Die Erwerbstätigenquote von Frauen lag 2009 bei knapp 70 %; da liegen wir über dem EU-Durchschnitt. Deutlich da runter liegen wir aber bei den Führungspositionen. Hier sind wir deutlich unterdurchschnittlich, was Sie ja auch beschrie ben haben.
Sie haben die Situation bei der FDP/DVP angesprochen. Für den Raum Stuttgart kann ich dazu nur sagen, dass hierbei auch die Wähler entschieden haben. Denn an vierter, fünfter und sechster Position wären drei Frauen in den Landtag eingezo gen. Diese Entscheidung lag also mit am Wähler; ein paar Hundert Stimmen haben dies ausgemacht. Man sieht daran, dass die Wähler und Wählerinnen durchaus die Möglichkeit haben, ihre Entscheidungen entsprechend zu treffen.
Die DAX-Unternehmen – auch dies wurde angesprochen – haben sich verpflichtet, noch in diesem Jahr eine transparen te Zielvorgabe vorzulegen. Das Bundesfamilienministerium hat einen Stufenplan dazu entwickelt, wie in Form einer Selbstverpflichtung mehr Transparenz und Wettbewerb ge schaffen und Fortschritte bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erzielt werden können. Weiter geht es darum, Qua lifizierungsangebote und Programme für Wiedereinsteigerin nen auszubauen.
Ich glaube, wir alle haben dasselbe Ziel, nämlich gleiche Chancen für Frauen zu schaffen, und zwar auch in Bezug auf das Gehalt. Wichtig ist uns, dass man die Ziele bündelt und dabei nicht weitere Bürokratie aufbaut. Wichtig ist uns auch, dass nicht in die Autonomie der Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, eingegriffen wird. Eine Quote lehnen wir ab. Mir ist auch nicht klar, wie eine solche Quote im Mittelstand funktionieren soll. Sie müssten genau erklären, wie so etwas funktionieren soll. Wenn in einem Mittelstandsunternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend aufgebaut wor den sind, kann man z. B. nicht einfach einen technischen Mit arbeiter im kaufmännischen Bereich einsetzen. Mir fehlt da bei die Konkretisierung. Es hört sich gut an, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie dies im Detail funktionieren soll.
Gerade was mittelständische Unternehmen angeht, kann ich dabei aus der Praxis sprechen. Wie würde man denn etwaige Sanktionen vorsehen? Man müsste eine solche Maßnahme auch kontrollieren und müsste entsprechend Sanktionen ver hängen können.
Sie haben den öffentlichen Dienst angesprochen. Hier kann man vorbildlich vorangehen, keine Frage. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass wir auch für diesen Bereich hand habbare und zweckmäßige Regelungen brauchen. Denn auch für die Frauen wäre es am schlechtesten, wenn es hieße: Das ist die Quotenfrau, die jetzt hier ist.
Ich meine, die Quote macht keinen Sinn, insbesondere nicht für unsere mittelständische Wirtschaft. Hier setze ich vielmehr auf Eigenverantwortlichkeit. Auch der Mittelstand hat die Pro blematik inzwischen erkannt.
Frau Gurr-Hirsch hat es gesagt, und mit dieser Aussage möch te ich nun schließen und darauf verweisen, dass auch viele an
dere dies so sehen, die in Personalverantwortung stehen: Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Frauen.
Das Wort erteile ich nun der Frau Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Altpeter.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer Studie des Instituts für Unternehmensführung am Karlsruher Institut für Technologie zufolge hat sich der Frauenanteil in den Topführungspositionen in Deutschland in den letzten Jahren nicht erhöht. Ich sage deutlich: trotz aller Selbstverpflichtung. Unter den 1 046 Vorständen der 330 wichtigsten Unternehmen fanden sich Ende 2010 gerade ein mal 28 Frauen; das entspricht einem Anteil von 2,7 %. In den Aufsichtsräten beträgt der Frauenanteil 9,1 %, davon auf Ka pitalgeberseite nur 4,4 %.
Die Gründe, warum so wenige Frauen in Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft vertreten sind, liegen nicht bei den Frauen. Frauen sind inzwischen genauso gut, wenn nicht gar besser ausgebildet als Männer; sie sind genauso leistungsbe reit und motiviert. Die Gründe liegen vielmehr in den Perso nalentwicklungsprinzipien, nämlich insofern, als bewusst oder unbewusst solche Personen ausgewählt werden, die den bis herigen Mitgliedern der Organisationen am ehesten entspre chen. Die Gründe liegen in veralteten Rollenbildern, und die Gründe liegen auch in Fehlanreizen im Steuer- und Sozialver sicherungssystem und in der Tatsache, dass familienbedingte Erwerbsunterbrechungen nicht mehr aufholbar sind.
Ich darf ein Beispiel nennen. Wenn Sie heute junge Frauen, die frisch aus der Ausbildung, frisch aus dem Studium kom men und in den Beruf gehen, fragen, ob sie sich gleichberech tigt fühlen, dann werden die meisten jungen Frauen Ihnen zu nächst mit Ja antworten. Ein paar Jahre später wird sich die Situation umgedreht haben, nämlich dann, wenn eine Lücke kommt. Wenn es wegen Kindern Unterbrechungen im Er werbsleben gibt, wenn es wegen der Kindererziehung Teil zeitbeschäftigung gibt, dann entsteht die unaufholbare Lücke. Für die Politik, aber auch für die deutsche Wirtschaft gilt es in Zukunft genau diese Lücke zu schließen.
