Eines ist völlig blauäugig – das will ich in dieser Runde auch einmal deutlich sagen –: Wer meint, Verhandlungen parallel zu einer Klage führen zu können, der weiß nicht, wie das po litische Geschäft bei diesem Thema läuft.
Es wird keine Verhandlungsbereitschaft der anderen Länder geben, wenn gleichzeitig eine Klage vor dem Bundesverfas sungsgericht anhängig ist. Deshalb: Warten wir einmal ab, wann die Klage wirklich eingereicht wird. Ich weise darauf hin, dass in der zweiten Jahreshälfte in Bayern und Hessen Landtagswahlen stattfinden.
Der Druck ist vorhanden. Eine Klage wird nicht zu Verände rungen des Länderfinanzausgleichs vor 2019 führen. Wer das behauptet, streut den Menschen Sand in die Augen.
Jetzt will ich noch einmal auf die Klagerisiken eingehen. Mit diesem Thema sollten wir sehr verantwortungsvoll umgehen. Es ist ja bezeichnend, dass Sie, als Sie noch in der Verantwor tung waren, zwar die Klage groß angekündigt hatten, sie aber nicht eingereicht haben. Wer sich die Grundzüge des Gutach tens von Professor Seiler anschaut, der weiß auch, warum. Wer dann noch das vertrauliche Schreiben dazunimmt, das Professor Seiler an die damalige Ministerialdirektorin im Fi nanzministerium gerichtet hat, der wird sich ein eigenes Bild darüber machen können, weshalb die Klage nicht eingereicht worden ist.
Ich beziehe mich nur auf die in der Öffentlichkeit bekannten Grundzüge der Argumentation des Gutachtens. Der erste An griffspunkt war damals, die Einwohnerveredelung sei nicht mehr zeitgemäß,
und es gebe Chancen, dass diese für verfassungswidrig erklärt werden könnte. Tatsache ist: Genau mit diesem Punkt hat sich das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtspre chung auseinandergesetzt und die Einwohnerveredelung – wenn die letzte Befassung damit auch schon einige Jahren zu rückliegt – nicht weiter angegriffen.
Übrigens ist diese Einwohnerveredelung, die ja dem Popitz schen Gesetz der Staatswissenschaften aus der Weimarer Zeit zugrunde liegt, nichts Neues. Elemente des gleichen Gedan kens finden sich auch im System des kommunalen Finanzaus gleichs, übrigens auch in Baden-Württemberg. Insofern: Wenn man meint, dass dieser Punkt bloß aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr zeitgemäß wäre und dieser Punkt, zu dem das Bun desverfassungsgericht eine präzise Aussage in der ständigen Rechtsprechung hat, geändert werden könnte, dann wage ich einmal die Ansage: Ob das eine große Chance eröffnet, kann man bezweifeln.
Die zweite zentrale Argumentation des damaligen Gutachtens war, durch die Umkehrung der Finanzkraftreihenfolge sei das gesamte System aus den Fugen geraten.
Das gilt allerdings nur, wenn man alle Ausgleichssysteme – Umsatzsteuerverteilung, Länderfinanzausgleich im engeren Sinn und Bundesergänzungszuweisungen – zusammennimmt. Genau dieser Punkt wurde vom Bundesverfassungsgericht
ebenfalls schon in der Rechtsprechung aufgegriffen. Das Bun desverfassungsgericht hat unterstrichen, dass es nur im Län derfinanzausgleich im engeren Sinn nicht zu einer Umkeh rung der Finanzkraftreihenfolge kommen soll. Das heißt, auch in diesem Punkt läuft das Gutachten gegen eine bereits vor liegende präzise Entscheidung in der Verfassungsrechtspre chung an. Man kann sich die Erfolgsaussichten ausmalen. Man kann immer sagen, man wird klüger. Aber warum aus gerechnet das umgeworfen werden soll, erschließt sich nicht.
Der dritte Punkt – er ist verschiedentlich in der Öffentlichkeit schon zu Recht angesprochen worden – ist die Finanzkraft der Kommunen. Genau zu diesem präzisen Punkt gibt es noch keine Aussage in der Rechtsprechung. Das ist interessant. Man kann sagen: „Das wird so bleiben.“ Das ist das Prinzip Hoff nung. Es kann aber genauso gut sein – darauf verweisen auch verschiedene Rechtsexperten –, dass genau dieser Punkt auf gegriffen wird, weil eine 64-prozentige Anrechnung der kom munalen Finanzkraft aus der Verfassung nicht zwingend ab zulesen ist. Eigentlich gilt eher das Prinzip: Entweder 0 % oder 100 %. Aber warum der anzurechnende Anteil 64 % be tragen soll, ergibt sich aus der Verfassung nicht unmittelbar.
