Wir sind uns einig, dass alle Fälle und Verdachtsfälle gründ lich und vollständig aufgearbeitet werden müssen. Wir soll ten uns einig sein, dass wir dem Schutz des Kindes in BadenWürttemberg hohe Priorität einräumen. Deshalb werden wir die Kinderrechte in die Landesverfassung aufnehmen. Des halb erhalten die Fachberatungsstellen, die auf das Thema „Sexuelle Gewalt“ spezialisiert sind, mehr Geld, und deshalb wurde die Förderung der 40 Frauen- und Kinderschutzhäuser in Baden-Württemberg erhöht.
Deshalb unterstützt das Sozialministerium das „Netzwerk Frü he Hilfen und Kinderschutz“ mit rund einer halben Million Euro. Deshalb setzt sich Justizminister Stickelberger dafür ein, dass noch vorhandene Strafbarkeitslücken beim soge nannten Cybergrooming geprüft und geschlossen werden. Mit Cybergrooming wird die gezielte Ansprache Minderjähriger über das Internet mit dem Ziel sozialer Kontakte bezeichnet.
Mit diesen und weiteren Maßnahmen können wir viel dazu beitragen, Missbrauch in Zukunft zu verhindern. Auf überhol te Entscheidungen von vor 30 Jahren zu verweisen, das hilft nicht.
Archive öffnen, unabhängige Gutachter beauftragen, das zeigt doch, dass man sich seiner Geschichte stellt, liebe Kollegin nen und Kollegen.
Ich habe gestern mit einer Sozialpädagogin gesprochen, die in Selbsthilfegruppen Opfer sexueller Gewalt über Jahre hin weg betreut. Sie war entsetzt, dass ein solches Thema die heu tige Aktuelle Debatte erneut bestimmt, in der die politische Kontroverse doch im Vordergrund steht. Sie war entsetzt, weil eine solche Debatte nicht den Opfern dient und weil man ein mal wieder zu viel über die Opfer redet statt mit ihnen.
Der runde Tisch in Berlin, meine Kolleginnen und Kollegen, hat gezeigt, dass das auch funktionieren kann – mit den Op fern reden, fraktionsübergreifend. Aber ich habe nach der heu tigen Aktuellen Debatte mit dem gleichen Thema wie vor zwei Monaten nicht den Eindruck, dass ein runder Tisch in Stutt gart mit der Opposition überhaupt jemals möglich wäre.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Landtags fraktion hatte am 10. April 2013 eine Aktuelle Debatte zum Thema „Konterkariert die Haltung der Landesregierung zur Verleihung des Theodor-Heuss-Preises die Kampagne gegen Kindesmissbrauch?“ beantragt. Die Debatte stand im Zusam menhang mit der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises an Daniel Cohn-Bendit. Seinerzeit gab es bei den Regierungs fraktionen große Empörung, und es gab seitens des Minister präsidenten großes Schweigen hier im Parlament.
Ich darf noch einmal daran erinnern, dass der Impuls seiner zeit vom Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ausge gangen ist. Er hatte gesagt, er wolle die Festrede für die Ver leihung des Theodor-Heuss-Preises an Daniel Cohn-Bendit am 20. April in Stuttgart nicht halten.
Es ist schon bemerkenswert gewesen – auch für viele unter uns, die sich zuvor vielleicht gar nicht so intensiv mit diesen Themen beschäftigt haben –, wie viele Reaktionen in den Wo chen danach erfolgt sind, die gar nicht mehr von der Politik angestoßen wurden. Vielmehr gingen sie auf Recherchen von Journalisten zurück oder wurden uns von Verbänden und Or ganisationen zugetragen. Ich habe dazu viele Briefe und In formationen bekommen, die mir zumindest vorher so nicht bekannt waren.
An dieser Stelle, Frau Kollegin Graner, möchte ich Ihnen schon ein bisschen widersprechen. Die Diskussion, die wir durch den Verzicht des Präsidenten des Bundesverfassungs gerichts auf das Halten der Festrede hatten, hat, glaube ich, in der Öffentlichkeit jetzt schon zu einem Impuls geführt, der für dieses Thema auch notwendig war.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Hat zur Aufarbeitung ge führt!)
