Protokoll der Sitzung vom 15.11.2012

Ich sage das unabhängig davon, dass hochwertige Vorhaben dabei sind, die wir alle wirklich sehr begrüßen. Aber es sind auch Maßnahmen dabei – das muss man ganz ehrlich anspre chen –, bei denen wir den Eindruck haben, da werden Kern aufgaben in einzelne Projekte verlagert, z. B. wenn es um die Digitalisierung in Bibliotheken und Archiven geht. Die Würt tembergische Landesbibliothek hat 60 000 € für die Digitali sierung von Reden bekommen. Das Literaturarchiv in Mar bach bekommt 20 000 € für die Digitalisierung eines Preisträ gerporträts. Da muss ich sagen: Das gehört eigentlich heute zum Kerngeschäft dieser Einrichtungen. Es ist nicht in Ord nung, das auf diese Art und Weise zu finanzieren.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Wir sind auch der Meinung, dass der Innovationsfonds nicht nachhaltig wirkt. Denn es geht um einzelne Projekte, die zeit lich begrenzt wirken.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Sie beeinflussen unsere Kulturszene eigentlich nicht dauer haft.

(Zuruf von der CDU: Ja, genau!)

Herr Staatssekretär, Sie kennen sicherlich auch den Unmut, der draußen im Land darüber besteht, dass eigentlich nur Ein richtungen antragsberechtigt sind, die in Ihrem Haus, im Mi nisterium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, ressortie ren. Es gibt aber genügend andere Einrichtungen – ich denke nur z. B. an Jugendkunstschulen –, die im Kultusministerium verortet sind, die aber eigentlich mit Fug und Recht sagen könnten: „Wir tragen zur kulturellen Bildung bei.“ Diese las sen Sie aber überhaupt nicht als Antragsteller zu.

Ich habe schon ein bisschen den Eindruck, es sind vor allem große und renommierte Einrichtungen, die hier zum Zuge ka men. Kleinere Einrichtungen sind eher selten unter den Ge winnern. Einzelkünstler haben Sie gar nicht zugelassen. Sie werden auch nicht ganz von der Hand weisen können, dass es Mitnahmeeffekte gab für diejenigen, die schon ein Projekt in der Schublade hatten oder die schon einmal eine erfolgreiche Konzeption umgesetzt hatten und da jetzt eine Fortschreibung auf den Weg gebracht haben; die waren im Vorteil. Es kann sein, dass es daran lag, dass das jetzt die erste Runde war und vielleicht ein bisschen schnell gehen sollte. Aber da könnten Sie ja theoretisch in Zukunft noch nacharbeiten.

Das gilt genauso, was die Jury betrifft. Sie ist gut und kom petent besetzt und auch sehr ausgewogen. Es ist aber festzu

stellen, dass darin kein einziger Künstler vertreten ist. Es ist also niemand in der Jury vertreten, der selbst Erfahrungen mit dem kreativen Schaffen hat. Das wäre auch noch ein Ansatz punkt, um nachzubessern.

Sie haben ja vor, den Innovationsfonds fortzusetzen. Auch im Entwurf des neuen Haushalts sind 3 Millionen € dafür vorge sehen. Aber man muss schon einmal nachfragen, warum Sie jetzt eigentlich nur zwei Drittel des Geldes für Projekte aus gegeben haben. Ein Drittel bleibt übrig. Dieses Geld geht drauf für Personalkosten, Sachkosten, Verwaltung, Zuweisun gen an Gemeinden, oder aber es bleibt liegen und wird als ei serne Reserve für ich weiß nicht was gebraucht. Mit Haus haltsklarheit und Haushaltswahrheit hat das also nichts zu tun. Nur 2 Millionen € kommen bei denen an, für die diese Mittel wirklich gedacht sind.

Ganz grundsätzlich muss ich für die CDU sagen, dass dieser Innovationsfonds nicht dem Auftrag der Kunstkonzeption ent spricht. Denn er stärkt, wie gesagt, nur die Angebotsseite, und diese ist in Baden-Württemberg sehr vielfältig und sehr breit aufgestellt. Wir haben wirklich eine tolle Kunstszene.

Das Problem ist aber, dass dort immer dieselben Leute hinge hen. Es geht doch darum, dass wir ein nachwachsendes Pub likum haben wollen. Es geht darum, dass wir auch in Zukunft für unsere Theater, Museen und Konzerte ein kundiges und interessiertes Publikum haben. Deswegen liegt ja auch der Schwerpunkt im Bereich der kulturellen Bildung. Wir müs sen junge Menschen an Kunst und Kultur heranführen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Da reicht es nicht, dass Sie mehr von demselben anbieten. Sie müssen bitte den Auftrag der Kunstkonzeption berücksichti gen: Das ist die Einrichtung der Kulturbeauftragten an Schu len. Wir möchten gern, dass es an jeder Schule einen Kultur beauftragten gibt, der schaut: Welches kulturelle Angebot gibt es in unserer Region, vor unserer Haustür? Wie kann ich das mit der Schule vernetzen? Wie kann ich die Schüler dort hin bringen? Wer hält den Kontakt zwischen Schule und Kultur szene? Das wäre wirklich sinnvoll gewesen. Das haben wir im Ausschuss auch wiederholt und fraktionsübergreifend ge fordert. Aber es ist Ihnen nicht gelungen, das Kultusministe rium von der Notwendigkeit zu überzeugen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Die Kultusministerin hat jetzt endlich einmal, ganz zögerlich, die Schulen angeschrieben und gesagt, sie mögen bitte eine Person benennen, die diese Aufgabe übernehmen würde. Aber das ist alles sehr offen, das ist nicht mit Ressourcen unterlegt. Dafür gibt es keine Anerkennungsstunden, dafür gibt es auch keine sonstigen Vergünstigungen wie z. B. einen freien Ein tritt als Begleitung. Da läuft überhaupt nichts.

