erstes Stichwort für die Attraktivität die Kinderbetreuung genannt. Das ist interessant. An dieser Stelle können wir einen Blick nach Frankreich werfen. Ich nehme an, dass Sie nachher noch das französische Parité-Gesetz zitieren werden.

Aber man muss wissen: Zum einen ist es schwierig, Frank reich mit uns zu vergleichen, weil in Frankreich tatsächlich

nach einer Liste gewählt wird. Die Besetzung erfolgt zwar ab wechselnd, aber gewählt wird anhand der Liste. Ich komme gleich noch einmal darauf zu sprechen. Außerdem gibt es in Frankreich die beste Kinderbetreuung, die ich kenne; das muss man auch einmal sagen. In Frankreich wird es den Frauen si cher besonders leicht gemacht, auf einer Liste zu kandidieren.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Und den Männern!)

Ein paar Anmerkungen zum Wahlsystem; damit komme ich zum letzten Teil: Wollen wir das Wahlsystem so haben wie beispielsweise in Frankreich? Wenn Sie zwangsweise die Be treffenden auf der Liste aufstellen und davon „herunterwäh len“, dann funktioniert das sicher. Aber dann haben Sie sich von der Persönlichkeitswahl verabschiedet.

Das, was unser Kommunalwahlrecht eigentlich immer auch ausgezeichnet hat, war, dass es eine Persönlichkeitswahl war. Sie ist besonders bürgernah. Das lege ich natürlich gerade den Grünen ans Herz. Wollen Sie dieses System durch einen Ein griff oder durch Zwang zerstören bzw. zumindest in Mitlei denschaft ziehen? Sie dürfen nicht vergessen: So etwas kann auch als Bevormundung empfunden werden. Viele Menschen werden sich fragen: „Muss ich mir eigentlich vorschreiben lassen, wen ich aufstellen soll?“ Wo endet das? Das ist das be rühmte „respice finem“. Müssen dann am Schluss ein Drittel der Kandidaten über 60 und ein Drittel der Kandidaten unter 30 Jahre alt sein? Das sind Themen, die in einem Gemeinde rat alle abgedeckt sein wollen.

Wenn man so weit ist, dann kommt man an den Anfang zu rück: Ich und meine Fraktion würden Ihnen eher davon abra ten, diesen Weg weiterzuverfolgen. Wir sollten gemeinsam diese Debatte und andere Gelegenheiten nutzen, um hinzube kommen, dass die Listen und die Kommunalwahl attraktiv ge nug sind,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

sodass wir genug Kandidaten und vor allem genug Kandida tinnen haben.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Throm.

Herr Präsident, werte Kolle ginnen und Kollegen! Haben wir in den Kommunalparlamen ten zu wenig Frauen? Ja. Bieten die Grünen eine Lösung die ses Problems an? Nein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Der Vorschlag, den die Grünen unterbreiten, ist wenig durch dacht, wenig praktikabel, nicht gerecht, und er ist vor allem verfassungswidrig.

Ja, dass 27 % oder 28 % der Kandidaten auf den Listen der vergangenen Gemeinderatswahlen Frauen sind, ist zu wenig.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wie war das bei der CDU?)

Auch die Repräsentanz des weiblichen Geschlechts in den Gremien, Herr Kollege Sckerl, kann uns keinesfalls zufrie denstellen. Wer als Fraktionsvorsitzender einer Gemeinderats fraktion schon mehrfach an der Aufstellung von Listen mit gewirkt hat, der weiß um die Schwierigkeiten, Frauen, vor al lem geeignete Frauen, aussichtsreiche Frauen, zu gewinnen.

(Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Wie halten Sie es mit Arti kel 3 des Grundgesetzes, Herstellung von Gleichheit? – Abg. Helen Heberer SPD: 50 % der Bevölkerung sind Frauen! „Geeignete Frauen“! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Gute Frauen! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Deswegen sind wir mit Ihnen dabei, zu sagen: Jawohl, Frau en im Fokus! Wir wollen mehr Frauen auf den Listen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Es liegt schon im Eigeninteresse einer jeden Partei, einer je den Wählervereinigung, sich daran messen zu lassen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Throm, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, weil meine Zeit nur be grenzt ist.

(Oh-Rufe von Abgeordneten der SPD)

Aber Sie holen jetzt die gesetzliche Keule heraus. Sie wollen nun auch anderen Parteien das Korsett, das Sie, die Partei der Grünen, sich selbst angelegt haben, anziehen. Das offenbart ein merkwürdiges Demokratieverständnis.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Vor allem stellt es einen Verfassungsbruch dar.

In der Literatur sind sich alle darin einig, dass dieser Vorschlag gegen Artikel 38 des Grundgesetzes verstößt, gegen die all gemeine, freie und gleiche Wahl, gegen das Recht eines je den, zu kandidieren – nach gleichen Grundsätzen –, und ge gen das Recht der Parteien und Wählervereinigungen, die Lis ten nach ihren Vorstellungen aufzustellen.

Vor allem aber verstößt dieser Vorschlag gegen Artikel 21 des Grundgesetzes, die Parteienfreiheit.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wie halten Sie es mit der Herstellung von Gleichheit?)

Sie wollen mit diesem Gesetz in die interne Organisation der Parteien und Wählervereinigungen hineinregieren.

(Vereinzelt Beifall – Ministerin Katrin Altpeter: Völ liger Quatsch!)

Ich habe ja damit gerechnet, Kolleginnen und Kollegen der SPD – zu Ihnen komme ich gleich –, dass Sie mir dies nicht

abnehmen. Dann nehmen Sie es doch bitte der ehemaligen Bundesjustizministerin Zypries von der SPD ab.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Eine gute Frau!)

Eine sehr gute Frau, jedenfalls in diesem Punkt.

Frau Zypries hat in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ im Jahr 2008 Folgendes geschrieben – mit der Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich –:

Eine gesetzliche Quotenvorgabe wäre allerdings verfas sungsrechtlich bedenklich. Neben einer Beeinträchtigung der Gleichheit und Freiheit der innerparteilichen Kandi datenwahl wäre sie – anders als eine satzungsrechtliche Quote – auch ein Eingriff in die Parteienfreiheit.

Und es kommt noch besser:

Außerdem würde eine gesetzliche Geschlechterquote ei nen wichtigen Teil der Wahlentscheidung dem demokra tischen Prozess entziehen und damit den Kerngehalt je der Wahl beeinträchtigen...

So Frau Zypries.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

In der Literatur wird die Zulässigkeit einer gesetzlichen Quotenregelung daher nahezu einhellig verneint.

Frau Kollegin Sitzmann, wenn Sie jetzt die Augenbrauen hochziehen, dann wundert es schon, dass Ihr Gutachter genau diese Stelle offensichtlich nicht gefunden hat. Ich hätte jetzt erwartet, dass dann, wenn ich Frau Zypries zitiere, zumindest auch ein Applaus von der SPD im Protokoll vermerkt werden kann.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)