Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Da will ich einmal sagen: Ihr Konzept ist viel zu eng ausge legt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Halt! Er sagte, der Minister präsident habe gar keines!)

Ihr Konzept schielt nur darauf, was aus unserem Haushalt in andere Haushalte geht. Das ist viel zu eng betrachtet.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist doch völlig in Ord nung! Lassen Sie uns nicht über Konzepte streiten!)

Das Geld, das der Bund verteilt, kommt doch nicht aus Euro pa, das kommt doch aus den Ländern, auch aus Baden-Würt temberg. Die Bundesergänzungszuweisungen, die genauso willkürlich auf die Länder verteilt werden, die nicht bei uns landen, sondern bei anderen Ländern, sind mit über 14 Milli arden € fast doppelt so hoch wie die über den Länderfinanz ausgleich verteilten Mittel. Also ist doch das Konzept richtig, zu sagen: Lasst uns nicht nur den Länderfinanzausgleich so gestalten,

(Abg. Peter Hauk CDU: Ist doch in Ordnung!)

dass alle etwas davon haben, sondern auch die anderen Ver teilsysteme, die über den Bund gesteuert werden, für die das Geld aber auch aus den Ländern kommt, mit einbeziehen, da mit es insgesamt stimmiger wird. Dann macht es natürlich Sinn, zu sagen: Die Sonderlasten, die Berlin hat, müssen in den Bundesergänzungszuweisungen berücksichtigt werden und nicht im Länderfinanzausgleich.

Wenn man sich verständigen kann, auf dieser Grundlage die Gespräche zu führen, ist das allemal erfolgversprechender als der Verbalradikalismus: „Jetzt ziehen wir vor Gericht, und das gibt uns recht, weil wir die besten Argumente haben.“ Das ist überhaupt nicht sicher. Das Ergebnis des letzten Verfahrens zeigt, dass das Gegenteil der Fall sein kann.

Unterstützen Sie deshalb die Landesregierung in dem Bemü hen, alle Finanzsysteme einzubeziehen, die Anreize für Ge ber und Nehmer gleichzusetzen. Dann sind wir sicher, dass wir in absehbarer Zeit – nicht von heute auf morgen – zu Er folgen kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Im Übrigen ist das ja nicht nur eine FDP-Rennstrecke. Der Berliner Flughafen ist ein Bundesflughafen, und Bundesver kehrsminister Ramsauer ist der Hauptverantwortliche, wie wir mittlerweile wissen. Wenn Sie sich also darüber austoben wol len, was bei diesem Flughafen schiefläuft, zeigt vielleicht ein Finger auf die Regierung in Berlin und einer auf die in Bran denburg,

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

aber es zeigen drei Finger auf die Bundesregierung, und das sind Sie.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist ja etwas ganz Neues!)

Für die Landesregierung spricht der Minister für Finanzen und Wirtschaft Dr. Nils Schmid.

(Abg. Peter Hauk CDU: Der darf jetzt auch was sa gen!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Mal diskutiert das Hohe Haus über den aktuel len Länderfinanzausgleich und über seine Defizite. Die Kri tikpunkte, die auch in der vorangegangenen Legislaturperio de fraktionsübergreifend mehrfach festgestellt worden sind, sind die Kritikpunkte, die von allen vier Fraktionen des Land tags einvernehmlich in die Verhandlungen zur Föderalismus reform II eingebracht worden sind. Ich will aber trotzdem vor weg noch auf eines hinweisen: Der Länderfinanzausgleich in der aktuellen Form ist nicht unser Länderfinanzausgleich, son dern Ihr Länderfinanzausgleich.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wenn Sie sich jetzt darüber beklagen, man hätte versäumt, für die Länder, die sich unzureichend an der Haushaltskonsoli dierung beteiligen, Sanktionen in das Ausgleichssystem ein zubauen, muss ich Sie darauf hinweisen: Sie haben diesen Länderfinanzausgleich verhandelt, und Sie haben es eben nicht geschafft, solche Sanktionen hineinzuverhandeln.

Ich will Ihnen zugutehalten, dass es sich hier im Unterschied zu den europäischen Vereinbarungen um Verfassungsrecht handelt

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

und dass es für ein einzelnes Land eben nicht möglich ist, sol che Sanktionierungen durchzusetzen. Das ist der große Un terschied zur europäischen Ebene. Dort war es möglich, dass Deutschland aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips bei völ kerrechtlichen Verträgen – darauf beruht das gesamte europä ische Sanktionierungssystem – als einzelnes Land beim Neu aufbau eines solchen Systems auf der Basis von völkerrecht lichen Verträgen eine solche Sanktionierung durchsetzen konnte.

(Abg. Peter Hauk CDU: War das jetzt gut oder schlecht?)

Das geht in einem bestehenden verfassungsrechtlichen Sys tem zwischen Bund und Ländern in Deutschland eben nicht.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nicht!)

Beim Neuaufbau eines Teilsystems im deutschen Verfassungs recht, nämlich bei den Konsolidierungsbeihilfen, die aufgrund der Verhandlungen der Föderalismuskommission II eingeführt worden sind, ist das übrigens gemeinsam gelungen. Das war jedoch nur möglich, weil es sich um ein zusätzliches Element gehandelt hat.

