Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Ich mache den einen halben Tag, der Nächste macht den anderen halben Tag. – Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte vorhin das seltene Vergnügen, den Ministerpräsidenten zu zitieren. Ich tue es jetzt sogar noch einmal. Er hat gesagt: „Eine gute Op position regiert mit.“ Genau das machen wir jetzt.
Das Stichwort ist bekannt. Es geht um die Einführung der Di rektwahl der Landrätinnen und Landräte. Diese Direktwahl gibt es in sehr vielen Bundesländern. Man muss sagen, für Flächenstaaten ist die Direktwahl eine absolut typische Form, u. a. für Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Ich könnte jetzt dar auf verweisen, dass dieser Vorschlag, die Direktwahl der Land räte einzuführen, in Ihrer Koalitionsvereinbarung auf Seite 60, im Wahlprogramm der Grünen auf Seite 227 und im Wahlpro gramm der SPD auf Seite 90 steht. Jetzt könnte man natürlich ironisch fragen: Spricht das überhaupt dafür, dass wir das ma chen?
Es gibt in der Tat auch Einwände; das ist völlig klar. Aber ich sage deutlich: Wir leben in einer Zeit, in der man sich schon Gedanken macht: Wie kann man die Mitbestimmungsmög lichkeiten der Menschen noch erweitern? Manche tun gerade so, als wäre mit Stuttgart 21 sozusagen eine Zeitenwende an gebrochen, was die Bürgerbeteiligung angeht. Das halte ich bei Weitem für übertrieben. Aber wir alle sollten uns überle gen: Wo gibt es eigentlich noch Möglichkeiten, die Bürgerin nen und Bürger direkter an der Entscheidung zu beteiligen? Das halte ich für richtig. Dabei muss einem natürlich die Di rektwahl der Landräte förmlich ins Auge springen, die bei spielsweise im Nachbarland Bayern seit Jahrzehnten mit gro ßem Erfolg praktiziert wird.
Bayern hat ein Problem nicht – das muss man hier deutlich sagen –, nämlich das Problem der Wahlbeteiligung. Es gibt einen ernsthaften Einwand, nämlich in puncto geringe Wahl beteiligung. Wie sieht es aus mit einem Wahlkampf in einem großen Landkreis?
Deswegen haben wir in unseren Vorschlag, den wir Ihnen ma chen, auch die Regelung eingebaut, dass, wenn sich weniger als 15 % der Wahlberechtigten für eine Person entscheiden, das Wahlrecht wieder auf den Kreistag übergeht. Das ent spricht dann also wieder der bisherigen Methode. Das ist so zusagen die Notbremse für den Fall schlechter Wahlbeteili gung.
Aber man muss es deutlich sagen: Wenn man die bayerischen Wahlen Revue passieren lässt – dort wird seit Jahrzehnten di rekt gewählt –, dann stellt man fest: Es wäre keine einzige Wahl in Bayern an diesem Quorum gescheitert. Dort wurden Spitzenwerte von über 70 % Wahlbeteiligung erreicht. Es hängt also sehr davon ab, in welcher Konstellation das statt findet, welche Kandidatinnen und Kandidaten antreten, ob es politisch gerade besonders spannend wird, und auch, ob es mit einer anderen Wahl verbunden ist; das kann natürlich hilfreich sein.
Deswegen haben wir in unseren Vorschlag auch aufgenom men, dass man diese Wahl, wenn möglich, wenn es mit den Laufzeiten der jeweiligen Wahlperioden in Einklang zu brin gen ist, mit anderen Wahlterminen zusammenlegen kann. Die Kernaussage ist also: Direktwahl, dann das Quorum, und dann unter Umständen die Möglichkeit, die Wahlen entsprechend zusammenzulegen, wenn sich dies ergibt.
Wir glauben, dass wir auch in Baden-Württemberg den Ver such machen sollten, die Menschen direkter zu beteiligen.
Der Gesetzentwurf enthält übrigens noch kleinere Ungereimt heiten, etwa beim Mindestwahlalter bei Landräten oder bei Bürgermeistern. Aber im Kern ist völlig klar, was wir meinen, was wir vorschlagen. Wir bitten um Zustimmung zu diesem Vorschlag.
