Protokoll der Sitzung vom 28.06.2012

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Drexler.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Zuerst möchte ich ein Dankeschön an die Landesregierung richten: Wir sind der einzige Landtag, der vor dieser historischen Abstimmung im Bundesrat über den Fiskalpakt diskutiert. Das ist eine Leistung, die man anerken

nen muss. Daher auch von unserer Fraktion recht herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich habe meine ursprünglich vorbereitete Rede nun etwas zur Seite gelegt, weil ich, Herr Kollege Hauk, ein bisschen auf Ih re Ausführungen eingehen möchte. Auch möchte ich mich noch einmal mit der Bund-Länder-Diskussion bezüglich des Themas Fiskalpakt auseinandersetzen.

Die Frau Bundeskanzlerin hat einen Fiskalpakt unterschrie ben, der offensichtlich nicht unserer Schuldenbremse ent sprach – obwohl sie möglicherweise davon ausgegangen ist, dass dies exakt unserer Schuldenbremse entspricht. Anders kann ich das Verhalten des Bundesfinanzministers nicht ver stehen, der diesen Pakt so für die Länder umgearbeitet hat, dass darin nun mindestens zwei Verfassungsverstöße einge arbeitet sind. Denn Artikel 143 d des Grundgesetzes schreibt eben die Schuldenbremse vor, die wir haben. Wer eine ande re Schuldenbremse will, muss das Grundgesetz verändern. Das hat der Finanzminister am Anfang jedoch überhaupt nicht eingesehen. Er hat gesagt: „Jetzt machen wir andere Pfade. Die Länder müssen mehr sparen.“ Das geht natürlich nicht. Insofern schließe ich mich dem Lob an Herrn Schäuble nicht an.

(Abg. Winfried Mack CDU: Aber eine Zweidrittel mehrheit hat er immer noch dafür gehabt!)

Nein, nein. Es geht nicht um die Frage der Zweidrittelmehr heit; es geht um die Änderung des Grundgesetzes.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das ist eine rechtstech nische Frage! – Lachen bei der SPD und den Grünen – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Mit Recht habt ihr es nicht so! – Lebhafte Unruhe)

Das ist keine rechtstechnische Frage. Herr Kollege Mack, eine Partei, die im letzten Jahr die Verfassung des Landes ge brochen hat,

(Abg. Andreas Stoch SPD zur CDU: Mit Verfassung habt ihr es erst recht nicht!)

sollte jetzt endlich einmal damit aufhören, gesetzestechnisch zu reden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Insofern, Herr Hauk, sind wir froh, dass die Mitglieder der Landesregierung – angefangen bei Minister Friedrich über den Minister für Finanzen und Wirtschaft bis hin zum Minister präsidenten – in den Verhandlungen wie auch in öffentlichen Stellungnahmen deutlich gemacht haben, dass es für das Land Baden-Württemberg nicht darum geht, möglichst viel zu er halten, einen „Basar“ zu machen, sondern dass es zuerst ein mal darum geht, die Gesetze und die Verfassung – auch die Verfassung unseres Landes – einzuhalten und damit die Haus haltsautonomie, das höchste Recht des Landtags von BadenWürttemberg, zu erhalten. Dafür, dass sie das gemacht haben, gebührt ihnen ein großer Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Der Herr Ministerpräsident war ja so fair, all seine Kollegen da mit hineinzunehmen. Natürlich gab es welche, die einen „Basarhandel“ begonnen haben; das muss man hier sagen. Es waren Ministerpräsidenten der Union. Herr Seehofer hat noch in der vergangenen Woche gesagt, der Freistaat werde dem Fiskalpakt nur zustimmen, wenn der Verkehrshaushalt des Bundes mit 1,5 Milliarden € derart ausgestaltet wird, dass die bayerischen Verkehrsprojekte – und zwar alle – in den nächs ten zehn Jahren umgesetzt werden können.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Andreas Stoch SPD: Unglaublich! Skanda lös!)