Deshalb sage ich Ihnen: Wir, die Landesregierung, sehen – gerade auch in Kenntnis der Gutachten und der Beweggrün de, die offensichtlich dazu geführt haben, dass die damalige Landesregierung keine Klage eingereicht hat – diese Klage risiken, und wir werden sehr verantwortungsvoll mit den Ri siken einer solchen Klage umgehen. Wir sind auf gutem Weg, was die Verhandlungen anbelangt. Wir haben da Fortschritte erreicht und werden konsequent darauf drängen, dass dieser Länderfinanzausgleich gerechter und leistungsgerechter auch für die starken Länder wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf ein paar wenige Punkte ein gehen, die angesprochen worden sind.
Zunächst, Herr Kollege Schmiedel, sprechen Sie immer wie der an: Wie kam es zum jetzigen Länderfinanzausgleich? Es kam dazu, weil eine Klage – mitgetragen von Baden-Würt temberg – erfolgreich war. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass das damalige Finanzausgleichssystem nicht verfassungsgemäß war, und hat den Ländern aufgegeben, ein neues System auszuhandeln.
Nach langen Verhandlungen ist ein Kompromiss gefunden worden, der für Baden-Württemberg zunächst besser war als das alte System. Aber im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass dieses System nicht nur kompliziert und intransparent ist, son dern dass es sich bei bestimmten wirtschaftlichen Lagen auch zum Nachteil Baden-Württembergs und anderer wirtschafts starker Länder auswirkt.
Insofern waren die Verhandlungen damals richtig und sinn voll. Die Auswirkungen dieses komplizierten Systems haben
sich im Laufe der Zeit jedoch anders dargestellt, als man da mals meinte. Aus diesem Grund muss jetzt eine Änderung er folgen. Hier sind wir uns ja einig.
Zweite Bemerkung: Herr Ministerpräsident, Sie haben ange sprochen, dass wir Sie mit unserem im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen gestellten Antrag zum Rechtsbruch auffordern würden. Das ist völliger Unsinn. Wenn Sie die Be gründung unseres Antrags gelesen hätten – ich habe sie hier –, hätten Sie erkannt, dass wir Sie aufforderten, Ihren entspre chenden Ausgabenansatz im Haushaltsjahr 2014 und nicht schon 2013 um 100 Millionen € zu reduzieren. Das war be wusst so gewählt. Wenn wir bereits vor einem Jahr Klage ein gereicht hätten und wenn jetzt ein Urteil getroffen worden wä re, dann wäre es durchaus möglich gewesen, dass wir bis 2014 einen gerechteren Länderfinanzausgleich hätten, der uns mehr als die 100 Millionen € geringere Ausgaben beschert hätte. Das stand in der Begründung.
(Staatssekretär Ingo Rust: Ach was! Ach was! Das stimmt nicht! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Märchenstunde der CDU!)
Herr Schmiedel und Herr Finanzminister, Ihnen konnte es doch gar nicht schnell genug gehen. Sie haben im Jahr 2010 hier im Haus beantragt, dass Baden-Württemberg spätestens bis zum 30. November 2010 klagen sollte.
Die Antwort, Frau Sitzmann, des damaligen Ministerpräsiden ten Mappus war: „Nein, wir wollen erst alle Verhandlungs möglichkeiten ausloten und dann Klage einreichen.“ Sie ha ben eben das Gegenteil behauptet. Lesen Sie es in den alten Protokollen nach.
Das entsprechende Protokoll des Landtags zeigt ganz genau auf, was damals gesagt worden ist. Betreiben Sie hier keine Geschichtsverdrehung.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Märchenstunde! – Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Wir erinnern uns an Mappus und die Bierzelte!)
Ein letzter Punkt: Die Klage kommt. Bayern und Hessen wer den im Februar beschließen, Klage einzureichen. Herr Finanz minister, was soll dann noch die Drohkulisse, die Sie aufbau en wollen? Jetzt, nachdem Sie eineinhalb bis zwei Jahre nichts erreicht haben, gibt es nur noch die Möglichkeit, sich der Kla ge anzuschließen und ihr damit größere Chancen zu geben; denn wenn sich alle drei Geberländer daran beteiligen, ist es doch logisch, dass der Klage ein größerer Stellenwert zu kommt, als wenn sich daran nur zwei Länder beteiligen oder ein Land beteiligt.
Beteiligen Sie sich an der Klage! Nur dann können auch wir einen entsprechenden Erfolg – möglicherweise schon im Jahr 2014 – für Baden-Württemberg haben.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Da niel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das glauben Sie doch selbst nicht! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Träumen Sie weiter! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Die Klage ist aussichtslos!)