Ich darf allerdings sagen – deswegen habe ich bewusst die Programme und den Koalitionsvertrag zitiert –, dass wir, nach dem jetzt ein Jahr ins Land gegangen ist und man von dieser Forderung gar nichts mehr hört,
mit diesem Gesetzentwurf auch ein bisschen die Gretchenfra ge an Grün-Rot stellen: Wie haltet ihr es eigentlich mit den Landkreisen?
Insofern sind wir gespannt, ob Sie jetzt das tun werden, was logisch zwingend wäre, nämlich diesen Vorschlag rasch um zusetzen.
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Der hätte Land rat werden können, wenn er gewollt hätte! – Abg. An dreas Schwarz GRÜNE: „Landrat Karl Klein“! – Zu ruf: Der ist befangen! Er kann nicht sprechen!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das The ma „Direktwahl der Landräte“ ist kein neues Thema, sondern darüber wurde in der Vergangenheit schon das eine oder an dere Mal diskutiert, insbesondere in den Reihen der damali gen Opposition, seitens der SPD oder natürlich auch der Grü nen. So hätte man eigentlich heute erwarten dürfen, dass ein Gesetzentwurf der neuen Landesregierung zu diesem Thema vorgelegt wird. Aber nach meiner Ansicht erweckt sie derzeit nicht den Eindruck, dass sie dieses Thema anzupacken und vor allem auch umzusetzen gedenkt.
Vielleicht ist das auch damit verbunden, dass jetzt eine Poli zeireform durchgeführt wird und eine Verwaltungsreform folgt, die vielleicht auch zur Folge hat, dass es keine Land kreise mehr gibt und dann in der Tat auch keine Landräte mehr zu wählen wären.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir, die CDU-Land tagsfraktion, haben uns sehr intensiv mit dieser Frage beschäf tigt. Wir haben es uns auch nicht leicht gemacht. Das sind wir, glaube ich, unseren Wählern auch schuldig. Wir sind nach ei ner umfassenden Diskussion und nach Abwägung des Für und Wider zu dem Ergebnis gekommen, unter den derzeitigen kommunalverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten die Land räte auch zukünftig durch die jeweiligen Kreistage wählen zu lassen.
Zur derzeitigen Aufgabenstellung eines Landrats: Ich glaube, die Wählerinnen und Wähler wissen eigentlich gar nicht hun dertprozentig Bescheid, was die Aufgabe eines Landrats ist. Nach den derzeitigen Gegebenheiten und nach den kommu nalverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten sind ca. 80 % der Aufgaben, die ein Landrat bzw. ein Landkreis zu erledigen hat, gesetzliche Aufgaben. Hier hat der Landrat überhaupt nicht die Möglichkeit, irgendwo etwas im Sinne eines Wäh lers zu beeinflussen oder zu entscheiden. Nur ca. 20 % sind kommunale Aufgaben, bei denen ein Landrat, auch über die Fraktionen, Möglichkeiten hat, einzuwirken. Unter diesen Vorgaben würde eine Volkswahl dem Wähler Möglichkeiten und Zuständigkeiten eines Landrats suggerieren, die dieser tatsächlich nur in einem sehr eingeschränkten Maß hat.
Bei einer Volkswahl – das ist unsere Auffassung – müssen die Wähler auch davon überzeugt sein, dass die zu wählende Per son die Möglichkeit hat, auf die entsprechenden Entscheidun gen Einfluss zu nehmen. Dies ist gerade im Gegensatz zu ei nem Oberbürgermeister oder Bürgermeister bei einem Land rat nicht in diesem Maß der Fall.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist: Wir haben eine sehr gute, ei ne sehr erfolgreiche und eine sehr bewährte Kommunalver fassung. Die Volkswahl der Landräte war, wie ich schon sag te, immer wieder einmal Gegenstand der Diskussion. Aber Hand aufs Herz: Aus rein sachlichen Gründen hat sie in Ba den-Württemberg wirklich noch niemand vermisst.
Dies zeigen auch die Wahlbeteiligungen in anderen Ländern. Bayern wurde – mit den entsprechenden Ausnahmen – ange sprochen. Aber die Zahlen in anderen Bundesländern spre chen eine ganz andere Sprache. Dort ist die Wahlbeteiligung viel geringer. Aus diesem Grund denken viele Bundesländer auch schon darüber nach, eventuell davon abzurücken und die Wahl des Landrats wieder den Kreistagen zu überlassen.
