Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

(Abg. Peter Hauk CDU: Es geht ums Land, Herr Un tersteller! Es geht um das Land Baden-Württemberg!)

Ich habe Ihnen gerade gesagt: Es gibt die Chance, in dieser Frage einen Konsens hinzubekommen. Sie müssen sich die Frage stellen: Wollen Sie Teil dieses Konsenses sein? Oder wollen Sie diese „Fundi-Position“, die Sie da bislang einneh men, weiterhin in dieser Form zum Tragen bringen?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie, Herr Kollege Hauk, haben ebenfalls in einem Interview am 9. April im Deutschlandradio gesagt – ich zitiere –: „Gor leben ist der am meisten erkundete Standort.“

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt doch! Das wird niemand bestreiten! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Kann man auch nicht bestreiten! – Abg. Peter Hauk CDU: Kann man nicht bestreiten!)

Ich habe nicht gesagt, dass ich das bestreite. Das ist der „am meisten erkundete Standort“. Aber es stellt sich doch die Fra ge: Ist er auch wirklich der am besten geeignete Standort? Die se Frage ist letztendlich die entscheidende. Wieso ist das der am meisten erkundete Standort? Weil wir sonst keinen erkun det haben. Das ist doch die entscheidende Frage.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Heiterkeit der Abg. Muhterem Aras GRÜNE – Abg. Peter Hauk CDU: Vielleicht sollten Sie überlegen, warum!)

Lassen Sie mich auch Folgendes anmerken, Herr Kollege Hauk: Die Eignung von Gorleben konnte bislang nicht fest gestellt werden. Auch die vorläufige Sicherheitsanalyse, die in den letzten Jahren durchgeführt wurde, hat nicht zu einem positiven Ergebnis in Bezug auf Gorleben geführt – auch nicht zu einem negativen –, sondern sie hat weiteren Untersuchungs bedarf deutlich gemacht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Untersuchen wir weiter!)

Zweitens: International, ob von der Internationalen Atomener gie-Organisation, von der OECD oder von Euratom, wird heu te ein nachvollziehbarer und transparenter Suchprozess gefor dert. Diesen hat es bei der Entscheidung zu Gorleben nicht gegeben. Das ist ein ganz entscheidender Nachteil mit Blick auf Gorleben.

Herr Kollege Lusche, Sie sind Anwalt. Sie haben vorhin – das hat mich schon etwas gewundert – gesagt: „Ich lasse einmal die verfahrensrechtlichen Fragen außen vor.“ Es ist nicht aus geschlossen – das sage ich ausdrücklich –, dass diese Verfah rensfehler im Zusammenhang mit Gorleben – nämlich die feh lende Abwägung zwischen dem Standort Gorleben und Alter nativstandorten – dazu führen, dass nach Abschluss der Er kundung der Standort Gorleben rechtlich scheitern könnte. Dann hätten wir weder den Standort Gorleben noch einen an deren Standort.

Lassen Sie mich schließlich noch einen dritten Punkt erwäh nen: Das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwal tungsgericht haben 2008 den einklagbaren Anspruch des Bür gers, der Bürgerin im Atomrecht deutlich erweitert. Diese ha ben nicht nur einen Anspruch auf die Einhaltung der Sicher heitsanforderungen, sondern auch darauf, dass darüber hinaus eine bestmögliche Risikominderung betrieben wird. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger haben nicht nur einen Anspruch darauf, dass sich ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle eignet, sondern darauf, dass dieses Endlager die Sicherheit bestmöglich gewährleistet. Das gelingt aber nur, wenn man sich auf eine ergebnisoffene Suche in Deutschland einlässt.

Das ist, wenn wir einmal ehrlich sind, der entscheidende Grund, warum Altmaier, Röttgen und andere aus Ihrer Partei bereit waren, diesen Prozess mitzugehen. Denn sie haben na türlich auch das Risiko oder, besser gesagt, die Risiken gese hen, die es im Zusammenhang mit Gorleben gibt.

Übrigens werden auch fachliche Fragen diskutiert. Es gibt ei ne Reihe von Gutachten – Sie haben, Herr Rülke, vorhin auf das letzte Gutachten aus dem Jahr 2011 verwiesen –, die sich mit folgenden Fragen beschäftigen: Wie sieht es eventuell mit wasserführenden Schichten aus? Wie steht es mit den darun ter liegenden Gasvorkommen, die seit 1976 bekannt sind? Ha ben sie einen Einfluss, ja oder nein? Wie ist es mit dem Deck gebirge? Ist das ausreichend oder nicht? Ist es möglicherwei se so, dass nur die Salzschicht als Barriere dient, weil das Deckgebirge fehlt? All diese Fragen sind im Zusammenhang mit Gorleben offen.

