Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Zulasten der Bürgerinnen und Bürger! Sagen Sie es doch: zulasten der Menschen!)

Die Bürgerinnen und Bürger wollen auch eine funktionieren de öffentliche Infrastruktur – Polizei, Justiz, Straßen, Schie nen –, sie wollen Bildung, Betreuung, Hochschule, Forschung. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich: Wenn wir im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber reden, werden sie gro ßes Verständnis dafür haben, dass diese Steuereinnahmen für den Staat notwendig sind, und sie werden nicht den Markt schreiern der FDP auf den Leim gehen, die mal wieder eine neue Steuersenkungsillusion fabrizieren will.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie wollen doch höhere Steuern!)

Deshalb sage ich Ihnen eines: Wir brauchen einen funktionie renden staatlichen Haushalt, und das geht nur mit ausreichen der Steuerausstattung. Die Landesregierung hat deshalb – das ist nun wirklich eine Premiere; das hat sich eine unionsgeführ te Landesregierung auf ihrem vermeintlichen Konsolidie rungspfad noch nicht getraut – am Anfang dieser Legislatur periode gesagt, wie sie einen wichtigen Schwerpunkt der Re gierungsarbeit, nämlich Betreuung und Bildung im vorschu lischen Bereich, finanzieren will, und hat gleich die Gegenfi nanzierung über die Grunderwerbsteuererhöhung offengelegt. Ich sage Ihnen einmal eines: Wenn der Steuererhöher Schmid in den Spiegel schaut, dann sieht er Herrn Hauk.

(Zuruf: Nein, dann wird er erschrecken!)

Denn das ist genau der Vorschlag, den Sie, Herr Hauk, vor ei niger Zeit gemacht haben,

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von den Grünen und der SPD: Ah! – Da schau her! – Abg. Volker Schebesta CDU: Spieglein, Spieglein an der Wand!)

Herr Hauk, ich freue mich auf die Zustimmung der CDUFraktion zu diesem großartigen Vorschlag. Ich gehe davon aus, dass Sie sich an das erinnern, was Sie gesagt haben. So lange ist das ja noch nicht her.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hauk?

Bitte.

Herr Kollege Schmid, vielleicht kön nen Sie sich erinnern, dass ich Folgendes gesagt habe: Ja, wir könnten uns Grunderwerbsteuererhöhungen vorstellen – un ter zwei Prämissen: dass nämlich erstens diejenigen, die erst malig Wohneigentum erwerben, davon nicht betroffen sind, und dass zweitens das Aufkommen aus einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer nicht in den Konsum fließen darf, sondern einer strukturellen Verbesserung des Gesamthaushalts dienen muss und nicht neuen Mehrausgaben dienen darf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Hauk, im Koalitionsvertrag haben wir genau das verein bart. Insofern freue ich mich auf Ihre Mitwirkung.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie haben doch gerade eben gesagt: Mehrausgaben! – Unruhe)

Aber natürlich. Sie haben diesen Vorschlag ja auch in einer Situation gemacht, in der es darum ging, Mehrausgaben für Bildung und Betreuung zu finanzieren. Das war der Gesamt kontext.

(Abg. Peter Hauk CDU: Es ging um 500 Millionen € Einsparung im Landeshaushalt, strukturell natürlich! Das war die Situation!)

Ja, weil Sie gleichzeitig für Bildung und Betreuung viel aus geben wollen. – Deshalb sage ich einfach: Erinnern Sie sich an Ihre Vorschläge, denn so schlecht war Ihr Vorschlag nicht. Ich wäre darauf eher stolz. Sie müssten eigentlich sagen: Großartig, dass wir die Größe haben, den Vorschlag von Ih nen zu übernehmen. Also wäre ich einfach zufrieden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Sie sind erhört worden! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Politik des Gehörtwer dens! – Heiterkeit – Abg. Peter Hauk CDU: Auch da nur eine selektive Wahrnehmung!)

Es wird also darum gehen, in den nächsten Jahren diesen Drei klang von Konsolidierung, Sanierung und „Investieren in die Zukunft des Landes“ durchzuhalten. Das wird nicht einfach sein. Die vorangegangenen Regierungen sind daran geschei tert, dass sie immer die Konsolidierung und die Sanierung nach hinten kippen ließen. Deshalb wird es da schwierige Ab wägungsprozesse geben. Dabei darf sich niemand vor der Ver antwortung drücken, diese vorzunehmen und auch bei sich in der Fraktion auszuhalten.

