Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Ausgerechnet die landes weit für Tourismus zuständige Industrie- und Handelskammer – oder soll ich sagen: der CDU-Gemeinderat als IHK-Ge schäftsführer? – redet davon, dass ein Waldland im Schwarz wald, also sozusagen im Black Forest, nicht gewünscht wer de. Dazu muss ich schon sagen: Wenn die Schwarzen nur noch

„black“, aber nicht mehr „forest“ verstehen, dann wird es be denklich.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Heiterkeit der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

„Forest“ heißt „Wald“. Forest ist eine Marke, und Wald ist ei ne Marke, und zwar eine positive. Wenn Herr Keppler aber fortfährt zu sagen, ein Nationalpark müsse nicht zwingend ein Image eines Waldlands bekommen, dann muss ich sagen: Wel ches Image soll denn der im Staatswald entstehende National park im Schwarzwald, wenn er kommt, bekommen, wenn nicht das eines Waldes? Das, was da von Ihrem Kollegen ge äußert wird, ist irgendwie sehr verquer. Aber ich hoffe, dass das nicht die Auffassung der Mehrheit in der CDU ist.

Stärken und Chancen: Jeder Nationalpark bekommt eine Be sucherinfrastruktur. Schauen Sie einfach hin: Es gibt einen Baumwipfelpfad im Nationalpark Hainich, ein Baumhaus im Erweiterungsgebiet Nationalpark Bayerischer Wald und das Multimediazentrum im Nordseeraum. Das alles sind Besucher einrichtungen, die mehrere Hunderttausend Besucher zusätz lich anziehen, Besucher, die nicht kommen würden, gäbe es dort keinen Nationalpark. Damit verbunden gibt es nationale Kriterien, die vorschreiben, dass Informationszentren haupt amtlich besetzt sein müssen.

Jetzt noch ein Wort zur Kollegin Kurtz: Ich bin fassungslos. Nichts für ungut, Kollegin Kurtz – jetzt ist sie offenbar leider draußen –

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Ganz nah bei Ihnen!)

ach, da sind Sie; Sie haben sich umgesetzt; es freut mich, dass Sie nähergekommen sind –, aber: Die Debatte der letz ten Jahrzehnte um Umweltpolitik und Umweltethik, um die Verantwortung für die Menschheit, scheint an Ihnen in Böb lingen völlig vorbeigerauscht zu sein. Herr Kollege Schmie del hat die Aussage schon zitiert. Mit dieser Ihrer Logik wä ren Hunderte von Nationalparken auf dieser Welt überhaupt nicht entstanden oder würden dem biblischen Auftrag entge genstehen.

Noch fassungsloser macht mich Ihre zweite Aussage, die Herr Kollege Schmiedel nicht zitiert hat. Sie ist aber wichtig. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten Frau Kollegin Kurtz:

Es gibt keine Erhaltung der Schöpfung ohne menschli ches Ordnen und Gestalten.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig! Natürlich! Das kann man im ersten Semester im Theologiestu dium lernen!)

1975 hat ein gewisser Herbert Gruhl, ein CDU-Politiker, ein Buch mit dem Titel „Ein Planet wird geplündert“ geschrieben. Es sind fast 40 Jahre ins Land gegangen, seit Gruhl als über zeugter Christ dieses überhebliche Verhalten des Menschen gegenüber der Natur gegeißelt hat. Im Jahr 2013 kommen Sie wieder damit an. Mit Ihrer Formulierung maßen Sie sich an, zu behaupten, dass die Schöpfung ohne menschliches Ordnen und Gestalten nicht erhalten werden könne. Wie sah es denn bei Ihnen in Leonberg vor 10 000 Jahren aus?

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen)

Ich frage Sie im Ernst: Gehören Sie zu den Kreationisten, die abstreiten, dass sich die Natur über Millionen Jahre entwickelt hat?

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Unter menschlichem Ein fluss!)

Wer hat denn vor 10 000 Jahren, also am Ende der Würmeis zeit, bei Ihnen in Leonberg die Schöpfung geordnet und ge staltet? Es ist doch völlig absurd, was Sie erzählen.

Zu diesem Punkt soll das genug sein. Weiter geht es in der zweiten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Kollege Dr. Rösler, gestatten Sie ei ne Nachfrage der Kollegin Kurtz? Sie ist gerade mehrfach von Ihnen angesprochen worden.

Herr Kollege Rösler, ich will mich auf keine theologischen Diskussionen mit Ihnen einlassen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das wäre aber schön!)

denen wir beide wahrscheinlich nicht zu 100 % gewachsen wären. Ich möchte Sie aber fragen, ob Sie mir zustimmen, dass es in unserer durch das Christentum geprägten Kultur durchaus einen Auftrag des Bewahrens und des Bebauens im Zusammenhang mit dem Umgang mit der Natur gibt.

