Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf: Sehr gut!)

Herr Kollege Blenke, ich bin dafür, dass wir jetzt in die Pha se eintreten, dies konstruktiv und sachlich zu beraten, und dass wir aufhören, gerade junge Polizeianwärterinnen und Polizei anwärter – das ist völlig überflüssig – zu verunsichern.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Ich bitte Sie: Beteiligen Sie sich an diesem konstruktiven Di alog. Reden wir über Fakten.

Ist der Ausbildungsort heute das entscheidende Kriterium?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja!)

Ich sage: Nein. Die polizeiliche Erfahrung beweist das auch. Wir haben durch den Standort in Böblingen nicht entschei dend mehr Bewerberinnen und Bewerber aus dem mittleren Neckarraum gewonnen. Das ist ein Ammenmärchen. Die jun gen Menschen wissen, dass sie sich heute orientieren müssen und dass Mobilität gefragt ist.

Bei der Polizei gibt es eine duale Ausbildung. Das heißt, die jungen Polizisten sind nicht nur an ihren Ausbildungsstätten, sondern sie kehren auch in die Reviere und Dienststellen zu rück. Die Ausbildung ist damit wohnortnah, regional und hei matbezogen. Auch dort werden sie ausgebildet. Das wissen Sie aber. Behaupten Sie deswegen doch nicht einfach etwas, was nicht stimmt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Also machen Sie die Entscheidung von 1992 rückgängig!)

Wir haben schlicht und einfach die Erfahrung gemacht, dass wir durch die Verknüpfung von Ausbildung und Einsatz an derzeit acht Standorten in Baden-Württemberg viele Syner gien nicht nutzen können. Denn wir haben dadurch viele Schnittstellen; wir müssen Parallelstrukturen vorhalten, gera de was die Ressourcen betrifft. Das führt zu Effizienzverlus ten. Das ist ein eindeutiges fachliches Urteil aus den Reihen der Polizei. Wir in der Politik versuchen, dem durch unsere Maßnahmen gerecht zu werden. Die richtige Konsequenz da raus ist eine sortenreine Aufstellung von Einsatz und Ausbil dung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Diese Konsequenz ziehen wir. Deswegen gibt es ein neues Modell, das Ein-Träger-Modell. Übrigens ist im bundeswei ten Vergleich festzustellen, dass es nirgendwo mehr ein DreiTräger-Modell wie in Baden-Württemberg gibt. Wir nähern uns mit dem neuen Modell dem Standard an. Wir gewinnen erhebliche Synergien. Wir werden die Qualität verbessern.

Ich bin mir sehr sicher, Herr Kollege Blenke: Wenn dies um gesetzt ist, werden auch Sie aufhören, diese Märchen zu er zählen. Aber schon jetzt wäre meine herzliche Bitte, die Ver unsicherung der jungen Polizeianwärterinnen und Polizeian wärter sein zu lassen und in dieser entscheidenden Phase in einen gemeinsamen konstruktiven Dialog einzutreten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Rita Haller- Haid und Nikolaos Sakellariou SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Sakellariou das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über die Neu organisation der Ausbildung bei der Polizei. Ich lege Wert auf die Feststellung: Es ist eine Neuorganisation. Herr Kollege Blenke, Sie sagen, Sie verlangen bei uns Augenmaß in der Umsetzung. Dann verlange ich von Ihnen Augenmaß bei der Kritik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu dem, was Sie sich hier zu sagen erlaubt haben, sage ich – es tut mir leid –: Es geht nicht um eine Zerschlagung der Po lizei.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Zumindest darüber sind wir uns hoffentlich einig. Es geht da rum, die Polizei neu zu organisieren und die Ausbildung im Interesse der jungen Polizistinnen und Polizisten zu verbes sern. Dabei nimmt man auch Punkte auf, die sich einfach ge ändert haben, wie man aus der Erfahrung weiß.

Zweitens: Bitte verbreiten Sie nicht die Behauptung, dass die Ausbildung durch diese Veränderungen praxisferner werde. Nein, sie wird nicht praxisferner, sondern es wird einen Teil Theorie und einen Teil Praxis geben; es ist eine duale Ausbil dung mit einer Aufteilung, wie es sich auch anderenorts als vernünftiges Modell erwiesen hat. Dies wird bei der Polizei stattfinden, und zwar heimatnah in den Revieren.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich möchte noch etwas vorausschicken: Die Kritik schlägt auch deswegen fehl, weil diese Reform – ich möchte es wie derholen – nicht von irgendwelchen Menschen hier im Land tag entwickelt wurde, sondern von Vertretern der Polizei selbst entwickelt wurde. Diese Veränderung und diese Reform sind aus der Polizei heraus entwickelt worden. Das, was Sie hier vorfinden, ist das Ergebnis.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja, ja!)

Das ist gut so. – Ich sage Ihnen noch etwas: Je mehr ich mich mit dem Thema befasse, desto mehr leuchtet mir ein, dass die jenigen aus den Reihen der Polizei, die das Modell entwickelt haben, sich etwas dabei gedacht haben. Je tiefer ich mich da mit befasse, desto deutlicher wird mir, dass das der richtige Weg ist.

