Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

(Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD)

dann gestehen Sie doch selbst ein, dass Sie Ihre Zielsetzung deshalb nicht erreichen können, weil wir zunächst einmal ei nen größeren Einsatz fossiler Energieträger brauchen, um die Energiewende überhaupt gestalten zu können.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dann sagen Sie es doch, und streuen Sie den Menschen kei nen Sand und kein Salz in die Augen.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Was, Salz? – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Die alte Landesregierung – ich habe es vorhin erwähnt – hat noch einen Windatlas vorgestellt. Jetzt hat der Minister ange kündigt, es gebe einen Potenzialatlas. Das ist immerhin ein mal eine konstruktive Maßnahme. Es gibt auch schon man che Kommunen und Landkreise, die bereits solche Potenzial atlanten erstellt haben. Ich kann Sie nur ermuntern: Nutzen Sie auch deren Erfahrung – das ist ein wirklich sinnvolles In strument –, damit die Ansiedlung neuer Kraftwerke nicht nur der Ideologie folgt, sondern auch den ökonomischen Grund sätzen, und dort vorgenommen wird, wo die Produktivität am höchsten ist. Es wäre höchste Zeit, dass Sie sich an der Öko nomie und an der Produktivität orientieren und nicht nur an der Ideologie.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Hauk, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Kollegen Lehmann?

Aber gern. Wenn es der Sache dient, immer.

Vielen Dank, Herr Hauk. – Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie den beschleunigten Ausbau der Windenergie befürworten. Meine Frage ist, wer die Verantwortung dafür trägt, dass wir in Ba den-Württemberg in dieser Sache nicht vorangekommen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Zuruf von der CDU: Set zen, Sechs!)

Herr Lehmann, Sie dürfen sich set zen und müssen nicht stehen bleiben. Die Frage ist ziemlich alt. Es gibt einen einzigen, einfachen Grund dafür,

(Abg. Walter Heiler SPD: Erwin Teufel!)

nämlich die Energiewende im letzten Jahr.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Das muss man klar sagen. Mit der Energiewende und dem Ausstieg aus der Kernkraft ist auch innerhalb der Union klar geworden: Wir brauchen mehr erneuerbare Energien. Die Windkraft kann einen Teil dazu leisten – wenn auch nicht im Umfang von 10 % –, aber sie ist nicht imstande, alles zu leis ten. Sie haben sich bisher an Monoenergien orientiert und ha ben immer nur auf den Ausbau der erneuerbaren Energien ge setzt, und Sie setzen ausschließlich auf das Thema Windkraft und damit auf das falsche Pferd.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Den fal schen Esel!)

Wir brauchen einen Mix. Ein Anteil von 10 %, 1 000 neue Windtürme, sind schlichtweg Fantasien, die Sie nicht realisie ren werden, erst recht nicht mit diesem Landesplanungsge setz, das der Sache nicht dient, sondern dies verhindert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Denn wer die Biomasse, die Wasserkraft, die Geothermie und damit verlässliche Energiequellen, die grundlast- und mittel lastfähig sind, nicht berücksichtigt, der wird bei der Energie wende am Ende versagen.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir für die Großkraftwerke im fossilen Bereich, deren Aus bau Sie fordern, auch die EnBW. Sie haben bisher keinerlei Strategien erkennen lassen, wie Sie als Miteigentümer das operative Geschäft für die Energiewende aufstellen wollen. Jetzt kann man sagen, das sei Sache des Unternehmens. Für das operative Geschäft ist das richtig. Aber welches strategi sche Konzept steckt bei Ihnen dahinter? Sie haben immer sehr allgemein gesagt: Wir müssen die Stadtwerke stärker mit dem Regionalversorger vernetzen. Wunderbar! Aber was tun Sie konkret dazu? Wie ist Ihre Strategie? Wie gehen Sie bei dem Unternehmen diesbezüglich vor?

Sie haben im Koalitionsvertrag angekündigt:

Wir möchten die Stadtwerke in Baden-Württemberg in den für die Energiewende notwendigen Ausbau der Kapazi täten und in die Neuausrichtung von Klimaschutz und Energiewirtschaft partnerschaftlich einbinden.

Das kündigten Sie jedenfalls an. Ich kann Ihnen nur raten: Ma chen Sie das. Die Stadtwerke sind ein hervorragender Partner und können Ihnen auch bei der Energiewende unter die Arme greifen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein grundlegender Unterschied in der Herangehensweise – das offenbart sich im mer mehr – ist offensichtlich Ihre in der Tat ideologische Aus richtung. Das muss man am Thema Preise festmachen. Sie ha ben durch den Umweltminister flugs eine Preisprognose er stellen lassen, die in den nächsten Jahren eine Preissteigerung von etwa 20 % vorsieht. Es heißt, damit müssten wir rechnen. Das KIT in Karlsruhe berechnet für die deutsche Wirtschaft Preissteigerungen von 80 %. Dazwischen gibt es erhebliche Lücken. Meine Damen und Herren, wenn man einmal genau schaut, woher diese Preissteigerungen kommen, wird einem schon klar, dass die 80 % nicht so weit hergeholt sind.

