Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ein Blick sollte an dieser Stelle auch auf die Bildungspolitik unserer Vorgängerregierung im Schuleingangs- und im Ele mentarbereich gerichtet werden. Bereits während Ihrer Regie rungszeit hat man offenkundig noch begriffen, dass nicht al le Kinder in demselben Tempo lernen, dass jedes Kind seinen eigenen, individuellen Rhythmus mitbringt. Um diesen Un terschieden gerecht zu werden, haben Sie beispielsweise die Einschulungsuntersuchung, die ESU, um ein Jahr vorgezo gen. So werden seither schon frühzeitig Entwicklungsverzö gerungen festgestellt, damit den Kindern bereits vor Schulein tritt die bestmögliche Förderung zuteilwerden kann.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

In der Grundschule haben wir Ihnen die Möglichkeit einer fle xiblen Eingangsstufe zu verdanken, was bedeutet, dass die Lerninhalte der ersten beiden Schuljahre individuell – je nach Lerntempo des Kindes – entweder in zwei oder in drei Schul jahren erworben werden können. In allen Schularten – das wurde schon erwähnt – wurde die Möglichkeit der Versetzung auf Probe geschaffen. Das zeigt doch, dass auch Sie augen scheinlich verstanden haben, dass Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. Jedes Kind muss da abgeholt werden, wo es steht.

Dieses von Ihnen bereits initiierte Prinzip, dass jedem Kind die Zeit gewährt wird, die es braucht, führen wir nun konse quent dahin fort, dass in einigen Jahren das Sitzenbleiben überflüssig wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Mir liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Bevor wir in den Tagesordnungspunkt 3 eintreten, darf ich auf der Zuhörertribüne als Gast unseres Hauses die neu gewähl te Präsidentin des Vorarlberger Landtags, Frau Kollegin Dr. Gabriele Nußbaumer, herzlich begrüßen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Frau Dr. Nußbaumer ist die Nachfolgerin von Kollegin Dr. Mennel, die in die Regierung gewechselt ist. – Wir möchten Sie heute auf meine Einladung hin hier im Landtag von Ba den-Württemberg herzlich willkommen heißen und damit auch zum Ausdruck bringen, dass wir an der guten Zusam menarbeit von Baden-Württemberg mit Vorarlberg interessiert sind und sie in diesem Sinn auch mit Ihnen, verehrte Frau Kol legin, weiterführen möchten. Herzlich willkommen in BadenWürttemberg!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Wahl von Mitgliedern und der/des Vorsitzenden im Un tersuchungsausschuss „EnBW-Deal“

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben für die Aus sprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion verein bart.

Das Wort erteile ich für die CDU-Fraktion Herrn Abg. Hauk.

Frau Präsidentin, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Wir haben heute die Wahl von Mit gliedern und auch des Vorsitzenden des Untersuchungsaus schusses auf der Tagesordnung. Der Tagesordnungspunkt wur de notwendig, weil in der vergangenen Woche der Kollege Müller erklärt hat, dass er vom Amt des Ausschussvorsitzen den zurücktreten wird, und gleichermaßen der Kollege Schebes ta seinen Rückzug aus dem Untersuchungsausschuss ange kündigt hat.

Grund waren Kontakte der beiden Abgeordneten zu einem der Hauptzeugen im EnBW-Untersuchungsausschuss, nämlich zu dem früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Die Kon takte waren ein Fehler. Das bedauern wir zutiefst, weil da durch auch Vertrauen verloren gegangen ist hinsichtlich der Frage, ob beide Abgeordnete ihr Amt im Untersuchungsaus schuss noch mit der notwendigen Unabhängigkeit ausüben könnten.

Meine Damen und Herren, die notwendige Unabhängigkeit ergibt sich aus unserer Landesverfassung. Wir wissen auf grund der Arbeit der beiden Abgeordneten und weil wir sie kennen, dass sie in den letzten Monaten ihr Amt im Untersu chungsausschuss stets mit der notwendigen Unabhängigkeit ausgeübt haben.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir wissen dies, aber wir wissen auch, dass in den Augen der Öffentlichkeit der Anschein entstand, dass dies nicht mehr der Fall sein könnte. Deshalb haben sie die notwendige Konse quenz gezogen. Das nötigt uns auch bis zum heutigen Tag Re spekt ab.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Meine Damen und Herren, es war immer unser Ziel, für Auf klärung und Transparenz in diesem Ausschuss zu sorgen. Das ist uns auch gelungen, denn wir haben in den vergangenen Monaten viel Zuspruch und Zustimmung für die Ausschuss arbeit erfahren.

Dass es nun Verunsicherung und Enttäuschung gibt, war nie unser Ansinnen – weder des Kollegen Müller noch des Kol legen Schebesta, von keinem der CDU-Abgeordneten im Aus schuss und auch nicht von unserer Fraktion. Wir wissen – weil wir sie beide kennen und sie es durch ihre Arbeit im Untersu chungsausschuss unter Beweis gestellt haben –, dass sie ihr Mandat stets unabhängig ausgeübt haben.

Meine Damen und Herren, es geht fehl, wenn Sie die CDU unter Generalverdacht stellen, weil Sie damit auch 60 direkt gewählte Kollegen unter den Generalverdacht stellen, ihr Amt und ihr Mandat nicht mit der notwendigen Unabhängigkeit auszuüben.

Erst wir haben diesen Ausschuss bei langem Zögern von SPD und Grünen beantragt.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Was? – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Zu ruf von der CDU: Das war so!)