Insofern geht die ganze Argumentation, man solle das einfach so wie auf europäischer Ebene machen, völlig fehl, weil dies an den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen völlig vorbei geht.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das geht nicht!)

Wenn Sie es gewollt hätten, hätten Sie es bei den letzten Ver handlungen zum Länderfinanzausgleich durchsetzen können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb sage ich: Die Linie der Landesregierung ist klar. Herr Ministerpräsident Kretschmann hat sie noch einmal ausführ lich erläutert. Ich muss sagen: Ich bin froh, dass wir einen Mi nisterpräsidenten haben, der das Gaspedal nicht immer gleich wie ein Wilder voll durchdrückt, sondern den Wagen umsich tig steuert. Das ist besser, als ein finanzpolitischer Geisterfah rer zu sein, wie wir Sie heute wieder erlebt haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Helmut Wal ter Rüeck CDU: Für die Geisterfahrt haben wir ja den Finanzminister! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Für die Schulden!)

Die Linie ist von Anfang an klar. Sie entspricht dem, was auch die SPD vor der Wahl immer gesagt hat. SPD und Grüne ha ben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir eine tief greifende Reform der Finanzausgleichsbeziehun gen und der Bund-Länder-Beziehungen in Finanzangelegen heiten anstreben – kurz gefasst: eine Föderalismuskommissi on III.

(Abg. Peter Hauk CDU: Gibt es jetzt Verhandlun gen?)

Wir haben auch – Herr Rülke, das haben Sie zu Recht festge stellt – darauf hingewiesen, dass ein wichtiges Element die ser Verhandlungen sein muss, die Steuerautonomie der Län der zu verstärken. Auch das steht schon im Koalitionsvertrag.

Gleichzeitig war die Linie bezüglich der Frage einer Klage gegen den Länderfinanzausgleich auch immer glasklar. Wir haben gesagt: Wir setzen auf Verhandlungen. Sie haben übri gens wortwörtlich auch das zitiert, was die SPD-Fraktion hier einmal vorgetragen hat.

Aber die Klagedrohung bleibt auf dem Tisch, weil wir das als Drohkulisse aufrechterhalten. Wir haben die Klagedrohung nie vom Tisch genommen, haben aber gesagt: Wir wollen den Verhandlungsweg beschreiten, und zwar aus den Gründen, die verschiedentlich diskutiert worden sind, nämlich dass eine Klage

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

nicht einen neuen Länderfinanzausgleich, sondern nur Ver handlungen bringen wird.

Deshalb ist es richtig, dass der Herr Ministerpräsident auf sei ner Ebene, der Ministerpräsidentenkonferenz, und ich als Fi nanzminister auf meiner Ebene, der Finanzministerkonferenz, für diesen Verhandlungsweg geworben haben. In den andert halb Jahren unserer Regierungszeit sind wir schon vorange kommen. Es war dem Verhandlungsgeschick von Herrn Kretschmann zu verdanken, dass jetzt ein klarer Fahrplan ver handelt und vereinbart worden ist.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber er wird doch hinfällig, wenn die Klage kommt! Das hat er doch selbst gesagt! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Jetzt ist die Finanzministerkonferenz am Zug. Sie legt den Verhandlungsrahmen fest. In dieser Phase, sehr verehrter Herr Hauk, wäre es völlig fatal, wenn wir jetzt mit einem Konzept für die Reform allein des Länderfinanzausgleichs im engeren Sinn auftreten würden.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ach so! Also jetzt doch kein Konzept! Er will ein Konzept, Sie wollen kein Kon zept!)

Nein, der Verhandlungsrahmen betrifft die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern insgesamt,

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

also alle Stufen des Finanzausgleichssystems: die Steuerver teilung, den Länderfinanzausgleich im engeren Sinn und die Bundesergänzungszuweisungen. Darüber hinaus geht es um Themen, die auch schon in der Föderalismuskommission II angesprochen worden sind, wie die Steuerautonomie und „an dere Finanzflüsse zwischen Bund und Ländern“. Dies ist der Verhandlungsrahmen, der in diesem Jahr abgesteckt wird.

Jeder weiß, dass es erst nach der Bundestagswahl in einem nächsten Schritt zu politischen Verhandlungen kommen wird. Unser Ziel ist es, dass wir dann die Zeit nutzen, um im Wege einer Föderalismusreform III all diese Dinge zu besprechen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Es ist ganz wichtig, dass wir nicht nur den Länderfinanzaus gleich im engeren Sinn in den Blick nehmen, sondern insge samt die Verteilungen der Finanzströme und der Steuerein nahmen zwischen Bund und Ländern angehen.

Übrigens müssen wir in der jetzigen Phase eher darauf ach ten, dass bestimmte Länder nicht versuchen, auch noch wei tere Verteilsysteme, z. B. die Frage „Wer profitiert von be stimmten Steuervorteilen?“, nach Ländern aufgeteilt, in das System hineinzumischen. Das heißt, in der jetzigen Phase ist es entscheidend, den Verhandlungsrahmen abzustecken.

Eines ist völlig blauäugig – das will ich in dieser Runde auch einmal deutlich sagen –: Wer meint, Verhandlungen parallel zu einer Klage führen zu können, der weiß nicht, wie das po litische Geschäft bei diesem Thema läuft.