Deswegen rate ich dringend dazu, diesen Prozess, den wir jetzt gemeinsam aufgesetzt haben, auch positiv zu begleiten. Denn dass wir ein Endlager brauchen, ist doch hoffentlich unstrit tig.

Es bringt auch nichts, Herr Kollege Hauk, da zurückzublicken, wer welche Fehler gemacht hat. Selbstverständlich haben al le Fehler gemacht. Selbstverständlich hat auch Rot-Grün – um das ganz offen zu sagen – Fehler gemacht. Das Moratorium aus dem Jahr 2002 hat dazu geführt, dass man den AkEnd mit den Fachleuten eingerichtet hat,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Genau! Der nichts zustande gebracht hat!)

die damals die Kriterien entwickelt haben. Aber es ist kein zweiter Schritt erfolgt, nämlich der Schritt, den die Schwei zer gegangen sind, der mehr oder weniger Vorbild auch für den Weg ist, den wir jetzt in Deutschland gehen wollen, näm lich auf einem auf wissenschaftlichen Kriterien basierenden Verfahren aufzusetzen. Das war ein Versäumnis. Aus meiner Sicht tragen hier alle Vorgängerbundesregierungen ihren Teil der Verantwortung.

Herr Kollege Lusche, ich habe Ihrer Rede entnommen, dass Sie diesen Prozess grundsätzlich als positiv erachten. Sie ha ben gesagt: „Weiße Landkarte – okay.“ Ich habe mich etwas gewundert, was Sie dann gesagt haben: „Aber bitte schön, al les, was bislang vorliegt, zeigt: Bei uns geht das nicht.“ „Wei ße Landkarte“ heißt aber zunächst einmal Folgendes: Die Kri terien, die in diesem Prozess, in dieser Kommission, in den kommenden beiden Jahren festgelegt werden und zu denen es eine Vereinbarung geben wird, sind letztlich das Entscheiden de für die Suche in Deutschland und für eine eventuelle Su che in Baden-Württemberg.

Ob Baden-Württemberg infrage kommt, weiß niemand von uns, weiß ich nicht und wissen Sie nicht. Es gibt drei grund sätzlich geeignete Gesteinsformationen: Salz, Ton und Gra nit. Entscheidend sind aber die Rahmenbedingungen und ist die Frage, ob Kriterien, die jetzt entwickelt werden, erfüllt werden oder nicht, und entscheidend sind auch die Aus schlusskriterien.

Ich rate wirklich dazu, hier keinen Popanz aufzubauen, wir hätten Angebote gemacht für irgendwelche Suchflächen auf der Schwäbischen Alb oder sonst wo. Das ist doch alles kom pletter Unsinn.

Herr Kollege Hauk, das Interview mit Ihnen im Deutschland radio fand ich auch noch in einem anderen Zusammenhang bemerkenswert; das muss ich Ihnen schon sagen. Sie haben sich dabei zu der Lösung geäußert, die wir jetzt insgesamt an streben, auch im Rahmen dieses Konsenses.

(Abg. Peter Hauk CDU: Zum Zwischenlager!)

Auf die Frage der Zwischenlager komme ich noch ausführ lich zurück. – Zunächst einmal zu Ihnen, Herr Kollege Lu sche: Sie haben gesagt, wenn Tanja Gönner dies gemacht hät te, dann hätten Sie einmal hören mögen, wie die Opposition reagiert hätte.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja!)

Am 10. November 2010, einige Zeit vor der Landtagswahl, sozusagen noch im Vorwahlkampf, gab es eine Pressemittei lung unserer Fraktion zum Thema „Zwischenlager für Atom müll aus Frankreich und England“. Die Überschrift lautete:

Franz Untersteller: Verantwortung statt Sankt-Florian

Hintergrund war der Vorschlag des damaligen Umweltminis ters in Niedersachsen, Sander – FDP –, nicht mehr alles nach Gorleben zu schicken, sondern auch die anderen Zwischenla gerstandorte in Anspruch zu nehmen.

Ich zitiere aus dieser Pressemitteilung:

Es wäre mehr als angemessen, wenn der aus baden-würt tembergischen Atomkraftwerken stammende strahlende Müll zur Zwischenlagerung wieder an die Erzeugerstand orte zurückgebracht wird.

Ich habe also schon zu Oppositionszeiten eine klare Linie ver folgt und habe mich dafür auch kritisieren lassen. Jetzt kommt dieser Vorschlag vielleicht auch zum Tragen. Ich musste mich zu Beginn der Legislaturperiode bereits von Greenpeace da für kritisieren lassen, dass ich nicht bereits beim letzten Trans port darauf eingewirkt habe, dass dieser Vorschlag zum Tra gen kam. Das hatte einen ganz einfachen Grund. Der Minis terpräsident hat es vorhin angesprochen:

Erstens ist es keine politische Entscheidung, sondern immer eine Entscheidung derjenigen, die die Genehmigung inneha ben. Ergo muss die EnBW einen Antrag auf Änderung der Ge nehmigung stellen.

