Die entsprechenden Pensionen sind ebenso aus den künftigen Haushalten zu bezahlen wie die Bezüge der Mitarbeiter, die neu eingestellt werden müssen, um diese Entwicklung zu kompensieren.
Ganz klar: Hier kann die Politik wenig tun, um diese künfti gen Belastungen des Landeshaushalts jetzt noch in ihrer Hö he zu beeinflussen. Doch sie könnte sehr wohl etwas tun, um diese Belastungen des Haushalts nicht zu einer schweren Bür de für unsere Kinder und Kindeskinder werden zu lassen: Sie kann ausreichend Rücklagen bilden.
Leider wurde dies in der Vergangenheit sträflich versäumt. Beispielsweise hat die SPD-Landtagsfraktion schon im Jahr 1997 die Einrichtung eines Pensionsfonds gefordert. Es ist ja nicht so, dass diese Entwicklung über Nacht gekommen wä re; ganz im Gegenteil.
Hinzu kommt, dass eine Darstellung der daraus resultieren den Belastungen im kameralistischen Rechnungswesen nicht vorgesehen und deshalb aktuell auch nicht möglich ist. Erst mit der Einführung einer Vermögensrechnung werden wir die Belastungen in Form von Pensionsrückstellungen künftig jähr lich berechnen können.
Doch es gibt Anhaltspunkte. So leitet der Rechnungshof Ba den-Württemberg in der Denkschrift 2010 aus der hessischen Eröffnungsbilanz, die 38 Milliarden € Pensionsrückstellun gen ausweist, für Baden-Württemberg einen Rückstellungs bedarf von mittlerweile 70 Milliarden € ab. Aus der Sicht der Landesregierung erscheint diese Schätzung durchaus plausi bel.
Die Gegenüberstellung ist ernüchternd: Tatsächlich sind zum Stichtag 31. Dezember 2010 knapp 1,9 Milliarden € zurück gelegt. Berücksichtigt man die geplanten Zuführungen und die voraussichtlichen Renditen aus der Anlage, wird sich das Volumen der Versorgungsrücklage im Jahr 2018, zum Beginn der schrittweisen Entnahme, auf ca. 4 Milliarden € belaufen, das Volumen des Versorgungsfonds im Jahr 2020 auf ca. 3,3 Milliarden €. Das steht in keinem Verhältnis zu den in den kommenden Jahren tatsächlich auf das Land zukommenden Belastungen.
Konkret bedeutet das, dass wir einen weiteren ungedeckten Scheck auf die Zukunft haben, und zwar einen gewaltigen: Mehr als 68 Milliarden € an zukünftigen Pensionsverpflich tungen sind derzeit nicht gedeckt.
Wer noch immer von einem „bestellten Haus“ reden will, soll te jetzt ganz genau zuhören. Denn jeder Häuslebauer würde sich schämen, wenn er seinen Kindern ein Haus mit solchen Hypotheken hinterlassen würde.
Ich rede von dem über Jahre hinweg ignorierten Sanierungs stau bei den Liegenschaften des Landes. Insgesamt besitzt das Land rund 8 000 Gebäude. Etwa 1 800 Objekte sind zusätz lich angemietet. Zusammen ergibt das eine Gebäudefläche von rund 11,5 Millionen m2. Das entspricht etwa 60 000 moder nen Einfamilienhäusern.
Auch für diese Objekte gilt natürlich, was jeder Häuslebauer weiß: Ein Gebäude ist, auch bei regelmäßiger Instandhaltung zum Erhalt seiner Funktionsfähigkeit, nach 50 bis 60 Jahren abgewirtschaftet. Als Faustregel gilt, dass bei einer durch schnittlichen Nutzungsdauer von 50 bis 60 Jahren ein jährli cher Werteverzehr, also eine Abschreibung, in Höhe von rund 1,5 bis 2 % des Wiederherstellungswerts erfolgt. Anfang 2011 betrug dieser Wiederherstellungswert für die landeseigenen Gebäude rund 22 Milliarden €.
Will man nun den Sanierungsstau ermitteln, muss man ihn zu nächst vom Sanierungsbedarf unterscheiden. Im Jahr 2004 wurde der Gebäudezustand für den Hochschulbereich erho ben und ein Sanierungsbedarf von 4 Milliarden € ermittelt. Im sogenannten Bezirksbau, der für die Landesverwaltung und für Kulturbauten wie Schlösser und Gärten zuständig ist, wur de der Sanierungsbedarf auf weitere 2 Milliarden € geschätzt. Dieser Sanierungsbedarf von rund 6 Milliarden € ist aber ei ne Momentaufnahme.
Dieser Wert würde sich ergeben, wenn man die Gebäude des Landes aus der Nachkriegszeit, aus den Fünfziger- bis Sieb zigerjahren, auf einen Schlag in den Neubauzustand verset zen wollte. Das wäre weder logistisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Man arbeitet solche Aufgaben Stück für Stück ab, je nach Zustand, Bedarf und Dringlichkeit.
