Protokoll der Sitzung vom 06.03.2013

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Deswegen muss, wenn wir Geschlechtergerechtigkeit wollen, der Fokus auch ganz speziell auf die Jungs gelegt werden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Da muss es auch darum gehen, dass wir die gesamte pädago gische Ausbildung dahin gehend verändern, dass Geschlech tersensibilität vermittelt wird.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Denn Hirnforscher in Ulm sagen uns: Wenn Kinder auf die Welt kommen, unterscheiden sich ihre Hirne nicht dahin ge hend, dass die einen technisch begabt und die anderen tech nisch unbegabt sind. Es gibt keine Disposition von Mädchen, dass sie nur soziale Berufe ergreifen können.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Es kommt eben darauf an, dass man sie rechtzeitig mit den Themen konfrontiert, ihnen etwas zutraut und ihnen auch sagt, weshalb sie das machen sollen.

Deswegen haben wir auch schon zwei Kongresse zum The ma MINT – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – durchgeführt. Wir hörten dort exzellente Expertin nen, die uns gesagt haben: Es ist durchaus zu überlegen, ob man nicht einmal mit Projekten versucht, in einer kritischen Phase des Erwachsenwerdens, nämlich in der Pubertät, die Geschlechter in bestimmten Fächern getrennt zu unterrichten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wir wollen keine Rol le rückwärts!)

Es hat sich nämlich gezeigt, dass Mädchen, wenn sie in die ser Zeit eine Monoedukation erfahren, in Naturwissenschaf ten etwas mutiger sind. Deswegen würde ich die Regierung bitten, darüber nachzudenken, solche Projekte ins Leben zu rufen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

In diesem Zusammenhang fordere ich Sie auch auf, die Lan desinitiative „Frauen in MINT-Berufen“ fortzuführen.

Sehr gut, Frau Ministerin Altpeter, ist der Ansatz, den Sie auch über den ESF gefördert haben,

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

dass Sie jungen Frauen, die schwanger wurden und ihre Aus bildung nicht zu Ende bringen konnten, Teilzeitstudiengänge, Teilzeitausbildungen vermitteln. Denn nur mit einer guten Ausbildung kann eine Frau auch ein chancengerechtes Leben führen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Sie wissen, dass wir uns im letzten Jahr für die Frauenquote in DAX-notierten Unternehmen ausgesprochen haben. Die Aufsichtsräte dieser Unternehmen sollen zu 40 % mit Frauen besetzt sein. Dasselbe muss natürlich auch für die Landesver waltung gelten. Deswegen fordere ich Sie auf: Ergreifen Sie die Initiative, und sorgen Sie durch eine gezielte Personalent wicklung dafür, dass in den entsprechenden Positionen auch Frauen sind.

Gespannt bin ich im Übrigen, Herr Kollege Stratthaus, auf die neue Führung von Rothaus. Ich könnte mir auch da eine Frau vorstellen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grünen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Muhterem! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Danke schön, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich hungern die Frauen auch danach, ihre Chan cen zu ergreifen. Nur so ist es zu erklären, dass 52 % der Ab iturienten weiblich sind und zudem noch über sehr, sehr gute Noten verfügen. 52 % der Studierenden sind weiblich. Wo sind die Frauen denn, wenn man die Professorenschaft an schaut?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Das muss sich ändern. Deswegen schlagen wir ein Kaskaden modell vor. Das bedeutet: Wenn 40 % in einem Studiengang Frauen sind, muss sich dieser Anteil auch auf der nächsten Stufe, wenn es um die Promotionsvergabe geht, fortsetzen.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Quote!)

Ja, das ist die Quote. Aber anders geht es bei den Damen und Herren Akademikern offensichtlich nicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD zur CDU: Wo ist die Begeisterung?)

Wichtig ist, dass wir vor allem den jungen Frauen vermitteln, dass sie nicht aus dem Beruf aussteigen sollten. Es ist un glaublich wichtig, die Berufsnähe zu erhalten und nicht Jah re der Berufsferne zuzulassen. Letzteres führt dazu, dass es einen Lohn-Gap gibt und man nicht in der gleichen Position weiterarbeiten kann. Deswegen ist die Wirtschaft wie auch die öffentliche Hand aufgefordert, Telearbeitsplätze anzubieten und immer wieder Frauen in den Betrieb aufzunehmen, um sie daran zu beteiligen.

(Glocke des Präsidenten)

Kollegin Gurr-Hirsch, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ja. – Darüber hinaus möchte ich feststellen, dass das „Wing“-Programm eine gute Möglichkeit ist, die Frauen wieder in ihre ehemaligen Beru fe zurückzubringen. – Habe ich wirklich schon die zehn Mi nuten verbraten?