Zweitens: Ein solches Genehmigungsverfahren ist mit Öffent lichkeitsbeteiligung durchzuführen; dies zum Thema Öffent lichkeit. Das heißt, es wird, wenn es hierzu kommen sollte, ein umfangreiches Verfahren geben, an dem die Öffentlich keit beteiligt ist. Das erfordert Zeit. Schon deshalb kam das beim letzten Mal überhaupt nicht infrage. Vielmehr habe ich schon damals gesagt, man kann, wenn überhaupt, über den Transport nachdenken, der dann 2015 ansteht.

In dem erwähnten Interview, Herr Kollege Hauk, haben Sie Folgendes gesagt – ich zitiere –:

Wir haben an jedem... Kernkraftwerksstandort heute ein Zwischenlager... eingerichtet. Dort gehen schon heute vielfältige Gefahren davon aus, die noch Grün und Rot zu verantworten haben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich! – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist so! Sie haben doch atomi siert! Sie haben doch das Thema Zwischenlager ato misiert!)

Jetzt will ich Ihnen einmal eines sagen: Sie waren Mitglied einer Landesregierung, die damals – genauso wie das heute der Fall ist – für die Aufsicht dieser Zwischenlager zuständig war. Jetzt frage ich Sie: Haben Sie damals meine Vorgänge rin darauf aufmerksam gemacht, dass nach Ihrer Auffassung von den Zwischenlagern in Philippsburg und Neckarwestheim „vielfältige Gefahren“ ausgehen? Das ist doch einfach absurd, was Sie da machen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Wenn dem so ist, warum nicht in Gorleben?)

Das ist doch unglaublich! Wo waren Sie denn bei der Lauf zeitverlängerung – die zu noch mehr Atommüll geführt hätte –, um diese „vielfältigen Gefahren“, die Sie sehen, zu verhin dern? Wo waren Sie denn da?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das ist doch einfach unverantwortlich, was Sie da machen. Die Zwischenlager in Deutschland wurden in den Jahren zwi schen 2002 und 2005 eingerichtet, und zwar aufgrund der Be schlüsse der damaligen Novelle des Atomgesetzes.

(Abg. Peter Hauk CDU: Genau!)

Genehmigungsbehörde war das Bundesamt für Strahlen schutz. Die Atomaufsicht über diese Anlagen obliegt den Län dern. Die sicherheitstechnische Situation dieser Anlagen, die sicherheitstechnischen Anforderungen unterscheiden sich in nichts. Die Anlage in Gorleben, das Transportbehälterlager, hat die gleichen sicherheitstechnischen Anforderungen wie die Zwischenlager an den Standorten.

(Abg. Peter Hauk CDU: Warum dann nicht nach Gor leben?)

Das will ich Ihnen sagen. Der Herr Ministerpräsident hat es ja bereits versucht, aber offensichtlich haben Sie es nicht ver standen. Der Grund ist ziemlich einfach. Es ging und geht doch wirklich um eine vertrauensbildende Maßnahme im Zu sammenhang mit der Überlegung, dass dann, wenn alles aus La Hague und Sellafield in das Transportbehälterlager nach Gorleben kommt, natürlich der politische Druck zunimmt, dass Gorleben zum Endlagerstandort wird. Das ist doch der Punkt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das sagen Sie!)

Um diesen Druck wegzunehmen, haben sich Teilnehmer an dieser Runde – dazu zählte Schleswig-Holstein, dazu zählte auch der Ministerpräsident von Baden-Württemberg – bereit erklärt, Verantwortung zu übernehmen, wobei der Minister präsident ausdrücklich deutlich gemacht hat, dass er auch von anderen erwartet, dass sie Verantwortung übernehmen.

Philippsburg ist aber genauso grenznah wie Biblis. Ich wür de erwarten, dass diejenigen, die jahrelang die Kernenergie in Deutschland vorangetrieben haben, die sich für die Laufzeit verlängerung eingesetzt haben, sich jetzt, da es um die Atom müllfrage in Deutschland geht, auch dieser Verantwortung stellen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es ist doch geradezu eine Schizophrenie der Geschichte, dass ausgerechnet die Grünen, die jahrelang gegen die Kernener gie gekämpft haben und eigentlich nichts mit dem Atommüll zu tun haben möchten, diejenigen sind, die in Schleswig-Hol stein und Baden-Württemberg die Verantwortung überneh men, während Sie sich davonstehlen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Sie wollten doch Regierung wer den!)