Außerdem möchte ich Sie fragen, ob Sie mir zustimmen, dass in unserer durch das Christentum geprägten Kultur durchaus anerkannt wird, dass auch der Mensch Teil der Schöpfung ist und dabei einen Ordnungsauftrag nach unserem weitverbrei teten biblischen Verständnis hat.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Buch Genesis!)

Außerdem stellt sich mir die grundsätzliche Frage, worum es Ihnen eigentlich geht. Geht es Ihnen um Wirtschaftsförderung, oder geht es Ihnen um die Erhaltung und Pflege der Natur?

Sind Sie – das ist meine dritte Frage – bereit, anzuerkennen, dass jede Region in ihrer Einzigartigkeit gesehen werden muss und dass es einen Unterschied gibt zu den Nationalparken z. B. im Wattenmeer und in den weitläufigen USA, wo es tat sächlich noch völlig unberührte Naturlandschaften gibt?

Sind Sie außerdem bereit, anzuerkennen, dass der Nord schwarzwald vor allem in den vergangenen Jahrzehnten eine sehr wohltuende, pflegliche Behandlung durch die badenwürttembergische naturnahe Waldpflege erhalten hat? Wollen Sie das Risiko eingehen, diese Erfolge zunichtezumachen, in dem Sie einfach eine Käseglocke darüberstülpen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Kollegin Kurtz, das wa ren fünf Fragen. Ich beantworte sie gern, wenn mir die Zeit dazu gegeben wird.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Nach der vierten machen wir Mittagspause! – Unruhe – Glo cke des Präsidenten)

Erstens haben Sie nach dem Bewahren und Bebauen gefragt. Sie haben vollkommen recht: Das Bebauen betrifft den Be reich außerhalb des Nationalparks. Das Bewahren betrifft den Bereich innerhalb des Nationalparks. Auch das ist unsere Auf gabe.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Ablasshandel ist das!)

Wir müssen beides berücksichtigen; denn wir brauchen ein Sowohl-als-auch. Deswegen benötigen wir Kulturlandschaf ten wie z. B. Biosphärenreservate und Naturparke einerseits sowie Nationalparke andererseits.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Beate Böhlen GRÜ NE: Er kennt sich aus!)

Zweitens haben Sie angesprochen, dass der Mensch Teil der Schöpfung ist. Selbstverständlich ist der Mensch Teil der Schöpfung. Darin besteht völliger Konsens. Ferner hat der Mensch einen Ordnungsauftrag. Darüber, wie dieser aussieht, können wir debattieren, aber das würde jetzt den Rahmen sprengen.

Drittens haben Sie gefragt, worum es mir geht, um Ökonomie oder um Ökologie. Es geht natürlich um beides.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! – Abg. Sabi ne Kurtz CDU: Sie reden nur vom Tourismus!)

Mit Verlaub: Wir diskutieren hier zum vierten Mal über den Nationalpark. Ich habe dreimal gesagt, dass es uns um die Kombination geht. Wenn unser Minister Bonde wollte, dann könnte er von jetzt auf gleich auf dem Verordnungsweg Bann wälder ausweisen, ohne dass das Parlament, außer auf dem Verordnungsweg, etwas davon mitbekommt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Bringen Sie ihn bloß nicht auf schlechte Ideen!)

Das ökologische bzw. naturschutzfachliche Ziel wäre das glei che. Der ökonomische Aspekt würde jedoch fehlen. Deswe gen entscheiden wir uns – hoffentlich – für einen National park. Wir sind dafür und werben auch dafür, weil dadurch Ökonomie und Ökologie miteinander verbunden werden kön nen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Viertens haben Sie angemerkt, jede Region sei einzigartig. Natürlich ist das so. Damit haben Sie vollkommen recht. Das streite ich gar nicht ab.

Fünftens haben Sie darauf hingewiesen, dass der Nord schwarzwald pfleglich behandelt worden sei. In großen Tei len stimmt das. Das widerspricht aber nicht unserem Auftrag, die Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung umzusetzen, die von Bundeskanzlerin Merkel unterzeichnet wurde und in der steht, dass wir auch große ungenutzte Flächen brauchen. Diese großen ungenutzten Flächen sind nun einmal National parke.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Kollege Dr. Bullinger.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Schmie del, angesichts der Überschrift „Der Nationalpark stärkt den Nordschwarzwald“ sollten wir einmal ein bisschen Grund ma chen und uns Wirtschaftszahlen in anderen Regionen anschau en, z. B. im Gebiet des Nationalparks Harz oder im Bayeri schen Wald. Dazu werde ich nachher noch etwas sagen.

Recht hätten Sie wirklich, wenn Sie die Überschrift gewählt hätten: „Der Nationalpark stärkt die Borkenkäfer“. Dann hät ten Sie auf jeden Fall recht gehabt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Thomas Reusch- Frey SPD: Ach Quatsch!)