Bleibt man allerdings hinter dem zurück, was an Aufgaben ansteht, um den Substanzverlust zu vermeiden, produziert man einen Sanierungsstau, und genau dies ist der alten Landesre gierung leider „gelungen“. Um ihn zu beziffern, lauten die beiden entscheidenden Fragen ganz einfach: „Welche Mittel hätten in den vergangenen Jahren für laufenden Unterhalt und
zusätzlich für Sanierung und Modernisierung zur Verfügung stehen müssen?“ und zweitens: „Wie viel wurde tatsächlich zur Verfügung gestellt?“
Für den Bauunterhalt, der sozusagen die finanzielle Grundlast eines Gebäudes darstellt, können nach allseits anerkannten Er fahrungswerten jährlich 1 bis 1,5 % des Wiederherstellungs werts angesetzt werden. Bei 1 % entspricht dies im Land et wa 220 Millionen € jährlich.
Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren hierfür aller dings nur rund 0,8 % des Wiederherstellungswerts, umgerech net 180 Millionen €, eingesetzt. Die Folgen kann jeder sehen: Der bauliche Zustand der landeseigenen Immobilien hat sich verschlechtert.
Wie bereits erwähnt, ist ein Gebäude bei regelmäßiger In standhaltung nach 50 bis 60 Jahren abgewirtschaftet. Zusätz lich zur Grundlast Bauunterhalt muss nach einer bestimmten Nutzungsdauer in die Gebäude investiert werden, um den Ver mögenswert zu erhalten. Dafür sind jährlich wiederum Inves titionen im Umfang von 1,5 bis 2 % des Wiederherstellungs werts erforderlich. 1,5 % – also wieder die untere Grenze – entsprächen im Land 330 Millionen € jährlich. Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren hierfür aber nur rund 0,9 % des Wiederherstellungswerts bzw. 195 Millionen € eingesetzt. Auch hier hat sich also der bauliche Zustand der landeseige nen Immobilien verschlechtert.
Rechnen wir das Ganze einmal zusammen. Allein für den Werterhalt der landeseigenen Gebäude wären jährlich Mittel in Höhe von 550 Millionen € erforderlich. In den letzten drei Legislaturperioden hat Schwarz-Gelb hierfür jedoch im Durch schnitt nur 375 Millionen € jährlich zur Verfügung gestellt. Es haben also 175 Millionen € pro Jahr gefehlt. In der Summe ergibt sich daraus ein gewaltiger Sanierungsstau von insge samt 2,6 Milliarden €. Darin sind noch nicht einmal die Mit tel für die Ausstattung der Gebäude enthalten.
Diese Hinterlassenschaft vieler Jahre zu beseitigen wird viel Zeit brauchen. Umso wichtiger ist es, jetzt anzupacken und den von Schwarz-Gelb verursachten Sanierungsstau Stein für Stein abzutragen. Das wird alles andere als einfach. Deshalb müssen die komplexen Aufgaben sorgfältig geplant werden.
Ein Blick auf die Landesstraßen genügt, um zu sehen, dass die Situation hier nicht besser ist; im Gegenteil. Holterdiepol ter, wohin man auch schaut.
Es ist also nicht verwunderlich, dass der Rechnungshof im Jahr 2009 festgestellt hat, dass der Zeitwert der Landesstra ßen von knapp 4 Milliarden € im Jahr 1993 auf 3,4 Milliar den € im Jahr 2008 zurückgegangen ist. Das ist ein Wertever zehr von einer halben Milliarde Euro innerhalb von 15 Jah ren. In der ganzen Zeit haben die zur Verfügung gestellten Mittel auch nicht annähernd ausgereicht, um die Landesstra ßen in ihrem Wert zu erhalten. In den Jahren 1994 bis 2001 wurden durchschnittlich nur 22,5 Millionen € jährlich, von 2002 bis 2008 dann aber auch nur 47,5 Millionen € in den Er halt unserer Straßen gesteckt.
Nötig wären nach der Berechnung des Rechnungshofs aller dings rund 100 Millionen € jährlich. Die Sondermittel des Landesinfrastrukturprogramms konnten 2009 und 2010 die Lücke verringern; geschlossen wurde sie aber mit 105 Milli onen € erst wenige Wochen vor der Landtagswahl. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt –
vor allem wenn man bedenkt, dass in der mittelfristigen Fi nanzplanung für 2012 wiederum nur 50 Millionen € für den Erhalt vorgesehen sind.
Für die neue Landesregierung wird der Erhalt des bestehen den Straßennetzes hohe Priorität haben. Auch dabei gilt es an gesichts der schweren Hypothek aus der Vergangenheit, nicht alles von heute auf morgen zu erledigen. Bei uns wird es kei ne aufgeblähten Maßnahmenlisten geben, die mit der Reali tät nichts zu tun haben.