Ich finde es ausgesprochen bedauerlich, dass Sie sich da nicht durchsetzen konnten und keine Überzeugungsarbeit für unser gemeinsames Anliegen leisten konnten. Sie machen es sich sehr einfach und beschränken sich hier auf „Projekteritis“. Das ist nicht nachhaltig, das ist keine auf Dauer ausgerichtete Um setzung des Auftrags der Kunstkonzeption. Die CDU findet, Sie haben hier wirklich eine Chance vertan. Schade drum!

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol lege Kern.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Diese Lan desregierung löst ihre Versprechen ein. Wir belassen es nicht bei vollmundigen Ankündigungen, wir handeln.

Mit dem „Innovationsfonds Kunst“ haben wir begonnen, die von allen Fraktionen gemeinsam mit den Kulturschaffenden erarbeitete Kunstkonzeption „Kultur 2020“ umzusetzen. Trotz knapper Kassen haben wir es geschafft, die Kulturförderung auf ein neues Fundament zu stellen. Auch wenn der Bereich Kultur gerade einmal 1 % des Landeshaushalts ausmacht, schaffen wir es, wichtige neue Akzente zu setzen.

(Beifall bei den Grünen)

Das ist vielleicht gerade die Kunst, auch in der Politik. Knap pe Mittel erfordern Kreativität, mehr Kreativität als bisher.

Wir haben nicht nur die lange geforderte 2:1-Förderung für die Soziokultur umgesetzt, sondern auch mehr Geld in die Breitenkultur, die Amateurtheater und die Laienmusik ge steckt. Mit dem „Innovationsfonds Kunst“ wollen wir ganz neue Wege gehen. Kulturschaffende sollen die Möglichkeit bekommen, in den drei Projektlinien, die Sie vorhin schon be schrieben haben, besondere Initiativen zu starten, wobei der Schwerpunkt auf dem interkulturellen Bereich liegen soll.

Die erste Vergaberunde ist abgeschlossen. Es ist unglaublich, wie viele tolle, kreative Ideen eingereicht wurden. Ob in den Bereichen Theater, Literatur, neue Musik oder Jazz – es sind wirklich ganz besondere Projekte, die in den kreativen Köp fen der baden-württembergischen Kulturszene entstanden sind und auf deren Umsetzung wir uns freuen dürfen.

(Beifall bei den Grünen)

Lassen Sie mich an dieser Stelle nur ein paar Beispiele nen nen: Das Theater Lindenhof startet unter dem Titel „Men schenskind!“ ein integratives Theaterprojekt mit behinderten Menschen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Da müssen Sie mal hin! Da gibt es sehr viel Dialekt! Das verstehen Sie gar nicht!)

Im Projekt „Casa-blanca“ der Württembergischen Landesbüh ne entwickeln Migranten und Asylbewerber ein Theaterstück mit biografischem Material und literarischen Texten, das in einem selbst gebauten Container vor einem Flüchtlingsheim aufgeführt wird. Die „Theaterspinnerei Frickenhausen“ ent wickelt unter dem Titel „Der arme Poet sucht eine Bleibe“ ein multimediales Theaterstück auf dem Nürtinger Marktplatz. Diese drei Beispiele sind zwar alle aus Württemberg, aber doch recht breit gestreut.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Dafür sind Sie aus der Kurpfalz!)

Aber ich habe kein Projekt vor der Haustür. Es ging auch nicht um mich, es ging um die Kultur an sich.

(Beifall bei den Grünen)

Ich könnte noch viele weitere Beispiele aufzählen. Was ich damit sagen will, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Folgen des: Es ist wichtig, dass wir auch und gerade in Zeiten knap per Kassen solche Projekte fördern. Ich habe hier schon ein mal Lyonel Feininger zitiert und tue es wieder:

Kunst ist nicht Luxus, sondern Notwendigkeit.

Das ist unser aller feste Überzeugung.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Ja! Das Zitat ist von Brecht!)

Zur politischen Kultur unseres Landes zählt aber auch, dass wir ehrlich sind. Die globale Minderausgabe trifft auch den Kunstbereich jedes Jahr in beachtlicher Höhe. Auch der Inno vationsfonds wird davon nicht verschont bleiben. Im Unter schied zu den bisherigen Gepflogenheiten der Vorgängerre gierungen, nämlich die GMA möglichst unbemerkt nachträg lich hereinzuholen, ohne dies vorher im Haushalt zu verzeich nen, sind im Entwurf zum neuen Doppelhaushalt die Minder ausgaben zum großen Teil bereits konkret eingearbeitet.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Die eine Million, wo ist die verschwunden?)

Das müssen Sie mich nicht fragen. Das finden wir noch he raus.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Ach so!)

Vielleicht beantwortet es ja der Staatssekretär. Lassen Sie sich einmal überraschen.

Dadurch verringern sich zwar die Ansätze im Haushaltsplan, aber die Einrichtungen wissen dadurch rechtzeitig, mit wel chem Budget sie planen können.

(Zuruf von der CDU)

Haben Sie noch eine Reserve?

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Da ist noch eine!)

Ja, ja.

Sie beschweren sich, dass es Kürzungen im aktuellen Haus haltsentwurf gibt, aber wir müssen und werden die Schulden bremse einhalten. Dazu müssen alle etwas beitragen.

Das, meine Damen und Herren, ist die Politik der Transpa renz, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Eine konkrete Maßnahme für 2013/2014 wird in jedem Fall die Fortschreibung des Innovationsfonds mit 3 Millionen € pro Jahr sein. Die nächsten Ausschreibungsrunden sind schon geplant.