Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ich gehe davon aus, Frau Kollegin Sitzmann, dass Sie, wenn Sie diesen Vorschlag ernsthaft weiterverfolgen, eine Bauch landung hinlegen werden, und zwar, wie ich hoffe, bereits in der Koalition – da setzen wir auf die Vernunft und die Verfas sungstreue der SPD –, jedenfalls aber vor den Verfassungsge richten.

Es ist auch nicht praktikabel, was Sie vorschlagen. Sie schla gen nämlich Folgendes vor:

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Da muss sich die CDU anstrengen! Das ist richtig!)

Wenn eine Frau zur Verfügung steht, sie aber – aus welchen Gründen auch immer – keine Mehrheit bei der Listenaufstel lung findet – weil sie nicht ins politische Konzept passt, weil sie vielleicht ansonsten Merkmale hat, die man nicht unbe dingt auf seiner Liste haben will –,

(Lachen bei den Grünen und bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was für Merkmale bei Frau en sind das? – Ministerin Katrin Altpeter: In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?)

dann wollen Sie – –

(Vereinzelt Beifall)

Nehmen Sie einmal an, eine Frau ist einschlägig vorbestraft. Auch bei Frauen kann dies vorkommen. Sie will kandidieren; die Partei lehnt diese Kandidatur ab.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Frauen stehen bei Ihnen unter Generalverdacht, oder?)

Dann schlagen Sie Folgendes ernsthaft vor – ich zitiere Ihren Gutachter mit Erlaubnis des Präsidenten –:

Soweit kein Bewerber oder keine Bewerberin auf den Lis tenplatz gewählt wurde, ist es die unabdingbare Folge der Vorgabe der paritätischen Besetzung, dass auch ein Lis tenplatz des anderen Geschlechts wegfallen muss.

Das heißt, diese Partei oder Wählervereinigung muss auf zwei Kandidaten verzichten,

(Glocke des Präsidenten)

und das schmälert ihre Wahlchance.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Drexler?

Nein, ich gestatte keine Zwi schenfrage, weil wir noch Zeit für die zweite Runde brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich dachte eigentlich, die wildesten Zeiten des Geschlechterkampfs seien vorbei. Aber Sie, Frau Kollegin Sitzmann – jedenfalls wenn ich es der Presse richtig entneh me –, gerieren sich als junge Alice Schwarzer des Landtags von Baden-Württemberg.

(Lachen bei den Grünen)

Doch selbst Alice Schwarzer hat erkannt, dass sich die Zeiten geändert haben.

Deswegen: Lassen Sie uns – ähnlich wie Kollege Goll – das Problem politisch lösen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Lassen Sie uns argumentieren, lassen Sie uns geeignete Kan didatinnen und Kandidaten finden, lassen Sie den Wähler, die Wählerin entscheiden,

(Abg. Helen Heberer SPD meldet sich. – Abg. Helen Heberer SPD: Wortmeldung! – Zuruf des Abg. Wolf gang Drexler SPD)

lassen Sie die Bevormundung. Auch wir, die CDU – dies sa ge ich Ihnen zu –,...

(Ministerin Katrin Altpeter: Was ist jetzt „geeignet“?)

Herr Kollege Throm.

... wollen Frauen stärker in den Fokus nehmen, auf die Liste bringen. Aber wir wollen echte Gemeinderätinnen und Kreisrätinnen und keine Quo tenfrauen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo! – Ministerin Katrin Altpeter: Was sind falsche?)

Herr Kollege Throm, es liegen noch zwei – –

(Zurufe)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kollegin Sitzmann.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Jetzt kommt Alice Schwarzer!)

Liebe Kolleginnen und Kol legen! Das waren jetzt interessante Aufschläge, die Sie ge macht haben. Das Angebot des Kollegen Goll, in einen Wett streit um die besten Vorschläge einzutreten, nehmen wir gern an. Aber wir müssen erst einmal schauen, wie die Situation heute ist.

(Die Rednerin hält ein Plakat hoch.)

Wenn wir uns den Frauenanteil in Gemeinderäten und in Kreistagen in Baden-Württemberg anschauen, stellen wir fest, dass lediglich 22 % der Gemeinderäte weiblich sind. Im Kreis tag sind es noch deutlich weniger; da sind es 16 %.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wir stellen außerdem fest, dass in den letzten Jahren der An stieg des Frauenanteils in Richtung 50 % sehr gemächlich vo rankam. Von 1994 bis 2009 betrug der Anstieg im Schnitt ei nen Prozentpunkt pro Kommunalwahl. Wenn wir sagen, wir haben das Ziel „die Hälfte für die Frauen“ – immerhin sind 52 % der Wahlberechtigten in Baden-Württemberg weiblich –, und uns als Ziel 50 % setzen,

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das haben die Frauen ja in der Hand!)

dann brauchten wir bis dahin nur noch 28 Kommunalwahlen. Da diese alle fünf Jahre stattfinden, brauchten wir noch ca. 140 Jahre, bis wir die Parität erreicht haben. Meine Damen und Herren, ich kann sagen: Uns ist das entschieden zu lang sam.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wir müssen feststellen, dass in der Vergangenheit sämtliche Appelle, Mentoringprogramme, Seminare und was es da al les gegeben hat eben nicht dazu geführt haben, dass Frauen angemessen an der Politik beteiligt und angemessen repräsen tiert sind.

Wenn wir uns anschauen, woran es liegt, dann stellen wir fest: An uns Grünen liegt es nicht. Denn bei uns beträgt der Frau enanteil in den Gemeinderäten und den Kreistagen über 40 %.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Vorbildlich!)

Wodurch haben wir das erreicht? Durch Listen mit dem Reiß verschlussverfahren. Es hätte Ihnen allen, Ihnen von der FDP und auch Ihnen von der CDU, in den vergangenen 15 oder 20 Jahren selbstverständlich freigestanden,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

einen ähnlichen Weg zu gehen – allein Sie haben es nicht ge tan. Das führt dann eben dazu, dass insbesondere der Anteil

der Gemeinderätinnen mit einem CDU- oder einem FDP-Par teibuch im Vergleich deutlich geringer ist als der entsprechen de Anteil bei den Grünen oder der SPD. Der Nachholbedarf, meine Damen und Herren,

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

besteht bei Ihnen.