Ich möchte nur einmal an das erinnern, was der ehemalige Kultusminister Rau und auch die ehemalige Kultusministerin Schavan zu Ihrer Regierungszeit ausgegeben haben, nämlich dass das Sitzenbleiben zu einem so geringen Prozentsatz er folgen soll wie überhaupt möglich. Ob man dann am Ende das Ganze – –
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ja! Das haben wir doch geschafft! Fördern und fordern! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das bestreitet kein Mensch!)
Richtig, und wir setzen das weiter fort, Frau Kollegin GurrHirsch. Denn im Gegensatz zu Ihnen streichen wir keine För dermaßnahmen, wie beispielsweise die Poolstunden an den Gymnasien, sondern wir geben sie zurück.
(Zuruf von der SPD: So ist es! – Abg. Volker Sche besta CDU: Der Ergänzungsbereich ist doch massiv zurückgegangen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schauen Sie auf die aktuelle Lage der Eingangsklas sen in der Realschule! Gar nichts tun Sie! Reden Sie keinen Unsinn! – Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Weitere Zurufe – Glocke des Präsidenten)
Ich habe die Zeitungsberichte über Ihre Realschulkampagne gelesen. Was sagen denn die Realschullehrer zu Ihnen?
Sie sagen doch, dass Sie die Realschulen in den letzten Jah ren haben unter den Tisch fallen lassen, dass Sie keine Stun den für die Realschulen ausgegeben haben. Wir haben 1,5 Poolstunden für die Realschulen ausgegeben. Wir haben Pool stunden an die Gymnasien zurückgegeben. Wir haben die Kompetenzanalyse Profil AC an den Realschulen eingeführt. Das alles sind Maßnahmen, um individuelle Förderung wei ter auszubauen. Das muss am Ende das Ziel sein, meine Da men und Herren.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU zu Grünen und SPD: Hören Sie doch ein mal, was die Realschulen sagen!)
Ich unterstütze den Kultusminister, der sagt: „Wir müssen das Sitzenbleiben am Ende überflüssig machen.“ Es geht nicht um das kalte Abschaffen des Sitzenbleibens, meine Damen und Herren, sondern es geht darum, dass wir es am Ende schaffen, die Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen, ihre best möglichen Leistungen zu erreichen,
Ich finde, man muss Bildungspolitik nicht nur prospektiv den ken, sondern man muss ab und zu über den Tellerrand hinaus schauen. Was zeigen denn internationale Vergleiche? Was ma chen denn beispielsweise Finnland und Japan, die PISA-Sie ger?
Gibt es dort das Sitzenbleiben? Nein, in diesen Ländern gibt es schon seit Jahren kein Sitzenbleiben mehr.
Sind diese Länder leistungsunwillig und leistungsschwach? Nein, sie sind leistungsstark. Das heißt, das Argument, das Sie hier vorbringen – wenn wir das Sitzenbleiben abschafften, würden wir den Angriff auf ein leistungsstarkes und leistungs betontes Bildungssystem wagen –, widerspricht völlig sämt lichen Tatsachen, die man im Ausland sieht, die man in ande ren Bundesländern sieht.
Meine Damen und Herren, ich finde es unsäglich, dass hier ständig nur auf Polemik und Ideologie gesetzt wird, anstatt
die Tatsachen und die Realität hinzuzuziehen und zu schau en: Was passiert eigentlich in anderen Ländern?
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Was tun Sie derzeit für die Klasse 5 an den Realschulen? Gar nichts! – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)
Wir haben alle Schulen im Blick. Wir haben auch die Maß nahmen an allen Schulen ausgebaut. Wir werden das auch un ter den momentanen Haushaltsbedingungen weiterführen, meine Damen und Herren.
Ich halte es nicht für richtig, dieses Thema hier in dieser Laut stärke anzugehen. Vielmehr muss man schauen: Wie unter stützen wir die Schulen? Wie unterstützen wir die Lehrerin nen und Lehrer an den Schulen?
Wie unterstützen wir die Schülerinnen und Schüler? Hierzu sind wir in einem sehr guten Austausch. Ich habe nicht das Gefühl, dass dies in der Fläche des Landes nicht gesehen wird.
