Protokoll der Sitzung vom 07.03.2013

Vom Verkehrsminister, meine Damen und Herren, hat niemand etwas anderes erwartet – vom Ministerpräsidenten schon. Dass aber auch Sie, Herr Ministerpräsident, laut „Badischer Zei tung“ – ich zitiere nochmals – „auf dem Tugendpfad politi scher Geradlinigkeit und Rechtsstaatlichkeit... straucheln“ würden, das hat wirklich manche überrascht.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Absurder Vor wurf!)

Ihr Mantra „Die Verträge, die Volksabstimmung gelten, es gibt keine Ausstiegsdebatte“

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Völlig absurd!)

ist spätestens seit Dienstag hinfällig. Die grüne Doppelstrate gie ist offensichtlich geworden.

Ihr Brief an Aufsichtsrat Kirchner zeigt, was von Ihren Be kenntnissen zu halten ist.

(Zuruf: Nichts!)

Zum Thema „Ausstieg und Alternativen“ schreiben Sie selbst in diesem Brief:

Selbstverständlich würden wir uns an den dann notwen digen Gesprächen... beteiligen.

Das, meine Damen und Herren, Herr Schmiedel, ist mehr als ein beispielloser Affront. Ihr Angebot, über Alternativen zu Stuttgart 21 zu sprechen, ist ein Bruch mit dem Ergebnis der Volksabstimmung.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Eine absurde Argumentation!)

In Ihrem Brief und auch sonst sprechen Sie immer wieder von einer Vertrauenskrise mit der Bahn. Dabei tragen Sie doch selbst mit Ihrem Verkehrsminister ganz erheblich zu dieser Vertrauenskrise bei.

Apropos Vertrauenskrise: Offensichtlich ist hier auch die Ver trauenskrise mit Ihrem Koalitionspartner. „Schnappatmung in der Koalition“ titelte gestern die „Stuttgarter Zeitung“, „Un würdiger Eiertanz“ das „Handelsblatt“. Wir fragen uns schon: In welchem Zustand ist diese Landesregierung eigentlich, wenn Herr Schmiedel den Ministerpräsidenten erneut öffent lich drastisch und gnadenlos rügen muss

(Lachen der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

und der stellvertretende Ministerpräsident die Aufsichtsräte der Bahn anruft, um ihnen zu sagen, dass der Brief des Minis terpräsidenten Humbug sei, damit er gerade noch retten kann, was zu retten ist?

(Abg. Peter Hauk CDU: Da muss man sich ja schä men für die Landesregierung! – Gegenruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Wie lange – das fragen wir uns – lässt sich die SPD eigentlich noch vorführen und zur Marionette degradieren?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das „Handelsblatt“ stellt fest – ich zitiere –: „Erfolgsmann schaften formt ein anderer Geist.“

Wer glaubt eigentlich noch daran, dass diese beiden bei Stutt gart 21 irgendwann ein gemeinsamer Geist verbindet? Und wer glaubt eigentlich noch daran, dass der Verkehrsminister in der Lage ist, dieses Projekt erfolgreich umzusetzen? Was wir erleben, ist eine Zerrissenheit der Landesregierung, eine Zerrissenheit des Ministerpräsidenten, zerrissen zwischen zwei Koalitionspartnern, zum einen dem offiziellen Koaliti onspartner, der SPD, und zum anderen dem inoffiziellen Ko alitionspartner, den Stuttgart-21-Gegnern, zerrissen zwischen politischer Vernunft und Ideologie, zerrissen zwischen seinen Anhängern und dem Votum der Menschen und der Parlamen te.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich empfinde das als Zumutung für dieses Land und die Menschen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dabei gibt es doch eigentlich gar keine Zweifel mehr: Die Par lamente haben entschieden, das Volk hat entschieden und jetzt

auch noch die Deutsche Bahn AG – immer mit demselben Er gebnis. Ich frage mich: Wie oft denn noch? Wann akzeptieren Sie, dass Sie, die Grünen, hier im Parlament und draußen im Land in der Minderheit sind?

An Stuttgart 21 ist nicht mehr zu rütteln. Jetzt stehen Sie in der Verantwortung. Sie müssen das Projekt aktiv mitgestal ten, Ihre Blockadehaltung aufgeben und endlich Ihrer Projekt förderungspflicht nachkommen. Sie müssen die Chancen für das Land, die Region und die Stadt optimal nutzen. Dazu ge hören die zweigleisige Westanbindung an den Flughafen, die Wendlinger Kurve, die Leit- und Sicherungstechnik und der „Filderbahnhof plus“.

Dabei gilt – das weiß jeder –: Wer bestellt, bezahlt und wird sich an den Mehrkosten für Verbesserungen beteiligen müs sen, die über den Vertrag hinausgehen. Auch Oberbürgermeis ter Kuhn wird über seinen Schatten springen und aktiv seinen Beitrag leisten müssen – Stuttgart profitiert erheblich von Stuttgart 21 und den frei werdenden Gleisflächen –, auch wenn er bis dahin nicht mehr im Amt sein wird.

Handeln Sie rasch, sonst werden nicht nur zahlreiche Chan cen vertan sein, den Bahnknoten optimal zu gestalten, son dern dann machen Sie auch die Schlichtung zu einer Farce. Dahinter zurückzufallen wäre absurd.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jede weitere Verzögerung, Herr Ministerpräsident, wird das Land teuer zu stehen kommen. An dem, was Sie heute sagen und morgen tun, wird abzulesen sein, ob Sie bereit und in der Lage sind, diese Verantwortung für das Land und die Men schen zu tragen, ob Sie weitere Mauern aufbauen oder bereit für Neues sind. Für Sie geht es aber eigentlich noch um viel mehr. Es geht um Ihr Demokratieverständnis und um Ihre Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die CDU ist sehr daran interessiert, dass das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm konstruktiv und konfliktfrei umgesetzt wird. Als größte Fraktion sehen wir uns hier wie bisher in der Pflicht und in der Verantwortung. Sie und wir alle brauchen eine brei te Koalition, Stuttgart 21 und damit den Volkswillen umzu setzen. Wir bieten Ihnen deshalb unsere Mitarbeit an. Lassen Sie uns in einer Arbeitsgruppe aus allen Fraktionen die Arbeit des Lenkungskreises begleiten und Stuttgart 21 voranbringen. Spätestens jetzt wäre dies das beste Signal; die Zeit dafür ist reif.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Kollegin Sitzmann das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Als Fazit dieser Woche könnte man zusammenfassen: Im Südwesten nichts Neues.

(Zurufe von der CDU und der FDP/DVP, u. a.: Ge nau! – Bei Rot-Grün!)

Es gab erneut eine Entscheidung für Stuttgart 21,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja wohl! Sehr gut!)

eine Entscheidung, dieses Projekt fortzuführen. Eine Entschei dung musste deshalb erneut getroffen werden, weil die Kos ten für dieses Projekt wiederum gestiegen sind.

Ich möchte daran erinnern, dass im Jahr 1995, als es um den Rahmenvertrag ging, die Rede von 2,5 Milliarden € war. Es gab mehrere Nachjustierungen. Bei der Volksabstimmung wa ren wir bei 4,5 Milliarden €, und am vergangenen Montag er folgte im Aufsichtsrat eine erneute Nachjustierung auf 6,5 Milliarden €.

(Zuruf von der CDU: 18 Jahre!)

Es ist kein gutes Zeichen, wenn ein Projekt während der Pla nungs- und noch vor der wirklichen Bauzeit in diesem Maß Kostensteigerungen zu verzeichnen hat.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Selbstverständlich respektieren wir die Entscheidung des Auf sichtsrats vom Montag. Wir erwarten aber auch, meine Da men und Herren, dass der Aufsichtsrat,

(Abg. Peter Hauk CDU: Das kennen wir schon!)

die Bundesregierung und Sie, die Opposition, ebenfalls ak zeptieren, dass diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen beschlossen haben, dass sich das Land freiwillig mit 930 Millionen € beteiligt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Nein, vertraglich! Da gibt es einen Vertrag! Das ist ein Vertrag mit Unterschriften!)

Dies ist ein freiwilliger Beitrag, weil die Bahn für das Bauen von Bahnhöfen und Bahngleisen zuständig ist. Das Land war also nicht gezwungen, diesen Beitrag zu leisten. Das Land macht dies trotzdem, und wir sagen: Mit diesem Beitrag des Landes, diesen 930 Millionen €, muss aber auch Schluss sein. Mehr Geld gibt es nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Mehr Geld gibt es nicht, meine Damen und Herren. Das ist nicht neu. Das hat die grün-rote Landesregierung im Septem ber 2011 so beschlossen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Da gibt es einen Landtags beschluss!)

Zu diesen Kosten von 930 Millionen € gehören auch die Kos ten, die aus Stresstest und Schlichtung resultieren, meine Da men und Herren.