Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Heiterkeit)

Natürlich lebt ein Spiel auch von Emotionen, von der Stim mung auf den Rängen. Es gibt mannigfache Arten, seine Un terstützung und seine Freude auszudrücken. Die Kreativität von Fußballfans ist beeindruckend. Sie unterstützen ihre Klubs auf vielfältige Art und Weise.

Derzeit gibt es Bestrebungen, Pyrotechnik im Stadion in be grenztem Umfang zuzulassen. Dieses Ziel verfolgen die so genannten Ultras, die sich die Wiederbelebung einer Art ur sprünglicher Fankultur auf die Fahnen geschrieben haben. Das Abbrennen von Pyrotechnik, insbesondere von sogenannten bengalischen Feuern, ist lebensgefährlich. Bengalische Feu er haben im deutschen Fußball keine Tradition; so soll es auch bleiben. Bengalische Feuer und Leuchtraketen gehören nicht ins Stadion. Man nimmt ja eine Axt auch nicht in die Flug zeugkabine mit – außer man ist Landesvorsitzender der Grü nen.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf der Abg. Helen Hebe rer SPD)

Spieler und Verantwortliche in den Klubs müssen Vorbilder sein. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, dass ein Düsseldor fer Spieler auf dem Platz mit einem bengalischen Feuer han tiert hat,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

dann muss dies Konsequenzen haben.

Meine Damen und Herren, der Titel dieser Aktuellen Debat te ist ein bisschen unpräzise; denn Gewalt findet nicht nur in den Stadien statt. Auch im Stadionumfeld, auf Autobahnrast stätten oder bei den Bahnanreisen kommt es zu Übergriffen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist alles gemeint!)

Die Gefahr, die von Gewaltbereiten ausgeht, ist mittlerweile so groß, dass sie den ordnungsgemäßen Spielbetrieb in den Ligen gefährdet.

Jetzt komme ich, Herr Sakellariou, zum „Hellseher“, zu In nenminister Gall. Ich darf aus einer Pressemitteilung vom 17. Juni 2011 zitieren:

„Die Zahlen der Saison 2010/2011 bestätigen den posi tiven Trend der vorangegangenen Saison bei Einsätzen der Polizei...“ Die beim Sicherheitsgipfel Fußball im Jahr 2009 beschlossenen und umgesetzten Maßnahmen seien weiterhin erfolgreich.

Es ist also mitnichten so, dass es einen stetigen Anstieg der Zahl der Gewaltbereiten gäbe, sondern wir hatten einen posi tiven Trend, der sich in dieser Saison aber leider wieder um gekehrt hat.

Die Gewaltbereitschaft insgesamt geht zurück, aber die Grup pe der Problemfans wächst. In Baden-Württemberg gelten et wa 1 400 Personen als gewaltbereit – im Übrigen nicht nur im Umfeld der Profiligen. Auch im Amateurbereich gibt es zu nehmend Probleme. Gewalt in den Stadien ist nicht nur ein Thema für Polizei und Ordnungskräfte, für Klubs und Fanbe auftragte. Sie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Da her muss die klare Botschaft der Gesellschaft insgesamt sein: keine Gewalt.

Was ist zu tun? Zuerst einmal ist sauber zu unterscheiden zwi schen Hooligans, Ultras und Fans. Es sind nur einige wenige, die Gewalt in die Stadien tragen. Wir brauchen ein konsequen tes Vorgehen gegen diejenigen, die sich nicht an Regeln hal ten und sich alles herausnehmen.

Mit aller Härte sind Staat, Verbände und Vereine gegen Hoo ligans vorgegangen und haben Erfolge erzielt. Die Übergrif fe durch Hooligans sind deutlich zurückgegangen. Sie mei den immer häufiger das Fußballumfeld.

Sorgen machen mir zunehmend die Ultras. Das sind fanati sche Anhänger ihrer Mannschaft, die ihren Verein immer und überall bestmöglich unterstützen wollen. Einerseits stellen sie eine Bereicherung für die Fankultur dar, etwa durch Choreo grafien, andererseits gibt es unter ihnen aber auch viele, die ein sehr kritikwürdiges Verhältnis zur Polizei und einen völ lig inakzeptablen Ansatz im Umgang mit der Polizei haben.

Ich darf aus einer Broschüre der Ultras zitieren:

Sei dir immer bewusst, dass die Polizei ein Teil des Re pressionsapparates und nicht der Freund und Helfer von aktiven Fußballfans ist.