Wenn wir über Sanierung reden, dann will ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Zahlen, die Herr Hauk hierzu vor getragen hat, falsch oder unzutreffend sind. Denn er hat bei den Mitteln, die er als ausreichend bezeichnet hat, um einen Sanierungsstau zu vermeiden, die Neubaumittel mit hinein gerechnet. Diese werden aber nur zu einem geringen Teil für Ersatzbauten genutzt, die wirklich sanierungsbedürftige Ge bäude ablösen. Deshalb war das ein Taschenspielertrick, der so nicht durchgehen kann.

Wir haben sauber aufgedröselt, in welcher Höhe Mittel für Sa nierung ausgegeben worden sind, wie hoch der Bedarf war und wie sich der Stau aufgebaut hat. Sie können das in der Mitteilung nachlesen. Dann werden Sie sehen, dass wir da in der Vergangenheit strukturell unterfinanziert waren.

Wir sehen also in ein tiefes Loch von Belastungen. Aus die sem Loch lächeln mir Filbinger, Späth, Teufel, Oettinger und Mappus entgegen. Es gehört zur demokratischen Kultur, dass man diese politische Verantwortung annimmt und nicht aus schlägt wie ein unliebsames Erbe.

Unter dem Strich haben wir in dieser und in der vorangegan genen Debatte gesehen, dass sich die ehemalige Regierungs partei CDU noch nicht so richtig mit der neuen Rolle abge funden hat. Heute kann man in der „Schwäbischen Zeitung“ lesen: „Vor dem Gären steht das Rumoren“. Das ist ein Dis kussionsbeitrag zur Volkspartei CDU. Da heißt es, die CDU habe sich nicht erkennbar mit den real existierenden Themen beschäftigt; der Machterhalt sei von Menschen als Haupttrieb feder der CDU wahrgenommen worden. Sogar die Arroganz der Macht wird da selbstkritisch angemerkt.

In der Tat ist das doch eher der Kontext, in den man Ihre Re debeiträge einordnen muss. Es ist nicht die Auseinanderset zung mit den Zahlen; denn diese können Sie nicht infrage stel len. Vielmehr ist dies das Zeichen einer verhärteten Opposi tion, die sich mit ihrer neuen Rolle noch nicht abgefunden hat. Wir werden uns alle an unsere Rollen gewöhnen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zu Wort gemeldet hat sich jetzt der Vertreter der FDP/DVP-Fraktion, Herr Abg. Dr. Rülke. – Bit te.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf von der SPD: Was? Schon wieder Herr Rülke?)

Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Schmid für die sen zweiten Redebeitrag dankbar, denn da hat er noch einmal die Katze aus dem Sack gelassen und verdeutlicht, worum es eigentlich geht, nämlich um die – ich zitiere – „Zuordnung von politischer Verantwortung“. Das ist das, was ich vorhin mit dem Ruf „Haltet den Dieb!“ bezeichnet habe.

Es geht also darum, festzustellen, wo das Land Baden-Würt temberg kameral verschuldet ist, wo es Pensionslasten gibt, wo es Sanierungsstaus gibt, und dies dann zusammenzurech nen, zu gewaltigen Summen zu kommen und für diese gewal tigen Summen dann einen Schuldigen zu finden und zu be nennen.

Es versteht sich natürlich am Rande, Herr Kollege Schmid, dass diese Schuldigen nur in der Zeit zwischen 1996 und 2011 zu suchen und zu finden sind. Alles, was vorher war, als viel leicht auch die SPD einmal regiert hat, das ist verjährt.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: 15 Jahre FDP/ DVP und davor vier Jahre SPD, das ist die Realität!)

Da gibt es keinerlei politische Verantwortung. Ansonsten müss te man beispielsweise – Herr Kollege Hauk hat es genauso er

wähnt wie ich – vielleicht einmal darüber reden, wer denn in den Siebzigerjahren daran beteiligt gewesen ist, dass – ich ha be es vorhin gesagt – das Landespersonal zu Recht ausgewei tet wurde, es aber keine Pensionsrückstellungen gegeben hat, und wer daran beteiligt gewesen ist, dass in den Neunziger jahren, als Ihre Partei, als die SPD in Baden-Württemberg mit regiert hat, niemand auf die Idee kam, einen Pensionsfonds aufzulegen.

