Lassen Sie uns das einmal untersuchen und die Ergebnisse auf den Tisch legen, und dann reden wir darüber, wie es weiter geht. Einen Schritt nach dem anderen! Es trägt ja auch nicht zum Verständnis der Bürgerinnen und Bürger bei, wenn im mer gefragt wird: „Was machen Sie, wenn...?“
Die Landesregierung hat halt das, was sie auf dem Tisch hat, bisher dort präsentiert. Wenn dem Votum, der Empfehlung nachgegangen wird, beim Flughafen die Bahnhofssituation zu verbessern, dann muss man das jetzt richtig erheben. Das kann man doch jetzt nicht irgendwie so aus dem Ärmel schütteln.
Dazu braucht man belastbare Materialien, und solche belast baren Materialien liegen nach meinem Kenntnisstand weder seitens der Bahn noch seitens des Flughafens vor. Das sind grobe Abschätzungen, und das muss man jetzt weiter unter suchen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Eitel sind wir gar nicht!)
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte unter Punkt 1 der Tagesordnung ist damit beendet.
Aktuelle Debatte – Meldegesetz der Bundesregierung stop pen – Datenschutz stärken – beantragt von der Fraktion GRÜNE
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat eine Gesamtre dezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklä rungen der Fraktionen und für die Redner und Rednerinnen in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Mi
nuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich noch ganz gut an die Debatte zur Datenschutzverordnung erinnern, die wir vor Kurzem hier geführt haben, und habe dabei noch das Hohelied der Bundesregierung sowie der Oppositionsfrak tionen über den hohen Standard des Datenschutzes im Ohr. Man hat sich gegenseitig auf die Schulter geklopft und zum Ausdruck gebracht, wie zufrieden man doch sei. Es hieß, wir hätten einen so hohen Datenschutzstandard, dass wir auf die sem Feld eigentlich gar nichts mehr weiter tun müssten. Da mals dachte ich – zumindest hatte ich die Illusion –, dass wir nun alle Datenschützer sind.
Leider hat sich dies jedoch nicht bestätigt. Denn zwischen dem damaligen Zeitpunkt und heute liegt ein Vorfall, der An lass zu folgender Kritik bietet – mit Einverständnis der Präsi dentin möchte ich einige Beispiele zitieren –: Da wird von „gesetzlichem Wahnsinn“, „Unsäglichkeit“ und von einem „Geschenk an die Werbewirtschaft“ gesprochen. Diese For mulierungen finden sich nicht etwa in einem unserer Partei programme, und sie wurden auch nicht von Renate Künast oder sonstigen Politikern so gewählt, sondern es sind drei der obersten Datenschützer in Deutschland, die ihre Kritik so for muliert haben, nämlich Thilo Weichert aus Schleswig-Hol stein, Thomas Petri aus Bayern sowie Peter Schaar als Bun desdatenschutzbeauftragter.
Last, but not least möchte ich auch noch Herrn Klingbeil – er ist heute anwesend – zitieren, der uns gestern seine Einschät zung zum Meldegesetz gegeben hat. Er spricht von „völlig in akzeptablen Änderungen“. Das spricht Bände. Bei uns allen, vor allem aber bei den Datenschützern müssten daraufhin ei gentlich alle Alarmglocken schrillen.
Jetzt kann man sich natürlich fragen: Was ist eigentlich pas siert? Warum regen sich die Datenschützer so auf? Ich kann Ihnen sagen, was passiert ist: Die schwarz-gelbe Bundesre gierung hat regiert, und dabei kommt so etwas heraus. Es gibt einen großen Aufschrei.
(Der Redner hält die Titelseite der „taz“ vom 10. Ju li 2012 in die Höhe. – Abg. Winfried Mack CDU: Schauen Sie einmal, wie viele Bundestagsabgeord nete im Plenarsaal sind! Schauen Sie da mal rein, wie viele Abgeordnete von Ihrer Fraktion überhaupt da sind! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Zehn, und Claudia Roth vor dem Fernse her! – Abg. Winfried Mack CDU: Von der SPD sind zwei Abgeordnete drin!)
Schauen Sie einmal drauf; ich kann Ihnen diesen Artikel nachher geben, und Sie können sich das einmal durchlesen, um zu erfahren, was Ihre Regierung im Bund so macht.
Damit wir alle im Bilde sind, möchte ich aus diesem Gesetz, dessen Kritiker von einem „Ausverkauf der Bürgerrechte“ sprechen, zitieren. Bei diesem Gesetz – dem Gesetz zur Fort entwicklung des Meldewesens – geht es letztlich um § 44 Ab satz 4, den ich in seiner Vollständigkeit vorlesen möchte, da mit hinterher niemand sagen kann, er habe es nicht gewusst und habe nie etwas davon gehört, bevor er darüber abgestimmt habe. Ich zitiere:
Es ist verboten, Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels zu ver wenden,
Jetzt kommt aber das i-Tüpfelchen an dem Ganzen, und dar an entzündete sich die Kritik hauptsächlich, denn weiter heißt es:
Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestä tigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten ver wendet werden.