Den Ultras sagen wir da klar und deutlich: Die Regeln gelten auch für euch; ihr habt die Wahrheit darüber, wer die echten Fans sind, nicht gepachtet. Gewalt schadet eurem Verein und schadet diesem Sport.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Mit Leuchtraketen auf Polizeibeamte und Ordner zu zielen ist kein Kavaliersdelikt. Anderen Fans Schals, Fahnen und ande re Utensilien abzunehmen ist kein Spaß, sondern schlicht Raub, kriminell. Das geht nicht; das gilt auch für Ultras.

Wir brauchen zwei Dinge: klare Ansagen und null Toleranz bei Gewalt auf der einen Seite, Dialog und Präventionsarbeit auf der anderen Seite.

Kürzlich wurde der TV-Vertrag für die Bundesliga, der Ein nahmen in Höhe von 2,5 Milliarden € vorsieht, neu verhan delt. Das sind 50 % mehr als in den vergangenen Jahren. Wenn nur 1 % dieser zusätzlichen Einnahmen in Fanprojekte ge steckt würden, dann könnte man mit diesem Beitrag alle Fan projekte der Ligen 1 bis 3 durchfinanzieren. Gemeinsam mit den 3 Millionen € von DFB und DFL stünden dann 10 Milli onen € für den Profifußball zur Verfügung. Wenn sich das Land und die Kommunen dann aus der Drittelfinanzierung im Hinblick auf den Profifußball verabschieden würden, könn ten sie sich auf den Bereich Amateurfußball konzentrieren. Das wäre ein deutliches Signal gegen Gewalt und auch für die Fanprojekte.

Herr Minister, Sie haben gesagt, es sei Zeit zum Handeln. Handeln Sie, bringen Sie in Baden-Württemberg alle an einen Tisch, und ziehen Sie auch den Vereinen in Sachen Stadion verbote die Daumenschrauben an. Stadionverbote müssen konsequent, aber für die Betroffenen auch nachvollziehbar durchgesetzt werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Krawallmacher vom 15. Mai in Karlsruhe. Ermahnen Sie die Klubs und den DFB, härter gegen die Ultras vorzugehen! Sie haben dabei unsere volle Unterstützung.

Die Vereine brauchen Hilfestellung beim Umgang mit gewalt bereiten Gruppen, bei der Schulung von Fanbeauftragten und Ordnern.

Bei Gewalt spielt häufig der Alkohol eine verhängnisvolle Rolle. Wann wird in Fanzügen bei Problemspielen der Alko

holkonsum untersagt? Warum werden Fanblöcke nicht kon sequent mithilfe von Videotechnik – auch mobiler Videotech nik – besser überwacht? Was nützen die besten Kameras, wenn nicht ein striktes Vermummungsverbot in den Fanblö cken durchgesetzt wird?

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Warum wird am Stadioneingang nicht strenger kontrolliert? Warum verpflichten sich die Medien nicht, bengalische Feu er nicht auch noch als Kunstwerk zu feiern?

Lassen Sie uns gemeinsam – Staat und Kommunen, Polizei und Vereine, Verbände und Fanklubs – daran arbeiten, dass Gewalt in den Stadien und um die Stadien herum geächtet wird. Wir dürfen uns auf den Erfolgen in der Vergangenheit nicht ausruhen. Lassen Sie uns heute die Botschaft aussenden: Wir bekämpfen gemeinsam Hass und Gewalt im Fußball.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der SPD so wie des Abg. Jürgen Filius GRÜNE)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Sckerl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Wir sind uns in der politischen Botschaft des Tages ei nig: Wir verurteilen gemeinsam Gewalt in und um die Stadi en. Wir wollen einen friedlichen, freudvollen Fußball, an dem sich wie bisher Millionen Bürgerinnen und Bürger erfreuen können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das, was wir in den letzten Wochen gesehen haben – es ging immer um Entscheidungen hinsichtlich Abstieg, Verbleib oder Relegation –, wo Nerven, Emotionen eine große Rolle gespielt haben, hat uns erschreckt, in Karlsruhe, aber ebenso in Düs seldorf oder anderswo. Es ist völlig klar, dass wir da eine kla re Ansage machen müssen: Keine Toleranz für Gewalt – wel cher Art auch immer – in unseren Stadien und im Sport ins gesamt.