Das Erste ist das EEG. Sie haben bei den Verhandlungen den Weg verhindert, von der Dauersubventionierung wegzukom men. Das EEG war immer zur Anschubfinanzierung, aber nicht zur Dauersubventionierung gedacht. Das ist der ganz entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zurufe der Abg. Alexander Salomon GRÜNE und Johannes Stober SPD)

Heute ist die Fotovoltaik bei Gestehungskosten von 10 bis 15 Cent pro Kilowattstunde, je nach Standort, marktreif. Das ignorieren Sie. Sie subventionieren damit die Ruhrgebietshüt ten der Gegenwart, um eine Formulierung des Kollegen Rül ke zu zitieren, und bauen, wenn man so will, eine neue Indus triebrache auf. Aber das Entscheidende dabei ist: Damit ist ei ne gigantische soziale Umverteilung verbunden.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ja!)

Es wird Sie wundern, dass wir von der Union das kritisieren. Aber es sind die Eigentümer, es sind die Flächeneigentümer, die Dacheigentümer, die davon profitieren, und der Hartz-IVEmpfänger bezahlt es. Es kann doch nicht im Sinne des EEG sein, dass wir damit auch eine gigantische soziale Umvertei lung verbinden, weil das Ganze am Ende am Verbraucher hän gen bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren von der SPD, Herr Steinmeier ver gießt Krokodilstränen. Er sagt – ich zitiere Herrn Steinmeier –: „Es gibt keine Konzepte gegen soziale Verwerfungen durch steigende Energiepreise.“ Aber Sie verhindern gleichzeitig im Bundesrat, dass die Fotovoltaik endlich in Richtung Markt wirtschaft orientiert wird und von der Dauersubvention los kommt. Das passt nicht zusammen. Da fehlt Ihnen die Ein sicht.

Warten wir einmal ab, was am Ende des Jahres passiert. Die EEG-Umlage beträgt derzeit 3,6 Cent pro Kilowattstunde. Wahrscheinlich werden wir bei 5 Cent plus 19 % Mehrwert steuer landen. Das heißt, wir haben Ende des Jahres allein durch das EEG 6 Cent zu bezahlen. Wir wollen einmal schau en, ob die Freude über die Dauersubventionierung gerade für Fotovoltaik dann noch so groß ist, wenn das Ganze die Klein haushalte erreicht.

Zweitens: Der Ausbau der Netze kostet Geld; das ist unbe stritten. Das heißt, die Netzentgelte werden in den nächsten Jahren steigen. Aber ich sage ganz offen, dass wir als Verbrau cher in Zukunft auch noch die Anbindung von Offshorewind parks, die kilometerweit entfernt draußen im Meer liegen – –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kollege Hauk, ich darf Sie kurz un terbrechen. – Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren: Wenn Sie während der Debatte Gespräche führen müssen, dann tun Sie das bitte außerhalb des Plenarsaals, aber nicht mitten im Saal. Damit stören Sie den Redner.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Bitte, Herr Abg. Hauk.

Es ist immerhin erfreulich, dass von den zwei Dritteln der Mitglieder der Regierungsfraktionen, die vorhin bei der Rede des Kollegen Rülke den Saal verlas sen haben, ein Teil wieder da ist. So kann man mit der Oppo sition natürlich auch umgehen, indem man nicht bereit ist, zu zuhören, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Das ist die Politik des Ge hörtwerdens! – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜ NE)

Ich habe jetzt nicht die aktuelle Präsenz kritisiert, sondern ich habe die Präsenz kritisiert, die zu Beginn der Rede des Kollegen Rülke gegeben war.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wir hören zu, auch wenn es manchmal schwerfällt!)

Das ist kein Stil, um auch das einmal klar zu sagen. Auch das ist kein Stil.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Zweite, was er hebliche Kosten verursachen wird, sind die Netzentgelte. Die Netzentgelte werden steigen. Dass wir – unabhängig davon, ob das durch die schwarz-gelbe Bundesregierung oder durch die Länder zustande gekommen ist; das weiß ich gar nicht – jetzt auch noch das Risiko tragen und Entgelte dafür zahlen, dass die Netzanschlüsse kilometerweit entfernt draußen im Meer vorgenommen werden, ist natürlich unmöglich. Das ist keine Technik, die die Welt revolutioniert – offshore schon, aber nicht kilometerweit entfernt, bei allen Risiken. Das wird sich kein Land der Welt in Zukunft leisten können – kein Land der Welt!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Dafür sind allein von einem Netzbetreiber 13 Milliarden € avi siert.

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Da muss ich ganz offen sagen: Da wird Geld verbrannt.

Drittens: Die Produktionskosten der herkömmlichen Kraft werke werden weiter steigen. Denn deren Produktivität und Auslastung werden durch die verstärkte Einspeisung aus vo latilen Energieträgern – Windräder und Fotovoltaik – konti nuierlich weiter zurückgehen. Das heißt, die Kilowattstunde Strom aus einem Gaskraftwerk, aus einem Kohlkraftwerk etc. wird, weil die Produktivität ständig nachlässt, immer teurer werden. Da kommt Herr Untersteller dann mit dem tollen Be griff „Kapazitätsmärkte“ und sagt: „Jetzt gehen wir einmal so vor, dass wir für bestimmte Kapazitäten garantieren.“ Ja was wollen Sie eigentlich garantieren, Herr Untersteller? Wollen Sie die Abnahme garantieren? Wollen Sie eine Dauersubven tion garantieren? Das wollen Sie nämlich. Meine Damen und Herren, das kann nicht das Ziel sein. Mittel- und langfristig muss das Ziel sein – die entsprechenden Schritte hierzu müs sen wir jetzt bereits machen –, die erneuerbaren Energien in den Wettbewerb einzuordnen, damit die Kinder aus den Kin derschuhen herauswachsen und selbstständig im Wettbewerb auf dem Energiemarkt das Laufen lernen. Das muss das Ziel sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)