Zudem, meine sehr geehrten Damen und Herren – auch das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt –, würden wir bei der Di rektwahl eines Landrats eine deutliche Verschiebung der Kräf teverhältnisse von dem Landkreis auf die entsprechenden Kommunen hinnehmen. In der Tat ist die Frage, ob wir dies wollen. Vor allem müssen wir auch hinterfragen – das ist die tiefer gehende Frage –, ob wir unsere Kommunalverfassung in dieser Hinsicht ändern wollen. Der Landrat würde in sei ner Stellung gestärkt, die Oberbürgermeister bzw. Bürgermeis ter und die Kommunen in ihrer Aufgabenstellung eher ge schwächt. Dies würde Auswirkungen nach sich ziehen, die ich aufgrund der kurzen Redezeit leider nicht vertiefen kann.
Eine Volkswahl der Landräte würde meines Erachtens dieses Amt zusätzlich und unnötig politisieren. Erfahrungen – auch aus anderen Wahlen, bei denen Landräte direkt gewählt wer den – zeigen, dass da bundespolitische oder landespolitische Ereignisse vielleicht eine größeren Rolle spielen als die Er eignisse in dem betreffenden Landkreis oder die Qualität und die Eignung des jeweiligen Bewerbers.
Zudem stellt sich mir, wenn ich meinen Heimatlandkreis, den Rhein-Neckar-Kreis mit 530 000 Einwohnern, in den Blick nehme, die Frage: Wie will da ein Bewerber überhaupt eine Wahl organisieren und vor allem eine Wahl finanzieren? Dies kann in dieser Größenordnung kein Kandidat persönlich leis ten.
Auch das Land spricht unter den derzeitigen Vorgaben bei der Besetzung dieses wichtigen Amts Landrat ein sehr gewichti ges Wort mit. Denn bisher müssen Bewerbungen zu einer Landratswahl auch die Zustimmung des Innenministeriums finden. Das ist unserer Meinung nach wichtig und auch not wendig, da zu ca. 80 % staatliche Aufgaben in diesem Amt zu erledigen sind, ganz gleich, ob das Land nun durch Grün, durch Rot, durch Gelb oder Schwarz regiert wird. Wir sind der Meinung, dass hier weiterhin ein Mitspracherecht gege ben sein muss.
Bei einer Direktwahl des Landrats wären ferner noch viele Einzelheiten zu hinterfragen. Ich nenne hier beispielhaft nur
das Wahlverfahren und die Amtsdauer. Da gibt es unterschied liche Vorstellungen: Sollen die Amtszeiten wie die der Bür germeister sein, oder gleicht man sie den Amtszeiten der Kreistage an? Warum legt man ausgerechnet ein Quorum von 15 % fest? Reichen diese 15 % aus? Ist dies eine Legitimati on? Was ist zukünftig bei Bürgermeisterwahlen und bei Ober bürgermeisterwahlen der Fall? Wenn ich sehe, dass in Mann heim nur 30 % der Bürger überhaupt den Oberbürgermeister gewählt haben, dann muss man auch hier fragen: Ist dies dann noch eine richtige Legitimation für eine Direktwahl, für eine Persönlichkeitswahl und Volkswahl?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muss sich dann auch fragen: Wenn wir uns die Mühe machen, eine Volkswahl auszurichten, zu organisieren und dort auch hinzugehen,...
... ist dieses Quorum dann auch für den Wähler dahin gehend bindend, dass wir sagen: „Jawohl, der Wähler hat gesprochen“? Dann sollte eigentlich die Wahl ohne Quorum bei einer Persönlichkeitswahl bindend sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend: Ich könnte jetzt aus der „Stuttgarter Zeitung“ zitieren, was der Mi nisterpräsident gesagt hat.
Der größte Zweifler, ob eine Volks wahl der Landräte durchgeführt werden soll, sitzt im Moment im Staatsministerium. Er hat dies bei der Kreisversammlung der Landräte auch so geäußert. Er hat große Skepsis. Wir ha ben diese auch und wollen deshalb an der bisherigen Rege lung festhalten. Ich glaube, dem Bürger geht dadurch nichts verloren.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Mehr Demokratie ist uns ein wichti ges Anliegen. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern in den Kommunen mehr Möglichkeiten zur Beteiligung, zum Mit machen und zum Gestalten des politischen Alltags in den Städten, Gemeinden und Landkreisen geben.