(Zuruf des Abg. Heribert Rech CDU)

Das ist auch die Botschaft der Grünen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir sagen aber gleichzeitig: Dies ist kein neues Phänomen. Wir diskutieren immer dann sehr aufgeregt, wenn solche Er eignisse gehäuft, wie jetzt zum Saisonende, auftreten. Der All tag – fragen Sie einmal die Polizei in Baden-Württemberg – sieht schon seit Langem so aus – das hat sich leider eingebür gert –, dass bis in die unteren Ligen – vierte und zum Teil fünf te Liga – gewalttätige Auseinandersetzungen rund um Ama teurspiele die Regel sind. Das gilt für Baden-Württemberg ge nauso wie für andere Bundesländer. Die Gewaltbereitschaft ist insgesamt zurückgegangen, aber der Kern von gewaltbe reiten Fans hat sich vergrößert. Das ist eine richtige Analyse.

Deshalb sind wir gefordert, nachhaltig und mit langem Atem Maßnahmen zu ergreifen. Ich halte überhaupt nichts davon, heute wieder „dicke Arme“ zu machen, klare, markige Worte zu finden und zu sagen: „Liebe Fans, passt auf, jetzt habt ihr

neue Durchsuchungen an Stadioneingängen und sonstige Maß nahmen zu gewärtigen“, in den Bereichen aber, in denen es wirklich darauf ankommt, wenig oder nichts zu tun. Das ist das Thema Prävention; das ist der Dialog mit den friedlichen Fans, mit ihren Gruppen, und es ist vor allem die Aufgabe, mit all jenen gemeinsam in die Fankultur insgesamt hinein zuwirken. Dieses Kunststück muss tatsächlich vollbracht wer den. Das ist die Aufgabe der nächsten Monate.

Ich bin sicher: Das ist auch das Ziel des Innenministers, wenn er in der Sommerpause – diese Zeit, bevor die neue Saison be ginnt, ist ganz wichtig – zu runden Tischen für Bestandsauf nahmen und zur Verabredung von Maßnahmen, die zukünftig erfolgen sollen, einlädt. Da sind alle sehr stark gefordert.

Es macht sicher Sinn, heute nochmals über einzelne Maßnah men oder über einen Katalog von Maßnahmen, um die es ge hen könnte, zu diskutieren. Aber ich bin schon sehr dafür, die se markigen Worte zu vermeiden. Es geht um eine klare An sage gegen Gewalt, aber gleichzeitig auch darum, sich die Fanszene und die Situation in der nötigen Differenziertheit anzuschauen. Die ganz große Mehrheit der Fans – das wissen wir alle – sind friedlich. Sie wollen Fußball schauen, sie le ben Fußball, sie lieben Fußball und haben mit Gewalt nichts am Hut.

Kollege Pröfrock hat völlig recht, wenn er auch bei den Ult ras differenziert. Auch uns ist daran sehr gelegen. Ultras sind per se keine Gewalttäter. Der Begriff „Ultras“ stammt aus der englischen Fußballtradition.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Nein, aus der italie nischen!)

Es ist die starke, leidenschaftliche Identifikation mit dem Ver ein, die Ultras zunächst einmal auszeichnet. Darüber wird sehr undifferenziert diskutiert. Es gibt Broschüren, die nicht er scheinen dürften – gerade die, aus der Sie zitiert haben. Das heißt, da sind die Übergänge sehr fließend geworden. Ich sa ge aber dennoch, dass es keinen Sinn macht, die Ultras per se als Gewalttäter zu verurteilen. Vielmehr gibt es auch UltraFangruppen – auch beim VfB gibt es solche Fangruppen –, mit denen man sehr gute Dialoge führen kann und die dann ihrerseits beim Thema Pyrotechnik und bei anderen Themen in diese Fankultur hineinwirken und sagen: „Leute, es hat kei nen Sinn. Wir müssen von Gewalt ablassen. Wir wollen ge meinsam friedlichen Fußball. Wir schaden insbesondere auch unserem Verein.“

Das sind Ansätze, die es gegeben hat, die aber ganz sicher noch verstetigt werden müssen. Da haben wir Nachholbedarf. Da gab es immer wieder Initiativen, die nationale Kooperati on, die die Taskforce Sicherheit, die DFL und DFB angefragt haben. Das alles ist nach unserem Dafürhalten nicht so rich tig in die Gänge gekommen. Wir brauchen das richtige Ver hältnis von polizeilicher Präsenz, Prävention und guter Zu sammenarbeit mit der Fankultur. Dazu, wie das gehen könn te, in der zweiten Runde mehr.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Professor Dr. Goll.