Meine Damen und Herren, das ist die historische Wahrheit. Wir waren auch die treibende Kraft in diesem Ausschuss. Ich erinnere an die Herbeiziehung der Akten von Morgan Stanley und Gleiss Lutz. Der Ausschuss ist damit in seiner Sacharbeit schon weit vorangekommen. Das ist auch der intensiven Ar beit aller CDU-Abgeordneten im Untersuchungsausschuss zu verdanken.

Wir haben uns stets kritisch, aber nicht vorfestgelegt mit den damaligen Verfahren und seinen Protagonisten auseinander gesetzt.

(Lachen der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Die CDU-Fraktion ist sich ihrer hohen Verantwortung auch gegenüber der Öffentlichkeit bewusst. Deswegen waren die Rücktritte von Ulrich Müller und Volker Schebesta konse quent. Aber einzelne Fehler dürfen nicht zu einem General verdacht führen. Sie dürfen das bisher an Aufklärung Erreich te nicht einfach in Vergessenheit geraten lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen stellen wir uns weiterhin der gegebenen Verant wortung. Wir nehmen die Verantwortung an, das Vertrauen in die Politik, das Parlament und in die Arbeit des Ausschusses wieder zurückzugewinnen.

Die CDU-Fraktion hat laut Untersuchungsausschussgesetz das Recht, den Ausschussvorsitzenden vorzuschlagen. Mit diesem Recht erwächst uns aber auch die Verpflichtung, Verantwor tung zu übernehmen.

Daher schlagen wir Herrn Abg. Klaus Herrmann als neuen Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vor. Klaus Herr mann ist ein langjähriger Abgeordneter, der die nötige Erfah rung für das Amt des Vorsitzenden mitbringt. Er war bereits lange Jahre Vorsitzender verschiedener Gremien des Landtags und der Fraktionen, u. a. vier Jahre Vorsitzender des Ständi gen Ausschusses. Darüber hinaus war er bereits Mitglied im FlowTex-Untersuchungsausschuss. Er wird als neuer Vorsit zender des Untersuchungsausschusses das Amt mit dem nö tigen Engagement und der notwendigen unabhängigen Auto rität ausüben.

Es geht um die Aufklärung der Umstände des Rückerwerbs der EnBW-Anteile; das muss wieder in den Mittelpunkt ge rückt werden. Mit Herrn Abg. Klaus Herrmann kann die Ar beit des Ausschusses wieder aufgenommen und intensiv, auf klärerisch, aber auch ergebnisoffen fortgesetzt werden. Wir kommen mit unserem heutigen Vorschlag unserer demokrati schen Verpflichtung nach und bitten Sie um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Sckerl das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Niemand stellt die CDU in diesem Haus unter Generalverdacht, Herr Hauk. Aber die Vorgänge, die seit dem 14. Februar 2013 bekannt sind, müssen aufgeklärt wer den, und zwar ohne Ansehen der Person und bis in die letzten Details hinein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es sind Vorgänge ohne Beispiel. Sie relativieren immer. Sie haben schon am Tag nach dem Bekanntwerden der Vorfälle begonnen, zu relativieren. Sie relativieren bis zum heutigen Tag die Fehler, die Ihre Abgeordneten gemacht haben.

Lassen Sie uns noch einmal das, was wir bereits öffentlich verhandeln können, bewerten. Was ist denn passiert? Der Vor sitzende des Untersuchungsausschusses, der in seiner Amts führung zu einer besonderen Objektivität verpflichtet ist und der mit dem Vertrauen des gesamten Parlaments gearbeitet hat, hat dem wichtigsten Zeugen, dessen Tätigkeit er aufzu klären hat – das ist gerade der vornehme Auftrag des Aus schusses und des Vorsitzenden –, heimlich internes Material zugespielt, u. a. den Regierungsbericht. Die Frage, die aufzu klären ist, lautet: War das eine verabredete Zusammenarbeit mit dem Zeugen, die diesen in den Stand versetzt hat, sich auf seine wenige Wochen später stattfindende Vernehmung vor zubereiten? Hat das Einfluss auf die Aussage des Zeugen ge nommen? Hat es Einfluss auf den gesamten Gang des Unter suchungsausschusses genommen?

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Meine Damen und Herren, dieser Vorgang ist in der Geschich te der Untersuchungsausschüsse in Baden-Württemberg und darüber hinaus ohne Beispiel. Er ist eine eklatante Verletzung parlamentarischer Regeln und eine eklatante Verletzung der Pflichten von Abgeordneten. Das muss man heute in aller Deutlichkeit feststellen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es ist im Kern das Problem, das Ihre Partei, Herr Hauk, bis zum heutigen Tag verfolgt, nämlich dass es immer wieder Punkte gibt – ich bestreite gar nicht Ihren Aufklärungswillen, den Sie als Fraktion insgesamt haben –, bei denen es um han delnde Personen geht. Dann ist die Verbundenheit zur Partei, in diesem Fall auch zur Person Mappus, offensichtlich wich tiger als der parlamentarische Untersuchungsauftrag. Auch das muss aufgeklärt werden.

Das gehört zur jüngsten Geschichte unseres Landes, zur Ära Mappus dazu. Der Untersuchungsausschuss ist nicht nur des

halb wichtig, weil er in der Sache aufgeklärt hat, sondern auch, weil er deutlich gemacht hat, wie dieses Land regiert worden ist: geprägt von Korpsgeist, geprägt von einer Arro ganz der Macht, die wir in Baden-Württemberg bisher nicht erlebt hatten, geprägt auch von einer Art von Kungelei, mit der die Grenzen zwischen Regierung und Parlament verwischt worden sind –

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

ganz nach dem Motto: „L’état, c’est moi. Es kommt ja nicht darauf an, denn wir regieren, und wir bestimmen die Tages ordnung.“