Protokoll der Sitzung vom 10.10.2012

Eine gesetzliche Quote für Frauen in Führungspositio nen lehnt die Landesvereinigung Baden-Württembergi scher Arbeitgeberverbände e. V. ab.... Differenzierte und unternehmensspezifische Lösungen sind aus Sicht der Landesvereinigung der richtige Weg, um den Frauenan teil in Belegschaften und Führungspositionen zu erhöhen.

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskam mertag sagt:

Die Industrie- und Handelskammern in Baden-Württem berg unterstützen das Ziel, den Frauenanteil im Aufsichts rat und auch in anderen Spitzenpositionen weiter zu stei gern.... Der Weg über eine gesetzliche Quote wird jedoch für falsch gehalten.

Wir könnten das für die Landesvereinigung Bauwirtschaft Ba den-Württemberg sowie für den Landesverband der Industrie entsprechend fortsetzen.

(Zuruf: Was will die FDP?)

In den vergangenen Jahren wurden seitens der damaligen Lan desregierung viele Projekte und Initiativen gestartet, die von der jetzigen Landesregierung fortgeführt werden, beispiels weise das Landesprogramm „Kontaktstellen Frau und Beruf“, die Landesinitiative „Frauen in MINT-Berufen“ und das Pi lotprojekt „Wing“ zur Qualifizierung von Ingenieurinnen. All das kann man der Stellungnahme zum vorliegenden Antrag sehr gut entnehmen.

Wir brauchen hier also eine Weiterentwicklung der Unterneh menskultur. Gender Diversity ist wichtig und wird in der Stra tegie ein immer wichtigerer Beitrag sein. Damit erreicht man unseres Erachtens mehr als durch einen Eingriff in die Ver tragsautonomie bzw. in die von der EU garantierte Niederlas sungsfreiheit.

Helfen wir also der Wirtschaft mit geeigneten Maßnahmen; schränken wir nicht mit noch mehr Gesetzen und Verordnun gen die Handlungsfähigkeit für baden-württembergische Un ternehmen ein. Damit kommen wir den Herausforderungen des globalen Wettbewerbs mit Sicherheit besser entgegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Staatssekretär Rust das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung ist sehr froh über diese gro ße Einigkeit, die im Parlament über das Ziel und sogar, wie ich festgestellt habe, über Teile des Weges besteht, und unter stützt diesen Weg ausdrücklich; denn das ist für die Wirtschaft im Land heute ein immens wichtiges Thema. Es ist nicht nur ein Thema im Rahmen der Gleichstellung, sondern es ist ein Thema der Wirtschaft in Baden-Württemberg.

Die Landesregierung hat deshalb im Koalitionsvertrag bekräf tigt, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöht werden soll. Dies gilt insbesondere auch für Aufsichtsräte und Vorstandspositionen.

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus vom 9. Juli 2011, lie be Kolleginnen und Kollegen, liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Baden-Württemberg bei gut 23 % und damit noch unter dem bundesweiten Vergleichswert von 26 % und dem Vergleichswert in der EU von 27 %. Das hat Folgen für unsere Wirtschaftskraft; denn dadurch gehen Talente für die Wirtschaft und für die Gesellschaft verloren. In Zukunft werden wir uns in Baden-Württemberg dies noch viel weni ger leisten können. Im Gegenteil: Der akute Fachkräftebedarf und der demografische Wandel machen Fortschritte in dieser Frage zu einer zwingenden gesellschaftlichen und wirtschaft lichen Notwendigkeit. Allein schon deshalb sollten Unterneh men in ihrem eigenen Interesse verbindliche Ziele, Zeitkorri dore und Umsetzungsmaßnahmen zur gendergerechten Beset zung von Führungs- und Spitzenpositionen treffen, bevor der Gesetzgeber tätig werden muss.

Allerdings muss man hier mit großer Ernüchterung feststel len, dass nach den bisher vorliegenden Ergebnissen – es wur de schon erwähnt – eine reine Selbstverpflichtung von Unter

nehmen vermutlich nicht ausreicht. Trotz aller bisherigen Maßnahmen wie freiwillige Verpflichtungen, Förderprogram me oder das sogenannte „Soft Law“ wurde das Ziel nicht er reicht. Die Landesregierung ist deshalb der Auffassung: Nur mit einer verbindlichen Mindestquote können wir unserem Ziel näherkommen. Nur durch verbindliche Quoten werden Frauen endlich angemessen in den Führungsetagen vertreten sein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, die Justizministerkonferenz hat sich im Mai 2011 auch mit den Stimmen Baden-Württembergs für die Einführung einer bundesgesetzlichen Geschlechter quote ausgesprochen. In dem entsprechenden Beschluss heißt es:

Die Justizministerinnen und Justizminister sind der Auf fassung, dass die Einführung einer bundesgesetzlich ge regelten Geschlechterquote für Führungspositionen der Wirtschaft dringend geboten ist. Sie ist mit Verfassungs- und Europarecht grundsätzlich vereinbar.

