Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für Baden-Württemberg weisen konservative Schätzungen mehr als 20 000 Vollzeitarbeitsplätze aus, die mit erneuerba ren Energien verbunden sind. Sehr wahrscheinlich sind es eher mehr; denn allein im Bereich der Fotovoltaik sind mehr als 60 Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Land tätig. Die steigende Tendenz bei den Arbeitsplätzen hat sich übri gens auch in der Wirtschaftskrise als stabil erwiesen.

Dies alles zeigt: Die Energiewende rechnet sich. Der staatlich beschleunigte Strukturwandel kreiert Leitmärkte für Effizienz und Zukunftsenergien. Dies hat erhebliche Arbeitsplatzeffek te zur Folge. Viele Unternehmen haben das erkannt und nut zen die damit verbundenen Chancen. Wir, die Landesregie rung, werden diese Entwicklung stützen, fördern und weiter beschleunigen, damit Baden-Württemberg auch zukünftig die Nase vorn hat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, der Umbau der Energieversorgung ist eine Chance für die gesamte Gesellschaft. Die Befassung mit solchen Themen an der Schnittstelle von Ökologie und Ökonomie setzt Kräfte frei. Die Energiewende ist eine Auf gabe, deren epochale Bedeutung auch eine große Faszination ausübt.

(Zuruf: Richtig!)

Die „Wirtschaftswoche“ ist sicherlich unverdächtig, der grünroten Regierung nach dem Mund zu reden. Daher zitiere ich ihren Chefredakteur, der Ende 2010 schrieb:

So, wie sich in den Sechzigerjahren die Menschen für das Raumfahrtprogramm Apollo begeistert haben und später für das Internet, so sind heute nachhaltige Themen der Stoff, aus dem die Träume sind.... Aus den Unternehmen wissen wir, dass nachhaltige Projekte zu freiwilliger Mehrarbeit führen.... Junge Menschen entdecken den In genieursberuf neu, weil sie darin einen Weg sehen, die Welt zu verbessern.

Mitmachen bei der Energiewende können aber nicht nur In genieurinnen und Ingenieure. Mitmachen können alle. Denn das Neue an den erneuerbaren Energien ist auch ihr Demo kratisierungspotenzial.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die Entscheidungen über die Energieerzeugung werden in Zu kunft wesentlich stärker als bisher „von unten“ getroffen, al so von allen, die daran teilhaben wollen. Dies sind u. a. die Bürgerinnen und Bürger selbst, dies sind Energiegenossen schaften – allein im vergangenen Jahr sind in Baden-Würt temberg 40 neue Energiegenossenschaften entstanden –,

(Zuruf: Aber ohne Ihr Zutun!)

und dies sind die Städte und Gemeinden.

Die notwendigen Entwicklungen können nicht von oben he rab verordnet werden. Sie müssen vielmehr von unten wach sen. Dafür sind ein gemeinsames Verständnis der vor uns lie genden Aufgaben und Zielsetzungen sowie Akzeptanz erfor derlich. Vor Ort müssen Bürgerinnen und Bürger entscheiden, welchen Beitrag sie zur Energiewende leisten wollen.

Sie können in effiziente Geräte, neue Heizungspumpen oder die Energieerzeugung selbst investieren und davon auch fi nanziell profitieren. Sie müssen z. B. entscheiden, ob sie Windräder oder eine Biogasanlage bauen wollen. Das kann die Bürgergesellschaft natürlich bisweilen auch polarisieren. Umfragen und Bürgerentscheide zeigen aber, dass die Mehr heit der Menschen die Energiewende positiv sieht und Anla gen auch im eigenen Umfeld akzeptiert.

Bei all dem werden wir die Bürgerinnen und Bürger mit einer Informations- und Dialoginitiative unterstützen. Wir wollen auch in dieser Frage den von der Landesregierung formulier ten Anspruch einer Politik des Gehörtwerdens ganz konkret einlösen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das ist aber schön!)

Dazu zählt, alle Akteure umfassend an den anstehenden Be ratungen zu beteiligen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Dabei geht es neben der finanziellen Teilhabe an der Wert schöpfung der Energiewende auch um die Teilhabe an Pla nungs- und Entscheidungsprozessen.

Wir suchen und pflegen den Kontakt mit den Kommunen und Landkreisen. Daher haben wir mit den kommunalen Landes verbänden das gemeinsame „Forum Energiewende“ einge

richtet. In regelmäßigen Gesprächen wird über die zu lösen den Aufgaben diskutiert und werden Lösungsansätze erarbei tet.

Die Landesregierung ist ebenso auf die Energiewirtschaft als Partnerin zur Umsetzung der Energiewende angewiesen. Hier zu gehört, wie ich bereits ausgeführt habe, natürlich auch die EnBW. Gleichermaßen sind aber auch die Stadtwerke unver zichtbare Partner.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Für den Ausbau zusätzlicher dezentraler Erzeugungskapazi täten und für die Neuausrichtung von Klimaschutz und Ener giewirtschaft haben die lokal verankerten Stadtwerke die al lerbesten Voraussetzungen.