Ansonsten empfehle ich Ihnen, auch was den Straßenbau an belangt – in diesem Bereich ist ja „holterdiepolter“ immer Ih re Lieblingsagitation –, sich die Zahlen genau anzuschauen. Da empfehle ich die Drucksache 14/5059 zur Lektüre. Darin ist nämlich aufgeführt, wie sich die Mittel für den Straßenbau in den letzten 25 Jahren entwickelt haben. Da stellen wir fest, dass es bei den Investitionsmitteln zwischen 1988 und 1992 669 Millionen €, zwischen 1993 und 1996 nur noch 367 Mil lionen € und dann zwischen 1997 und 2001 wieder 428 Mil lionen €

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

und bei den Unterhaltungsmitteln der Landesstraßen zwischen 1988 und 1992 367 Millionen € gegeben hat. Dann wurde zwischen 1993 und 1996 um 60 Millionen € abgesenkt und anschließend zwischen 1997 und 2001 wieder um 70 Millio nen € erhöht. Das haben Sie wahrscheinlich vergessen oder verdrängt.

(Minister Dr. Nils Schmid: Ich habe es gesagt!)

Wahrscheinlich ist es so, dass diese politische Zuweisung von Verantwortlichkeiten nur für andere Parteien gilt. Wenn das aber nicht der Fall ist, Herr Kollege Schmid, wenn alle Par teien da eine gewisse Verantwortung tragen – vielleicht bis auf die Grünen, die in Baden-Württemberg bislang noch nie regiert haben –, dann muss es doch nicht die entscheidende Frage sein, wem man politische Verantwortung zuweist und welchen Schuldigen man findet und ihn 20-mal benennt, son dern dann muss man sich doch irgendwann der Zukunft zu wenden und erklären, wie man es besser machen will.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und das fehlt!)

Da ist es ein bisschen dürftig, immer nur von der Grunder werbsteuer zu reden, davon zu reden, dass man mit einer Er höhung einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag auch zu lasten der Häuslebauer zusätzlich in die Landeskasse be kommt, und so zu tun, als wären damit alle Probleme gelöst. Wenn Sie einerseits riesige Milliardenbeträge auftürmen und andererseits mit anderthalb Prozentpunkten zusätzlich bei der Grunderwerbsteuer kommen, Herr Kollege Schmid, dann ist das zu wenig.

(Zuruf des Ministers Dr. Nils Schmid)

Sie werden irgendwann einmal sagen müssen, wo Sie sparen wollen, um diesen Landeshaushalt so zu konsolidieren, wie Sie sagen. Auf diese Sparvorschläge sind wir sehr gespannt. Bisher ist davon allerdings nichts, wirklich überhaupt nichts bekannt geworden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, mir liegt jetzt noch eine Wortmeldung des Abgeordnetenkollegen Klaus Herrmann vor.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Frau Sitzmann, Sie haben recht mit Ih rer Aussage: Neu ist an diesem Kassensturz heute nur, dass alles, was bisher bereits bekannt ist, zusammengefasst wurde und übersichtlich dargestellt wird. Deshalb, Herr Minister Schmid, haben wir an den Zahlen auch nichts zu kritisieren, nichts auszusetzen – die stimmen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Endlich einer, der es zugibt! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Spätes Eingeständnis!)

Es ist heute, Herr Kollege Schmiedel, eben nichts Neues ans Licht gebracht worden, wie der Herr Finanzminister gesagt hat. Ich verstehe auch nicht, warum dieser sogenannte Kas sensturz „unter erschwerten Bedingungen“ gemacht wurde. Denn Sie brauchten nur die Drucksachen und die Rechnungs hofdenkschriften zusammenzustellen. Was daran schwer ist, erschließt sich mir überhaupt nicht. Alles liegt offen vor. Sie wussten es. Zur Ehrlichkeit gehört dann eben auch, dass Sie hier nicht den Eindruck erwecken, als ob alles völlig neu wä re.

Über den Sanierungs- und Modernisierungsbedarf haben wir am 26. November 2009 ausgiebig im Plenum diskutiert. Wie bei jedem Häuslebauer wird in finanziell schwierigen Zeiten die eine oder andere Sanierung geschoben, um sie in finanzi ell besseren Zeiten nachzuholen. Das hätten wir jetzt, bei stei genden Steuereinnahmen, auch getan.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Ja?)