Verehrte Frau Gurr-Hirsch, bei aller Wertschätzung Ihrer Be mühungen um einen höheren Frauenanteil und bei aller Dar stellung der Bemühungen der alten Landesregierung vorhin in Ihrer Rede kann ich Ihnen doch einige Zahlen an dieser Stelle nicht ersparen. In Baden-Württemberg gibt es in 14 der 35 Unternehmen mit 100-prozentiger Landesbeteiligung kei ne Frau in einem Aufsichtsgremium, in 24 höchstens eine. In den Aufsichtsräten der vier Universitätskliniken Freiburg, Hei delberg, Tübingen und Ulm ist ein Aufsichtsratsmitglied von insgesamt 33 Mitgliedern weiblich; das entspricht einer Quo te von 3 %. In den sieben Zentren für Psychiatrie sind zwölf
Da darf man auch einmal fragen, woran das denn nun liegt. Wer arbeitet an den Zentren für Psychiatrie? Das sind Frauen in sozialen Berufen. Diese Zahlen sind kein Ruhmesblatt der alten Landesregierung.
Nun haben Sie die Förderung der Kontaktstelle „Frau und Be ruf“ angesprochen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kann mich an viele Haushaltsdiskussionen der letzten zehn Jahre erinnern, in denen es ausschließlich um die Kürzung des Etats für die Kontaktstelle „Frau und Beruf“ ging. Also auch hier kein Ruhmesblatt in der Förderung von Frauen in der Wirt schaft in Baden-Württemberg.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Quote ist keine Erfindung von wild herumschwirrenden Feministinnen. Die Quote ist heute einfach eine Notwendigkeit. Wir haben gese hen, dass die freiwillige Selbstverpflichtung überhaupt nicht den gewünschten Erfolg bringt. Wir wissen gleichzeitig aus vielen Studien, dass der Unternehmenserfolg mit dem Frau enanteil in Führungspositionen wächst. Dies haben mehrere Studien belegt, und dies hat auch die Studie untermauert, die noch die alte Landesregierung bei McKinsey in Auftrag ge geben hat, in der ausdrücklich herausgestellt wurde, welche weiteren Potenziale für den Arbeitsmarkt bei den Frauen lie gen und in Zukunft noch erschlossen werden können. Schade nur, dass diese Potenziale insbesondere vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels in einer der letzten Regie rungserklärungen der vorherigen Regierung nur mit einem kleinen Halbsatz erwähnt wurden. Es wäre doch schön gewe sen, hätte man die Inhalte des Gutachtens, das man selbst in Auftrag gegeben hat, hier auch dargestellt, um dann die ent sprechenden Maßnahmen einzuleiten.
Dann stellt sich immer wieder die Frage – das klang auch in manchen Redebeiträgen durch –: Haben wir zu wenig quali fizierte und geeignete Kandidatinnen? Bestes Gegenbeispiel ist Norwegen, das aufgrund seiner seit 2008 geltenden Quo tenregelung zwischenzeitlich einen Frauenanteil in den Lei tungsgremien der Aktiengesellschaften vom mindestens 40 % aufweisen kann. In der Vergangenheit ist es trotz aller Selbst verpflichtungen bei uns offensichtlich nicht gelungen, dies hinzubekommen. Wir haben den geringsten Anteil aller.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen- und -minister hat am 17. Juni 2011 einen Beschluss für eine rechtlich verbind liche Frauenquote in Spitzenpositionen der Wirtschaft gefasst. Die gesetzliche Frauenquote – das ist ein Kompromiss – soll 2017 verbindlich werden, wenn die Unternehmen die Vorga ben bis dahin nicht freiwillig erfüllt haben.
Wir setzen uns grundsätzlich für eine frühere Geltung der Quotenregelung ein, vor allem angesichts des Herumlavierens
der Bundesregierung, die sich in diesem Zusammenhang sehr uneinig ist. Während sich Bundeskanzlerin Merkel und Fami lienministerin Schröder trotz der vernichtenden Bilanz wei terhin auf freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft be rufen, spricht sich die Arbeitsministerin für eine gesetzliche Quote aus.
Wir denken, dass die Quotenregelung für die Zukunft von Deutschland, aber auch von Baden-Württemberg wichtig und richtig ist. Dies gilt im Hinblick auf die Wirtschaftsstärke, im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum und im Hinblick auf die künftigen Potenziale an Fachkräften; diese brauchen wir dringend. Deswegen ist eine Quotenregelung unumgänglich.
Sehr geehrter Herr Haußmann, auch wenn ich einige Ihrer Ausführungen nachvollziehen kann, muss ich feststellen: Ei ne Quote hätte mit Sicherheit auch Ihrer Fraktion nicht ge schadet. Sie hätten sich dann heute Morgen hier das Reden sparen können, und Ihre Fraktion würde hier nicht so homo gen sitzen, denn Sie hätten auch Frauen in Ihrer Fraktion.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da spielt der Wäh ler aber schon eine Rolle, oder? – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)
Frau Ministerin, könnten Sie mich aufklären, wie wir dies hätten bewerkstelligen sol len? Haben Sie nicht den Hinweis von Herrn Haußmann ge hört, wonach bei entsprechender Stimmenzahl die drei nächs ten Abgeordneten der FDP/DVP im Bezirk Stuttgart, die in den Landtag eingezogen wären, Frauen gewesen wären?
(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Thomas Blenke CDU: Der war gut! – Abg. Friedlin de Gurr-Hirsch CDU: Weiter so!)
Sehr geehrter Herr Abg. Goll, ich halte diese Argumentation für nicht schlüssig. Denn wenn diese Frauen hätten gewählt werden sollen,
(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ach ja? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ach so? Das weiß man im Voraus? Es kann nicht jeder umziehen, wie Herr Schmid! Das geht nicht!)