Das will ich auch begründen: Vorher hatten wir Bildungsein richtungen an acht unterschiedlichen Standorten, deren Per sonal, wie gesagt, teilweise auch als Bereitschaftspolizei Ein sätze zu fahren hatte. Acht solche Standorte hatten wir mit den entsprechenden Leitungsfunktionen, mit Verflechtungen, mit Doppelstrukturen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Über das Land ver teilt!)

Was ich jetzt vorfinde, ist eine saubere Gliederung: Die Be reitschaftspolizeieinheiten in Bruchsal und Göppingen wer den reine Bereitschaftspolizeieinheiten – ich habe mir eine Grafik gemacht –,

(Abg. Konrad Epple CDU: Damit er es versteht!)

die dadurch Synergien bringen werden, dass die Kräfte als rei ne Einsatzeinheiten unter Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes viel besser, effektiver und schneller zu den Standorten kom men können, wo sie jeweils gebraucht werden. Sie werden fle xibler sein, sie werden schneller verfügbar sein, und sie wer den auch effektiver sein können. Das ist vernünftig.

Auf der anderen Seite werden wir zwei reine Ausbildungsein heiten haben, die dann aber auch Ausbildungseinheiten sind, aus denen heraus die jungen Polizistinnen und Polizisten sehr heimatnah ihren Dienst in den Revieren antreten können.

Ich finde es ja legitim, sich Gedanken zu machen, ob durch diese Veränderungen die Attraktivität des Polizeiberufs mög licherweise geringer wird.

(Abg. Karl Klein CDU: So ist es!)

Das ist legitim, und das muss eine Opposition auch machen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Die Regierung!)

Der Entschluss, Böblingen als Bereitschaftspolizei- und Aus bildungsstandort zu wählen, um die Polizistinnen und Polizis ten aus dem Ballungsraum heimatnah anzuwerben, war 1992 ein richtiger und wichtiger Gedanke. Wenn sich aber in der Folgezeit herausstellte, dass das Ziel nicht erreicht wurde, und ferner nun zu beobachten ist, dass die Mobilität der jungen Leute, auch was ihre Ausbildungsplätze angeht, einfach grö ßer geworden ist, dann muss man doch sagen: Die Idee war gut gemeint, hat jedoch den gewünschten Effekt nicht erzielt; also steuern wir um und machen Ausbildungseinheiten, die auch Sinn machen, weil die Ausbildung zusammengeführt wird.

Ich sage Ihnen: Ich war, nachdem ich die Schule beendet hat te, bei der Bundeswehr in Lübeck – vom Schwarzwald aus. Die Ausbildung habe ich in Berlin gemacht. Ich erwarte auch von meinen Kindern, dass sie, wenn sie mit ihrer Schulaus bildung fertig sind, auch einmal weggehen und nicht bei mir wohnen bleiben und dann 20 km weiter weg, sage ich einmal, irgendeinen Ausbildungsplatz suchen, nur damit sie weiterhin von mir die Wäsche gewaschen bekommen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Am Ende studieren sie noch in Schwäbisch Hall!)

Die Jugendlichen sind mobiler, als Sie es hier verbreiten. Das gilt insbesondere für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Sie haben das Kriterium Heimatnähe geprägt. Ich habe ein mal geschaut, wie die fünf Standorte, wenn wir sie so gelas sen hätten, wie Sie es wollten, aus der Sicht eines Hohenlo hers ausgesehen hätten, der gern Polizeibeamter hätte werden wollen. Von Schwäbisch Hall sind es nach Bruchsal 120 km einfach, nach Lahr 250 km, nach Biberach 210 km, nach Böb lingen 108 km; nach Göppingen sind es zwar nur 64 km, doch ist man aufgrund der Straßenverbindung mindestens andert halb Stunden unterwegs.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Er geht nach Bay ern!)

Also besteht auch bei dieser alten Struktur für einen Hohen loher nicht die Möglichkeit, heimatnah untergebracht zu wer den. Deswegen ist auch der Duktus Ihre Antrags – der Poli zeiberuf sei bislang deshalb so attraktiv gewesen, weil alle heimatnah untergebracht werden konnten – einfach falsch.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bei der neuen Orga nisation geht er nach Bayern!)

Wir werden Ihren Änderungsvorschlägen schon deshalb nicht zustimmen können,

(Abg. Winfried Mack CDU: Weil sie von uns kom men!)

weil die Vorstellungen, die hier vorgetragen wurden, einfach schlüssig und besser sind als das bisherige System, das Sie uns hinterlassen haben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Heute Morgen hat Kollege Hahn die Frage gestellt, wo denn diese Landesregierung und die Regie rungsmehrheit etwas tun würden, was den ländlichen Raum schwächt. Da muss man sagen: hier eigentlich schon wieder. Denn unter dem Strich bleibt natürlich für den ländlichen Raum weniger übrig, gerade wenn man auch die Weiterbil dung berücksichtigt, die jetzt in Wertheim ist.