Über die konkreten Zahlen werden wir bei der Planaufstel lung 2012 entscheiden. Aber eines steht fest: Ab dem Jahr 2012 werden wir die Haushaltsmittel für den Erhalt gegen über der Planung der alten Regierung anheben.
Der Blick auf die Landesstraßen und auf die Landesgebäude hat gezeigt, dass die alte Regierung von der Substanz gelebt hat. Dass insgesamt ein hoher Nachholbedarf besteht, bestä tigt sich auch, wenn wir die Investitionsquote im bundesdeut schen Vergleich betrachten. Über die letzten 15 Jahre, näm lich von 1996 bis 2010, weist Baden-Württemberg eine Inves titionsquote von durchschnittlich nur 9,54 % auf und liegt da mit weit unter dem Durchschnitt.
Egal, welchen Vergleich man zieht – den mit allen Bundes ländern, den mit den Flächenländern, den mit den westdeut schen Bundesländern –: Baden-Württemberg liegt immer deutlich dahinter. Eine solide, vorausschauende Finanzpolitik sieht anders aus, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Doch damit nicht genug. Unser Kassensturz fördert weitere Haushaltsrisiken und Versäumnisse mit potenziell erheblichen Auswirkungen zutage.
Ausgewählte Beispiele: Beim Hochwasserschutz werden wir Versäumtes nachholen müssen. Denn der Rechungshof hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass wir beim Integrier ten Rheinprogramm weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan liegen. Bis zum Abschluss dieses Programms müssen wir da nach bis zu 450 Millionen € Haushaltsmittel bereitstellen. Wir werden in den nächsten Jahren prüfen müssen, wie wir diesen Bereich finanziell besser ausstatten können, immer unter der Maßgabe, die Haushaltskonsolidierung und die Einhaltung der Schuldenbremse nicht zu gefährden.
Auch bei der inneren Sicherheit hinterlässt uns die Vorgän gerregierung offene Finanzierungslasten. Die Einführung des Digitalfunks für die Polizei und die Rettungsdienste war für den Projektzeitraum bis 2021 mit einer Gesamtsumme von 400 Millionen € veranschlagt. Das ist der Betrag, der den Ent scheidungen des Landtags zugrunde lag. Heute wissen wir, dass diese Summe bei Weitem nicht ausreichen wird. Wir ge hen inzwischen von einem Gesamtvolumen aus, das bis zu 570 Millionen € erreichen könnte. Den Mehrbedarf werden wir in den folgenden Haushaltsjahren schultern müssen.
Letztes Beispiel: Die Kunstkonzeption „Kultur 2020“, von al len in diesem Haus getragen, wurde von der Regierung Map pus im letzten Nachtragshaushalt, im Dritten Nachtragshaus halt 2011, mit einer Einsparauflage von 160 Stellen konterka riert.
Schließlich: Im Zusammenhang mit dem Kauf der EnBW-Ak tien schlummern beträchtliche Risiken im Haushalt. Ein nicht gerade unerhebliches Risiko besteht darin, dass der Kaufpreis – 4,6 Milliarden € – nahezu vollständig fremdfinanziert ist und die Darlehen teilweise nur kurze Laufzeiten haben. Der Hin tergrund ist klar: Die Anteile sollten schnell wieder verscher belt werden.
Wir sind da anderer Auffassung. Das wird ohne heftigen Ab schlag auch nicht möglich sein. Deshalb werden wir die Dar lehen zu gegebener Zeit verlängern müssen. Die Zinsen ha ben in letzter Zeit angezogen, sodass die zu zahlenden Kre ditzinsen voraussichtlich ungünstiger sein werden. Angesichts veränderter Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt bedeutet dies, dass unsere Zinslast voraussichtlich steigen wird.
Zu dieser steigenden Zinslast kommen durch die Abschaltung zweier Atomkraftwerke und die Investitionskosten für die Energiewende möglicherweise künftig geringere Dividenden. Im Klartext: Es besteht das Risiko, dass Zinszahlungen der Neckarpri GmbH teilweise aus dem Landeshaushalt selbst fi nanziert werden müssen.
Fassen wir das Ganze noch einmal zusammen: Unterm Strich stehen Schulden, verlagerte Verpflichtungen und Eventualver bindlichkeiten von insgesamt über 70 Milliarden €. Dazu kom men ungedeckte Pensionsverpflichtungen von über 68 Milliar den €. Wir haben einen Sanierungsstau bei Landesliegenschaf ten und Landesstraßen von zusammengerechnet über 3 Mil liarden €. Beim Digitalfunk kommen weit über 100 Millio nen € Mehrkosten auf uns zu, und beim Hochwasserschutz geht es um 450 Millionen €. Die Risiken aus dem EnBW-Deal lassen sich heute nicht seriös beziffern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn dies ein „be stelltes Haus“ ist, dann sind Kässpätzle ein Diätgericht.