Mithilfe all dieser Maßnahmen machen wir – das ist, finde ich, ganz entscheidend und trifft den Kern des Ganzen – aus Betroffenen Beteiligte. Je mehr Menschen sich dafür begeis tern und sich an dieser großen gesamtgesellschaftlichen Auf gabe beteiligen, desto besser. Deswegen werden wir diese He rausforderung gemeinsam meistern. Wir laden alle zum Mit machen ein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, was ich Ihnen vorgestellt habe, sind die zentralen Leitlinien der grün-roten Energie- und Kli maschutzpolitik für unser Land. Baden-Württemberg ist die treibende Kraft der Energiewende. Wir haben ehrgeizige Plä ne, aber wir sind überzeugt, dass sie richtig sind. Wir sind zu versichtlich, dass wir unsere Ziele erreichen.

Wir setzen dabei auf die Menschen in unserem Land und ihr Engagement. Wir setzen auf die Unternehmen, welche die Chancen ergreifen, die ihnen dieser Umbau bietet. Wir setzen auf Forschung für Innovationen, die unseren Planeten letzt lich schützen. Wir setzen auf die Energiewende. Lassen Sie uns alle gemeinsam dieses große Generationenprojekt gestal ten.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kein Wort zur Was serkraft!)

Meine Damen und Herren, wir kom men zur Aussprache über die Regierungserklärung, für die das Präsidium freie Redezeit festgelegt hat.

Nach Regierungserklärungen erhalten die Oppositionsfrakti onen im wechselnden Turnus das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ist das auch neu?)

Heute beginnen wir mit der FDP/DVP-Fraktion.

Nach § 83 a Absatz 3 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Kollegen Dr. Rülke von der Fraktion der FDP/DVP das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich, Herr Minis terpräsident, mit dem Konsens beginnen. Diesen gibt es ja zu

mindest in Ansätzen, denn wir sind nicht erst seit den Ereig nissen um Fukushima, nicht erst seit den Ereignissen des Jah res 2011 mit Ihnen der Meinung, dass es unser langfristiges gemeinsames Ziel sein muss, von Erdöl, Kohle und auch Uran in der Energieerzeugung wegzukommen.

Strittig war der Zeithorizont. Wenn man sich jetzt die Ent wicklung der letzten zwölf bis 15 Monate anschaut und wenn man sich Ihre heutige Regierungserklärung anhört, Herr Mi nisterpräsident, dann wird auch deutlich, warum der Zeitho rizont stets umstritten gewesen ist. Es ist kein Selbstzweck, und es reicht nicht aus, einfach für erneuerbare Energien zu sein und einfach den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fordern und zu fördern.

Denn es gibt weitere Aspekte, die wir berücksichtigen müs sen. Da ist zum einen der Klimaschutz, da ist zum anderen die Versorgungssicherheit, und da ist zum Dritten auch die Be zahlbarkeit der Energieversorgung. All das ist in einem Indus trieland wie Baden-Württemberg von erheblicher Relevanz.

Es zeigt sich eben doch, dass die Zeitachse wichtig ist bei der Frage: Wie schnell oder langsam oder auf welchem Weg und zu welchen Kosten kommen wir ins Zeitalter der erneuerba ren Energien?

Wir haben auch Konsens, wenn es darum geht, uns darauf zu verständigen, dass Energieeinsparung und Energieeffizienz wichtig sind. Aber, Herr Ministerpräsident, bereits hier be ginnt bei Ihnen das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit. Einerseits erklären Sie hier im Landtag von Ba den-Württemberg: „Wir sind für Energieeffizienz“, und ande rerseits blockieren Sie und Ihre Regierung im Bundesrat das Gesetz zur steuerlichen Abzugsfähigkeit energetischer Sanie rungsmaßnahmen. Hier gibt es einen deutlichen Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf: So ist es!)

Worum es geht, ist Ihnen vorhin bei Ihrer Regierungserklä rung herausgerutscht, als Sie gesagt haben: „Wir wollen da für vom Bund eine Gegenleistung.“ Das ist Ihnen vorhin he rausgerutscht.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Deshalb, Herr Ministerpräsident, hören Sie auf, im Landtag scheinheilig das eine zu fordern und im Bundesrat das Gegen teil zu tun.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Der Kollege Haußmann hat es Ihnen schon in der vergange nen Woche im Zusammenhang mit dem Filderdialog zugeru fen: Man muss vorsichtig sein, dass man nicht als „Häuptling Gespaltene Zunge“ in die Landesgeschichte eingeht.

(Oh-Rufe von Abgeordneten der Grünen)

Deshalb: Geben Sie diese Blockade im Bundesrat auf, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall)