Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Nun hat der Kollege Winkler infrage gestellt, was das Lan desamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau dazu sagt. Herr Kollege Winkler, ich frage Sie: Wen wollen Sie denn sonst fragen?

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Der Ministerpräsident hat wissenschaftliche Erkenntnisse be schworen. Kollege Lusche hat dann herausgestellt, die dazu eingerichtete wissenschaftliche Kommission sei zur Hälfte mit Politikern besetzt. Wenn dann Wissenschaftler etwas sa gen, ist Ihnen das nicht recht, wenn das nicht in Ihr politisches Konzept passt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse gehen in die Richtung, dass der gesamte Rheingraben und die Schwä bische Alb als Erdbebengebiet gelten. Das sollte man an die ser Stelle nicht vernachlässigen.

Vorhin wurde gelacht, als der Kollege Lusche auf die Erdbe bengefahren hingewiesen hat. Gehen Sie einmal nach Singen. Gehen Sie einmal in den Kreis Konstanz. Lachen Sie dort. Dann werden Sie sehen, wie die Menschen dort darauf reagie ren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Beim GKN wurde auch immer von Erdbeben gesprochen!)

Außerdem weist dieser gesamte genannte Bereich zu hohe Wasseraufkommen auf. Das Landesamt für Geologie, Roh stoffe und Bergbau hat im Jahr 2009 festgestellt, dass die Salz schichten in der Region Heilbronn/Neckarsulm und die Ton schichten rund um Riedlingen und Ulm sowie im Hegau bei Singen Wasser führen und vor allem von der Gesteinsstärke her nicht ausreichend seien. Welcher Erkenntnisse bedarf es noch, um die Standorte im Land Baden-Württemberg auszu schließen, meine Damen und Herren?

Wir sind der Auffassung, dass Gorleben zunächst einmal zu Ende erkundet werden muss, und zwar insbesondere deshalb, weil die Argumente für die Standorte in Baden-Württemberg deutlich schlechter sind als die Argumente für den Standort Gorleben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wie soll der Beweis für die Nichteignung von Gorleben er bracht werden, wenn Sie dort – wie auch die rot-grüne Bun desregierung vor gut zehn Jahren – immer wieder den Erkun dungsstopp durchsetzen?

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Sie haben alle Verfahren abgebrochen, weil Sie offensichtlich – zumindest damals – nicht an einer Lösung interessiert ge wesen sind, sondern nur an dem Problem.

Baden-Württemberg – so ein weiteres Argument – ist mit ei nem Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung von über 50 % besonders daran beteiligt gewesen, dass radioaktiver Ab

fall entstand. Daraus leiten Sie ab, dass es notwendig sei, dass Baden-Württemberg sozusagen freiwillig besondere Lasten bei der Endlagerung übernehme.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Meine Damen und Herren, wir hatten schon erhebliche Be lastungen bei der Produktion. Daraus ergibt sich doch nicht automatisch, dass wir auch besonderen Belastungen – –

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Was? Das ist doch wohl das Allerletzte! Das gibt es doch wohl nicht! – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Wir hatten die Standorte für Kernkraftwerke. Sie sprechen von einem nationalen Lastenausgleich; hier komme ich zu mindest nicht zu dem Ergebnis, dass wir dann zwangsläufig auch besondere Lasten bei der Endlagerung übernehmen müssten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Konrad Epp le CDU – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist doch nicht zu fassen!)

Im Übrigen hat der Ministerpräsident das Verursacherprinzip beschworen,

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist doch nicht zu glauben! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

wonach alle Kosten an die Kraftwerksbetreiber und damit auch an die EnBW weiterzureichen seien. Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident: Was ist mit dem Vertrauensschutz? Die Kraftwerksbetreiber, so auch die EnBW, haben die Kosten von 1,6 Milliarden € für die Erkundung von Gorleben aufs Auge gedrückt bekommen. Man hat ihnen gesagt: „Ihr müsst diese Erkundung finanzieren.“ Jetzt plötzlich sagen Sie: „April, Ap ril! Alles wieder auf null. Die weiteren Kosten, die Kosten für die Neuerkundung habt ihr auch zu tragen.“

Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident: Werden Sie in das ope rative Geschäft der EnBW eingreifen? Oder wie stellen Sie sich diese ganzen Prozesse vor, die notwendig sind – so auch in Philippsburg, wenn es beispielsweise darum geht, eine neue, eine andere, eine erweiterte Genehmigung zu beantra gen? Auch das sind offene Fragen, meine Damen und Herren.

Sie haben in Aussicht gestellt: „Die Rücktransporte, die für die Jahre 2015 bis 2018 erwartet werden, die Castoren, über nehmen wir, gern auch nach Philippsburg.“

Meine Damen und Herren, Sie reden immer von Bürgerbetei ligung. Der Ministerpräsident hat die Bürgerbeteiligung auch in seiner Regierungsinformation angesprochen.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wir transportieren es auch!)

Was ist mit der Bürgerbeteiligung in Philippsburg? Will man dort die Castoren gern haben?

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Die will niemand gern haben!)

Was ist mit der Bürgerbeteiligung im Hegau, wenn Sie erklä ren, dass Sie den Standort für geeignet halten? Es ist schon

erstaunlich, meine Damen und Herren: Früher haben sich die Grünen angekettet, wenn der Castor kam, heute singen sie das Lied „Ihr Castorlein, kommet“. So sieht es mittlerweile aus.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Quatsch!)

Philippsburg wurde versprochen, dass die Lagerung begrenzt wird, wenn die Stadt ein Zwischenlager hinnimmt. Was ist mit dem Vertrauensschutz? Mittlerweile wird den Menschen in Philippsburg erzählt: „Ihr müsst weitere Lasten übernehmen“, ohne dass dort eine Bürgerbeteiligung stattgefunden hätte.

Herr Ministerpräsident, Sie haben zu Recht gesagt, dass sich die Politik auf einem äußerst schwierigen Feld darum bemüht hat, Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Nur frage ich mich schon, ob Sie sich nicht zu früh gefreut haben. Sie reden von einem vierstufigen Verfahren, bei dem wir aber ganz am Anfang stehen. Die erste Stufe, die Festlegung der Krite rien, hat noch nicht einmal stattgefunden. Ich erkenne am heu tigen Tag, dass die Kriterien, über die geredet wird, durchaus nicht unstrittig sind. Das hat die heutige Debatte bewiesen, und das hat auch das, was der Kollege Lusche aus der nieder sächsischen Landespolitik zitiert hat, bewiesen.

Aber dann beginnt es ja erst. Dann geht es los mit der zwei ten Phase, der oberirdischen Erkundung. Dann folgt die drit te Phase, die unterirdische Erkundung, und am Ende wird schließlich die politische Entscheidung getroffen. Sie selbst, Herr Ministerpräsident, haben von einem Prozess von 30 Jah ren gesprochen, bei dem wir ganz am Anfang stehen, bei dem die Bürgerbeteiligung noch nicht stattgefunden hat und der völlig offen ist.

Deshalb ist es absolut verfrüht, sich am heutigen Tag als der große Heils- und Konsensbringer zu feiern und zu erklären: „Wir haben das Problem gelöst.“ Sie bauen hier das Potem kinsche Dorf einer Problemlösung, das Potemkinsche Dorf ei ner großen nationalen Konsenslösung, das Potemkinsche Dorf eines politischen Erfolgs auf, den außer Ihnen noch niemand sieht. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass die heutige Ver anstaltung nur stattgefunden hat, um den Bundestagswahl kampf zu beflügeln. Wir wollen erst einmal Ergebnisse sehen, an denen auch die Bürger des Landes beteiligt sind, beispiels weise im Kreis Konstanz oder in Philippsburg.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Neckarwestheim auch!)

Wenn dann ein Konsens hergestellt ist, kann man hier feiern. Heute ist es hierfür mit Sicherheit zu früh.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Seitens der Regierung liegt eine Wortmeldung von Herrn Umweltminister Untersteller vor.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Herr Kollege Dr. Rülke, zunächst einmal lassen Sie mich feststellen: Es gab und gibt kein Angebot der Landesre gierung für Standorte in Baden-Württemberg, sondern es gibt für Baden-Württemberg das Angebot der Landesregierung,

ein Teil der weißen Landkarte zu sein – nicht mehr und nicht weniger. Dieses Angebot haben andere genauso gemacht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Kollege Hauk und Herr Dr. Rülke, ich habe eine drin gende Bitte an Sie: Gefährden Sie nicht die Chance, diese letz te große Streitfrage in der Atomauseinandersetzung – mit all ihren bekannten negativen Begleiterscheinungen über die letz ten 30 Jahre hinweg – im Konsens zwischen den vier Partei en zu lösen und das Thema auf einen guten Weg zu bringen, so, wie wir es vor zwei Jahren beim Atomausstieg gemacht haben. Meine Bitte an Sie ist: Begleiten Sie diesen Prozess positiv.

Sie tun sich und dem Land keinen Gefallen, wenn Sie solche Interviews geben wie am 9. April. Mitten in den Verhandlun gen in Berlin erreichte uns eine dpa-Meldung, überschrieben mit: „CDU-Fraktionschef will keine Castortransporte nach Baden-Württemberg“.

(Abg. Peter Hauk CDU: Genau!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Auch in den Reihen Ihrer Partei kollegen gab es nur Kopfschütteln.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ein Zwischenlager ist nicht das Problem!)

Ich sage gleich noch etwas dazu. – Erkundigen Sie sich selbst. Die Worte, die dort gefallen sind, erspare ich Ihnen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Es geht doch nicht um die Partei! Es geht ums Land!)

Die erspare ich Ihnen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Es geht ums Land, Herr Un tersteller! Es geht um das Land Baden-Württemberg!)