Sie empfehlen daher

eine möglichst einfache und dennoch wirksame gesetzli che Lösung, die eine Einhaltung der gesetzlichen Ge schlechterquote gewährleistet, aber auf unangemessene und die Rechtssicherheit beeinträchtigende Sanktionen verzichtet. Zugleich sind die zur Umsetzung der Quote er forderlichen Zeitläufe und die Besonderheiten einzelner Branchen hinreichend zu berücksichtigen.

Auch die Gleichstellungsstrategie der EU-Kommission, die am 14. September 2010 veröffentlicht wurde, empfiehlt den Mitgliedsstaaten, den Frauenanteil in Führungspositionen mit tels gesetzlicher Quoten substanziell zu erhöhen. Wegen der schleppenden Fortschritte mit freiwilligen Vereinbarungen plant die EU-Kommission nunmehr, gesetzgeberisch tätig zu werden. EU-Justizkommissarin Viviane Reding will einen Frauenanteil von 40 % in den Aufsichtsräten der börsenno tierten Unternehmen bis 2020 erreichen.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage der Frau Abg. Wölfle?

Ja, gern.

Bitte.

Herr Staatssekretär, vielleicht kom men Sie im Laufe Ihrer Rede noch darauf zu sprechen, aber ich frage einfach einmal dazwischen: Können Sie etwas dazu sagen, wie sich der Anteil der Frauen bei den landeseigenen Unternehmen seit dem vergangenen Jahr verändert hat?

Ich werde gern darauf zu sprechen kommen. Frau Kollegin Gurr-Hirsch – Frau Gurr-Hirsch, blei ben Sie noch kurz hier, dann kann ich es Ihnen auch gleich sa gen –

(Heiterkeit)

hatte gesagt, dass es dabei keine Fortschritte bei uns gebe. In der Landesregierung selbst sind die Fortschritte offensicht

lich. Ich glaube, ich muss nicht mehr darauf hinweisen und einen Vergleich zu Vorgängerregierungen ziehen. In diesem Bereich haben wir unsere Hausaufgaben ordentlich gemacht, während Vorgängerregierungen in diesem Bereich nie aktiv geworden sind.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wo denn?)

Bei den landeseigenen Unternehmen haben wir bei den Man daten, die die Landesregierung zu besetzen hat, seit dem Re gierungswechsel den Frauenanteil um 22,6 % gesteigert. Ich glaube, das kann sich nach eineinhalb Jahren Regierungszeit sehr gut sehen lassen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie auch ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Haußmann?

Ja, gern.

Herr Staatssekretär, vor einigen Monaten lag uns hierzu bereits ein entsprechender An trag vonseiten der CDU vor. Können Sie mir bestätigen, dass unter der neuen Landesregierung bei den Spitzenpositionen in der Landesverwaltung nur vier von 27 Stellen in der B-Be soldung mit Frauen besetzt wurden?

Das kann ich Ihnen jetzt nicht be stätigen, da mir die entsprechende Drucksache nicht vorliegt. Wenn das aber als Stellungnahme der Landesregierung in ei ner Drucksache steht, dann stimmt das sicherlich.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Peter Hauk CDU: Wie bewerten Sie das?)

Herr Hauk, Sie dürfen gern eine Zwischenfrage stellen, wenn der Präsident Ihnen das Wort erteilt.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Herrn Abg. Hauk?

(Heiterkeit)

Sehr gern.

Bitte, Herr Abgeordne ter.

Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie denn diese Zahlen?

(Zurufe von der SPD: Lauter! – Wiederholen, bitte!)

Der Kollege hat gefragt, wie ich diese Zahlen bewerte. Dazu sage ich, dass es eindeutig Nach holbedarf gibt. Was Frauen in Führungspositionen angeht, ha ben wir in den Ministerien insgesamt Nachholbedarf. Wir kön nen gern einmal darüber debattieren und die Zahlen im Detail erörtern.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wie viele waren es früher? – Abg. Claus Schmiedel SPD: 58 Jahre ist nichts passiert! – Abg. Peter Hauk CDU: Und jetzt vier! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen! – Glocke des Präsidenten)

Herr Staatssekretär, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Birk?

Nein. Ich habe noch nicht einmal die Frage von Herrn Hauk zu Ende beantwortet.