Vielmehr erhalten wir sehr großen Zuspruch dafür, wie wir die Bildungspolitik im Land angehen. So werden wir es fort führen, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Einmal mehr müssen wir in dieser Debatte erleben, worum es Ihnen in der Bildungspo litik in den letzten 60 Jahren ging. Was zählte, war Leistung, Leistung, Leistung,
koste es, was es wolle. Wer diese nicht erbrachte, wurde aus sortiert, an den Rand gestellt, abgeschult.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Widerspruch bei der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wer hat denn das Förderschulsystem entwickelt? Sie wollen die Förderschule abschaffen! Mein Gott!)
Was Sie hier suggerieren, liebe Kollegen von der FDP/DVP, ist jedoch: Die FDP/DVP steht für das Leistungsprinzip, die grün-rote Landesregierung hingegen für die Kuschelpädago gik.
Oder anders ausgedrückt: Die FDP/DVP ist gleichzusetzen mit dem wirtschaftlichen Erfolg unseres schönen Bundes lands, Grün-Rot will das kaputtmachen. So einfach ist Ihre Logik.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! Sehr richtig!)
Sehr geehrte Damen und Herren, so einfach ist die Welt nicht. Sie wissen das, und auch die Bürgerinnen und Bürger wissen das.
Lassen Sie mich eine Anmerkung zum Titel der heutigen De batte machen, in der sich Herr Dr. Kern so künstlich aufge regt hat. Aufsehen erregen um jeden Preis, um jeder Schlag zeile willen, nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Wann und wo hat Minister Andreas Stoch gesagt, er schaffe das Sitzenbleiben ab?
Ich habe ein SWR-Radiointerview gehört, in dem er ausführ lich darüber sprach, dass das Sitzenbleiben überflüssig ge macht werden soll, und zwar nicht heute und sofort, sondern in einer Übergangszeit von zehn bis 15 Jahren.
(Abg. Peter Hauk CDU: Das war aber sehr missver ständlich formuliert! Die Presseberichte waren an ders formuliert! – Zurufe von der FDP/DVP)
Doch jetzt zurück zu Ihrer Sorge, es gäbe keine Leistungsan reize mehr. Tatsächlich steht Baden-Württemberg im Leis tungsvergleich der Bundesländer sehr gut da. In Sachen Chan cengerechtigkeit sieht es hier im Land immer noch düster aus. Hier sind wir eines der Schlusslichter. Eines der Mosaikstein chen in diesem ungerechten Bildungssystem, meine Damen und Herren auf den Oppositionsbänken, ist eben das Instru ment des Sitzenbleibens. Denn diejenigen, die sich teure Nach hilfestunden nicht leisten können, sind eher betroffen als Kin der aus dem sogenannten Bildungsbürgertum.
Wer nicht mitkommt, muss eben aussortiert werden, der darf eine Ehrenrunde drehen. Aus Sicht des Kindes ist es aber mit der Ehre nicht weit her. Ein Kind wird ein Sitzenbleiben im mer als Bestrafung, als Niederlage und als Kränkung der Per sönlichkeit empfinden. Es wird aus seinem Klassenverband herausgerissen, und nicht selten gelingt es den Kindern nur schwer oder gar nicht, in der neuen Klasse Fuß zu fassen. Da sage ich Ihnen auch, Herr Dr. Kern: Als Gymnasiallehrer wis sen Sie das nicht, weil diese Kinder nämlich anschließend nicht mehr bei Ihnen sind, sondern in der Realschule und in der Hauptschule.
Ein Grund, weshalb viele Kinder mit dem Wiederholen der Klasse gleich die Schule wechseln, ist das Bestreben, der Schmach zu entgehen, den ehemaligen Mitschülern voller Scham auf dem Pausenhof zu begegnen und nicht mehr dazu zugehören. Häufig wird dieses Gefühl der Niederlage noch verstärkt durch die elterliche Enttäuschung darüber, dass das eigene Kind das Klassenziel nicht erreicht hat, wie es so schön