(Heiterkeit)

Ein letzter Satz: Mir geht es vor allem darum, nicht in die al te deutsche Gepflogenheit zu verfallen, zu sagen: „Dies ist der richtige Lebensentwurf, und diesen erkennen wir an.“ Auch der Lebensentwurf, etwa auch einmal einige Zeit auszustei gen und sich als Mann und Frau Zeit für die Familie zu neh men, sollte nicht sanktioniert werden. Erst dann haben wir ein chancengerechtes Leben.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Charlotte Schneidewind-Hartnagel.

Sehr ge ehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, es ist der 8. März und anlässlich des Internationalen Frauentags ge schieht Folgendes: Karl Lagerfeld übernimmt den 16-Stun den-Arbeitstag einer Näherin in einer asiatischen Textilfab rik. Horst Köhler und Christian Wulff leben von Hartz IV. Jo sef Ackermann versucht, den Alltag einer alleinerziehenden Bankkauffrau mit zwei kleinen Kindern zu schultern.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Erzieherinnen und Altenpflegerinnen beziehen für die Betreu ung von Menschen den gleichen Tagessatz wie Finanzmana ger für die Betreuung von Hedgefonds, und die Frauen-Fuß ballnationalmannschaft erhält die gleichen Torprämien wie unsere Jungs, während alle anderen Männer sich nur für 24 Stunden mit der niedrigen Bezahlung ihrer gleichwertig ar beitenden Kolleginnen begnügen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Diese umgekehrten Zustände machen deutlich, wie sehr sich die Wege von Männern und Frauen unterscheiden können. Um dies zu ändern, brauchen wir gesellschaftliche und politische Weichenstellungen, die Geschlechtergerechtigkeit in allen Be reichen voranbringen. Das heißt, für die Schaffung einer ge schlechtergerechten Gesellschaft ist politisches Handeln er forderlich. Dazu sind wir angetreten, und das setzen wir um.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Frauen sind präsent, gut ausgebildet, selbstbewusst, und sie fordern ihren Platz in der Gesellschaft ein. Frauen wollen be rufstätig sein, sie wollen Familie, und sie wollen beides mit einander vereinbaren können.

Baden-Württemberg hat mit gut 72 % im Bundesvergleich ei ne relativ hohe Erwerbstätigenquote bei Frauen. Das hört sich erst einmal gut an, aber bei genauerer Betrachtung wird die Kehrseite schnell klar: Frauen arbeiten häufig in Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung. Knapp 70 % der geringfügig Beschäftigten in Baden-Württemberg sind Frauen, und 81 % der 1,6 Millionen Teilzeitbeschäftigten sind ebenfalls Frauen. Zudem arbeiten sie überproportional oft im sogenannten Nied riglohnsektor. Das wirkt sich nicht nur auf das jetzige Ein kommen von Frauen aus, sondern führt auch zu einer Renten differenz von 42 %. Damit ist für Frauen Armut im Alter vor programmiert.

Trotz des gesellschaftlichen Wandels, trotz aller Diskussionen um die Geschlechterrollen erweisen sich diese Strukturen als auffallend beharrlich. Die Ursachen für die Unterschiede in den Erwerbsbiografien sind vielfältig und oft das Ergebnis ei nes Zusammenspiels von persönlichen Entscheidungen und vorgegebenen Strukturen. So waren bislang weder genügend Kinderbetreuungsplätze noch Betreuungsmöglichkeiten für zu pflegende Angehörige vorhanden, die es Frauen leichter gemacht hätten, Berufstätigkeit und Familienarbeit miteinan der zu verbinden.

Neue Wege in eine geschlechtergerechte Gesellschaft zu be schreiten bedeutet also vor diesem Hintergrund, neue Rah menbedingungen zu schaffen. Das tun wir.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die grün-rote Landesregierung investiert in Baden-Württem berg in nie gekanntem Ausmaß in die Kleinkindbetreuung, und wir bauen die Ganztagsschule aus.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir fördern im Rahmen des Konzepts „Gute und sichere Ar beit“ Projekte für Zielgruppen mit speziellen Bedarfen wie z. B. alleinerziehende Frauen, langzeitarbeitslose Frauen, Frauen, die längere Zeit aus dem Beruf ausgestiegen sind, Frauen mit Migrationshintergrund und Frauen, die sich selbst ständig machen wollen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Außerdem ermöglichen wir mit dem Landesprogramm Kon taktstellen „Frau und Beruf“ aktive Frauenförderung im Er werbsleben.

Gemeinsam mit Rheinland-Pfalz hat Baden-Württemberg am 1. März eine Gesetzesinitiative zum gesetzlichen Mindestlohn in den Bundesrat eingebracht. Wir freuen uns, dass ein gesetz licher Mindestlohn zumindest in der Länderkammer endlich mehrheitsfähig geworden ist.