Diese neue Formulierung enthält den eigentlichen Zündstoff. Von einer regelgemäßen Einwilligungslösung könnte nämlich nur dann gesprochen werden, wenn dann eine Einwilligung erteilt werden müsste, wenn der Bürger will, dass er in die Da teien von Adresshändlern aufgenommen wird oder wenn er Werbung beziehen möchte. Diese Regelung wurde geopfert. Sie wurde durch eine Widerspruchslösung ersetzt, die – die ser Einwand kam auch vonseiten der EU – insbesondere für ältere Menschen oder auch für Migranten sehr schwer zu ver stehen ist. Vorgesehen ist jetzt, dass der Bürger Widerspruch einlegen muss, wenn er keine Werbung will oder wenn er kei nen Adresshandel mit seinen Daten möchte. Andernfalls ist dieser Regelung zufolge jede Weitergabe von Daten durch den Staat legitim. Das kann aber aus unserer Sicht nicht sein.
Diese Verschärfung ist für uns ein Einfallstor. Damit wird dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, und letztlich wird den Ad resshändlern und der Werbewirtschaft sogar der rote Teppich ausgerollt. Aus unserer Sicht ist das ein frontaler Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung, und dabei machen wir nicht mit. Wir haben bereits gesagt, dass wir dies im Bundes rat ablehnen werden.
Ich kenne Ihre Haltung. Sie werden jetzt sagen: „Wir sind ja auch alle dafür; Datenschutz ist wichtig.“ Das jedoch ist ein Feigenblatt; es ist nichts weiter als scheinheilig. Ich werde Ih nen später auch noch zeigen, wie sich Ihr Bundesinnenminis ter bei diesem Thema ziemlich in die Nesseln gesetzt hat.
Gerade für die FDP, die sich selbst gern als Bürgerrechtspar tei bezeichnet, ist dieses Thema interessant. Eigentlich habe ich gedacht, die FDP habe aus der Steuerdebatte gelernt. Aber für mich ist es immer wieder gut zu erkennen, wie sehr diese Partei der verlängerte Arm von Lobbyinteressen ist. Ich fin
de, das geht nicht. Sie befördern damit gerade das, wovon Frau Razavi gerade gesprochen hat, nämlich die Politikver drossenheit. Diese Angelegenheit führt wirklich zu Politikver drossenheit. Was wir dagegen tun, ist, die Leute mitzuneh men. Das ist der große Unterschied zwischen uns.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU und der FDP/DVP – Zu ruf der Abg. Nicole Razavi CDU)
Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Man kann es sich etwas vergegenwärtigen: Es geht um die Föderalismuskommissi on I; die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Meldewesen liegt beim Bund; die Zuständigkeit hierfür wur de von den Ländern an den Bund abgegeben. Wir konnten da ran auch nichts mehr machen und mussten den Rahmen, der im Bund vorgegeben werden sollte, zunächst abwarten.
Aber überwältigt von der eigenen Gesetzgebungskompetenz – ich habe Ihnen die kritischen Kommentare schon wiederge geben und kann dies auch gern noch einmal tun – haben Sie auf allen Kanälen – ich finde es immer sehr bemerkenswert, wer sich alles dazu gemeldet hat – zum ungeordneten Rück zug aufgerufen. Sie haben auf den Scherbenberg, den Sie oh nehin schon hinterlassen haben, noch einen Scherbenhaufen aufgesetzt und diesen Berg dadurch noch höher gemacht.
Bemerkenswert finde ich, dass man sofort einen Schuldigen ausgemacht hat. Man meint, diesen mit dem CSU-Innenex perten Hans-Peter Uhl gefunden zu haben, und man sagt, die ser sei schuld gewesen, denn er habe am Tag zuvor im Innen ausschuss „handstreichartig“ beschlossen, dass die Adress händler und die Werbeindustrie nun eine solche Regelung be kommen müssten.
Man soll mich hier nicht falsch verstehen. Ich glaube, mit Hans-Peter Uhl hat man schon den Richtigen getroffen. Die ser Politiker ist gerade im Bereich Netzpolitik und Medien be reits eine bekannte Größe.
Ich fand es dann auch ziemlich interessant – das konnte man auf „abgeordnetenwatch“ nachlesen –, was Herr Uhl morgens im Deutschlandradio gesagt hatte: Es gehe ja eigentlich bei dieser ganzen Regelung eher um die armen Abiturienten, die 30 Jahre später herausfinden müssen: Wo ist denn eigentlich mein Abiturkollege inzwischen? Ich will ihn einladen.
Für mich ist das einfach nur ein Schönreden. Es ist ein Mit tel, um das verkorkste Unterfangen zu rechtfertigen. Ich glau be, da sollte man sich einfach einmal eingestehen, dass die Kritik berechtigt ist. Dazu sollte man auch stehen und jetzt nicht den Schwarzen Peter an Herrn Uhl abgeben.
Aber ich will auch der Mythenbildung vorbeugen, weil natür lich viel kursiert. Ich möchte auch nicht, dass die „weißen Rit ter“ Hans-Peter Friedrich als Innenminister und vor allem Il se Aigner so leicht davonkommen. Ich glaube, die ganze Ge schichte, dass die Bundesregierung unschuldig ist, gehört ins Märchenbuch. Sie müssten eigentlich zur Kritik stehen und dürften den Schwarzen Peter nicht weitergeben. Denn mo mentan wird ja wirklich gesagt: Keiner war es. Im Zweifel war es der andere, oder vielleicht war es am Schluss doch die FDP.
Ich habe jetzt am Schluss noch die ganz obskure Anschuldi gung gehört: Eigentlich war es gar nicht die Regierung, son dern es war die Opposition, denn die hätte in ihrer Kritik lau ter sein müssen.