Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Mehr Demokratie ist uns ein wichti ges Anliegen. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern in den Kommunen mehr Möglichkeiten zur Beteiligung, zum Mit machen und zum Gestalten des politischen Alltags in den Städten, Gemeinden und Landkreisen geben.
Unser Paket für mehr Demokratie besteht aus mehreren Tei len. Ein Teil umfasst das Thema Bürgerbegehren, Bürgerent scheide.
Hier wollen wir Vereinfachungen durchführen. Wir wollen auch die Bauleitplanung bürgerentscheidsfähig machen.
Ein zweites Kapitel ist das Thema „Wahlalter ab 16 und die Rechte des Jugendgemeinderats“. Damit verbinden wir ein klares Bekenntnis, dass Politik auch für junge Menschen at traktiv sein soll.
Unter der damaligen Regierung sind die Vorstöße für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie regelmäßig ge scheitert.
Heute diskutieren wir über den Gesetzentwurf zur Direktwahl der Landrätinnen und Landräte. Ich sage für die Fraktion GRÜNE ganz klar: Die Direktwahl der Landrätinnen und Landräte kommt, ohne Wenn und Aber.
In Bundesländern, die die Direktwahl der Landräte vorsehen, nehmen die Landräte eine Doppelrolle ein: zum einen die Rol le als Leiter der unteren Verwaltungsbehörde, zum anderen auch als Sitzungsleiter im Kreistag. Das ist in Bayern, Bran denburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen so. Der Landrat oder die Landrätin ist also für die Erledigung der kreiskommunalen Aufgaben zuständig. Ich denke beispiels weise an das wichtige Feld der Berufsschulen; ich denke an die Abfallwirtschaft. Hier erfüllen die Kreise eine wichtige Aufgabe.
Die Liste lässt sich fortführen. Wir können über die Kranken hausversorgung reden oder über die Eingliederungshilfe oder über die Jugendhilfe; in unseren Augen sind das wichtige Auf gaben.
Weil die Landrätinnen und Landräte als oberste Verwaltungs beamte und als Leiter der Kreistagssitzungen eine wichtige steuernde Funktion haben, die Beschlüsse des Kreistags vor bereiten und umsetzen, sollen sie entsprechend dieser wichti gen Bedeutung auch direkt von den Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis gewählt werden.
Das mag für Baden-Württemberg neu sein, ist aber in vielen anderen Bundesländern gängige Praxis. Denn mit der Direkt wahl des Landrats nehmen die Bürgerinnen und Bürger un mittelbaren Einfluss auf eine wichtige Personalentscheidung in ihrer Region.
Die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Re gion und den kreiskommunalen Aufgaben gewinnt somit deut lich an Bedeutung. Denn dadurch haben die Bürgerinnen und Bürger ein wesentliches Mitgestaltungsrecht bei der zukünf tigen Ausrichtung der Kreispolitik.
Natürlich gibt es im Vorfeld der Wahl des Landrats oder der Landrätin eine programmatische Diskussion. Im Einzelfall
wird es sogar dazu kommen – wie bei Oberbürgermeisterwah len –, dass wir einen Wahlkampf im Landkreis haben. Das ist völlig normal, und das trägt auch zu einer öffentlichen Debat te über die Erfüllung kreiskommunaler Aufgaben bei. Die Bür gerschaft kann dadurch mitbestimmen, welchen Stellenwert die jeweilige Aufgabe im Landkreis hat und wie das dann fi nanziert wird.
Daher, Herr Kollege Goll: Vom Grundsatz her ist das Anlie gen der FDP/DVP zu begrüßen. Das Thema zieht jedoch sehr umfangreiche Rechtsfragen nach sich.
Herr Kollege Schwarz, wenn das alles so ist, wie Sie es jetzt beschrieben haben, wie passt das dann mit Ihrer Ankündigung zusammen, dass Sie die Land kreise ohne Wenn und Aber auflösen wollen?
Lieber Herr Kollege, kön nen Sie mir sagen, zu welchem Zeitpunkt ich die Auflösung der Landkreise gefordert haben soll?
Das war Ihr Ministerpräsident, der das für eine mögliche neue Wahlperiode in Regierungsverant wortung angekündigt hat –
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Unsinn! Die Kreise ha ben eine Verfassungsgarantie! Die kann man nicht auflösen! – Weitere Zurufe)
Herr Kollege, wenn ich die Inhalte meines Studiums des öffentlichen Rechts noch richtig im Kopf habe, dann ist es so, dass man die Landkreise an sich nicht auflösen kann.
(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: So ist es! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Aber Regionalkreise bilden! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Landkreise stär ken!)
Sie haben mich gefragt, ob wir die Landkreise auflösen wollen. Dazu sage ich, dass die Auflösung der Landkreise als Institution verfassungsrechtlich bedenklich ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)
Es sind noch juristisch schwierige Fragen zu beantworten. Ich gehe davon aus, dass Kollege Heiler diese Rechtsprobleme noch einmal darstellen wird. Ich nenne einfach einmal die Fra ge: Brauchen wir überhaupt ein Quorum? Welche weiteren Wählbarkeitsvoraussetzungen müssen gegeben sein?
Wir müssen auch das Thema Übergangszeitraum klären. Wir müssen auch den Umstand besprechen, dass wir einen Zeit raum haben, für den die Landräte noch vom Kreistag gewählt sind, aber andere Landrätinnen und Landräte bereits direkt ge wählt sind.
Kurzum, ich fasse zusammen: Das politische Bekenntnis zur Direktwahl der Landrätinnen und Landräte besteht. Aber wir wollen einen Schritt nach dem anderen gehen.
Im Jahr 2014 finden die nächsten Kommunalwahlen statt; da her haben andere Themen Priorität. Danach kommt auch die Direktwahl der Landrätinnen und Landräte auf die Tagesord nung.