Da war der Basar eröffnet. Das war eine Ungeheuerlichkeit. Mit solchen Vorschlägen wird die Ernsthaftigkeit der Anlie gen des Föderalismus natürlich kaputt gemacht.

Unsere Landesregierung hat streng daran gearbeitet, zum ei nen die Unabhängigkeit des Landtags von Baden-Württem berg in Haushaltsangelegenheiten zu wahren und zum ande ren den Teil des Fiskalpakts, der die Kommunen betrifft, zu ändern und die Kommunen in vier Bereichen, die schon öfter angesprochen worden sind, zu entlasten. Das war die richtige Maßgabe. Wir müssen aufpassen, dass Verhandlungen zwi schen Bund und Ländern in der Öffentlichkeit, auch durch Pressemitteilungen, nicht so dargestellt werden, als gäbe es neben der Sache an sich noch bestimmte Geschäfte, mit de nen man die Zustimmung erkaufen kann. Das halten wir für falsch, und das schadet auch dem Föderalismus, liebe Kolle ginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Tanja Gönner CDU)

Das ist in diesem Fall nur und ausschließlich von Minister präsidenten der Union erfolgt.

Das Zweite: Sie haben angedeutet, dass Sie im Grunde ge nommen der Auffassung sind, die Landesregierung sei nur deshalb so vorgegangen, weil sie nicht mehr sparen wolle. Die Landesregierung von Baden-Württemberg wie im Übrigen al le Landesregierungen – das gilt auch für Herrn Seehofer – können an den Bundesrat überhaupt keine Rechte der Landes parlamente abgeben.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das will doch niemand! Ent schuldigung, das ist aber eine Unterstellung!)

Nein, das habe ich nicht unterstellt. Ich habe Ihnen das nicht unterstellt. Ich habe es in Bezug auf Herrn Seehofer gesagt. Denn er hat ja nichts in Bezug auf die Verfassung gesagt.

Es geht mir einfach darum, noch einmal Folgendes deutlich zu machen: Der Ministerpräsident hatte für die Landesregie rung gar keine andere Möglichkeit. Die andere Möglichkeit wäre gewesen, alle 16 Landtage zu befragen – alle 16 Land tage!

(Abg. Winfried Mack CDU: Man kann trotzdem spa ren!)

Da war der Bund sofort erschrocken, als der Ministerpräsi dent im Fernsehen gesagt hat, er müsse halt seinen Landtag fragen. Dann ist bei Herrn Schäuble sofort alles zusammen gefallen, und er hat plötzlich andere Vorschläge aufgetischt.

Es hätte ja mindestens ein halbes Jahr gedauert, wenn alle Landtage über ihre Haushaltsrechte diskutiert hätten. So ge sehen war es richtig, so zu verfahren, und die Erfolge können sich auch sehen lassen.

Kommen wir zu den Erfolgen. Herr Kollege Hauk, ich ver stehe nach wie vor nicht, warum Sie diesen Antrag nicht mit unterzeichnet haben. Ich hoffe, dass Sie nachher zustimmen. Denn im baden-württembergischen Landtag war es eigentlich immer so, dass Oppositionsfraktionen die Rechte des Landes in Fragen wie Landesverfassung oder Auseinandersetzungen mit dem Bund über ihre eigene Ideologie gestellt haben. Das sieht man am Ministerpräsidenten; das sieht man an mir. Wir haben bei den Verhandlungen über den Föderalismus immer die Interessen des Landes stärker vertreten als beispielsweise zentrale Forderungen der Grünen oder der SPD. Insofern wä re es gut, wenn auch Sie heute ein Zeichen setzen könnten. Wenn Sie sich die vier Bereiche ansehen, die im Antrag ge nannt sind, kann man eigentlich nicht gegen eine Finanztrans aktionssteuer sein. Die steht da drin. Ich meine, Sie haben sich in Berlin lange dagegen gewehrt, dass sie hineinkommt.

(Widerspruch bei der CDU)

Natürlich, alle. Alle haben sich dagegen gewehrt. Jetzt ha ben wir sie, und sie ist doch auch richtig.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wir haben sie noch lange nicht!)

Herr Kollege, neun EU-Länder, darunter die vier größten Flächenstaaten Europas, haben sich zusammengeschlossen, um die Transaktionssteuer einzuführen. Man geht davon aus, dass sie 35 Milliarden € erbringt. Der Antrag auf verstärkte Zusammenarbeit ist schon gestellt, und gestern hat die Frau Bundeskanzlerin wohl erklärt, man könnte dieses Geld dann auch für Wachstumsmaßnahmen in Europa ausgeben, also nicht für die Haushalte –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wenn man’s hat!)

eine tolle Geschichte, nachdem bis vor zwei Jahren das Wort „Wachstum“ im Hinblick auf europäische Anliegen überhaupt nicht aus dem Mund der Bundeskanzlerin kam. Diese Verän derung Ihrer Politik in Berlin, Herr Hauk, die Abkehr von der eindimensionalen Politik ausschließlich mit dem Schwerpunkt Sparen und sonst nichts haben SPD und Grüne im harten Ver handlungsstil erreicht. Es hat eine Veränderung der Position der Bundesrepublik Deutschland gegeben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Frau Sitzmann hat es gerade gesagt: Generationen von jungen Leuten in Griechenland, in Italien und in Spanien erleben Eu ropa zurzeit nur so, dass die Deutschen, allen voran Frau Mer kel, auf Spardiktaten bestehen und sie Ausbildungsplätze ver lieren und keinen Arbeitsplatz bekommen. Das wird zurzeit mit Deutschland identifiziert.

(Widerspruch bei der CDU)

Reden Sie nicht von „Quatsch“, lesen Sie spanische Zeitun gen.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Das ist jetzt wirklich Schwachsinn! – Unruhe)

Wenn Sie das jetzt durch einen Hoffnungsschimmer ergänzen und zum Ausdruck bringen, dass die Deutschen auch der Auf fassung sind: „Jetzt muss Wachstum her, um Ausbildungsplät ze zu schaffen“, dann werden wir endlich mit Sparen, aber auch mit Zukunft in Europa identifiziert. Das haben wir er reicht, und das ist auch richtig.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Tanja Gönner CDU: Geschwätz!)

Im Übrigen basiert das auch nicht auf Schulden, sondern 80 Milliarden € für Maßnahmen, die in Programmen der EU liegen, sollen umgewidmet werden. Wenn Sie die 35 Milliar den € aus der Transaktionssteuer hinzunehmen, sind es 115 Milliarden €, die zur Verfügung stehen. Das ist eine ganz an ständige Summe, und ich finde es auch richtig, dass Sie jetzt die Botschaft aussenden, dass wir eine Veränderung vorneh men.

Insofern war Ihre Rede ein bisschen veraltet, weil Sie nur über das Sparen gesprochen haben. Dafür sind wir auch.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber ihr tut’s nicht!)

Aber diese Haltung muss zusätzlich noch von Wachstum ge prägt sein. – Herr Hauk, seit 1967 setzen alle Bundesregie rungen, wenn es schwierig wird, auf Sparen und Wachstum, auf Konjunkturprogramme – alle! Warum wollen Sie diese Möglichkeiten nicht auch anderen Ländern in der Eurozone mit unserer Unterstützung geben? Wir haben das immer ge macht. Also müssen wir diese Hoffnung doch auch in Europa verkünden, dass wir dort auch Konjunkturprogramme brau chen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber war das immer gut?)

Also, ich muss sagen, die Bundesrepublik Deutschland steht doch recht gut da.

(Abg. Peter Hauk CDU: Im Augenblick!)

Ich hoffe, dass das so bleibt. Sie wollen es doch nicht her unterreden? Wir sind der Auffassung, es soll so bleiben, und daran arbeiten wir ja auch.