Insofern war einerseits das Schweigen des Ministerpräsiden ten bemerkenswert, andererseits auch die Preisverleihung, als der Regierungssprecher Rudi Hoogvliet alles darangesetzt hat, vor, währenddessen und danach die Journalisten zu überzeu gen. Die „Frankfurter Allgemeine“ sprach am 5. Mai von ei nem falschen Schauspiel.
Insofern ist die Debatte notwendig, um diesen Impuls zu set zen. Denn das, was die Frau Kollegin Mielich zum Ausdruck gebracht hat, war sicherlich nicht das Zeichen, das man er wartet hätte. Bei der Preisverleihung hat man das beim Regie rungssprecher nicht erkennen können. Ich gehe nicht davon aus, dass es ein eigenmächtiges Handeln von ihm war.
Dann war ganz interessant, dass man hinterher – nach der Preisverleihung – noch einige weitere Informationen bekam, beispielsweise in der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 28. Ap ril, als bekannt wurde, dass Daniel Cohn-Bendit in verant wortlicher Funktion presserechtlich zuständig für das Maga zin „Pflasterstrand“ war, wo sich immer wieder abstoßende Texte zum Thema „Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern“ gefunden haben.
Anschließend wurde auch ein Video veröffentlicht, das ihn zeigt, wie er in einem französischen Sender ein Interview gab; ich will es an dieser Stelle gar nicht zitieren. Insofern sind das Beispiele, die hinterher – nach dieser Preisverleihung – in die Öffentlichkeit gekommen sind. Möglicherweise haben einige sie vorher gekannt; wir auf jeden Fall nicht.
Es gibt zahlreiche Beispiele aus dem Buch „Die missbrauch te Republik“, die das darlegen. Dabei geht es bei einem Hin weis um Baden-Württemberg, nämlich um den Entschluss des Arbeitskreises „Kinder und Jugendliche“ der Grünen von 1985. Einen Satz daraus möchte ich mit Erlaubnis des Präsi denten zitieren:
Es ist erstaunlich, dass man solche Informationen bekommt, wenn nach dieser Debatte vom April zunächst einmal Minis terpräsident Kretschmann erklärt, im Südwesten habe man mit diesen Themen nichts zu tun gehabt. Das steht im Widerspruch zu diesen Veröffentlichungen.
Die Grünen wollen nun reagieren und ihre Archive öffnen. Das ist gut so. Der Landeschef der Grünen, Chris Kühn, hat te sich so geäußert, dass er Aufklärungsbedarf sehe. Das ist gut so.
In der letzten Sitzung des Sozialausschusses hat ein Kollege der Grünen dieses Thema noch einmal aufgegriffen und ge sagt, er sehe Bedarf, dieses Thema nochmals zu durchleuch ten. Auch das begrüßen wir.
Wir freuen uns auch, dass wir bei dieser Sitzung des Sozial ausschusses den Antrag der CDU und der FDP/DVP, Druck sache 15/2955, zum Thema „Umsetzung der Kampagne ‚Kein Raum für Missbrauch‘“ umgesetzt haben. Wir haben – auch
... die zahlreichen Initiativen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch im Land aktiv zu unterstützen. Die Kampagne „Kein Raum für Miss brauch“ wird in diesem Rahmen unterstützt.
Wir wissen – das steht in der Stellungnahme zu diesem An trag –: Seit 2008 gab es in Baden-Württemberg 6 861 Fälle von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen. Das zeigt schon, dass das ein Thema ist, mit dem wir uns auch hier in Baden-Württemberg beschäftigen müssen.
Es ist insofern sehr schön, dass das Bundeskinderschutzge setz initiiert und verabschiedet wurde. Es ist uns ein großes Anliegen, dass der Prozess auch im Land Baden-Württemberg vorangeht. Es gibt Beispiele, die wir anregen und die wir an geregt haben, bei denen wir die niederschwellige Beratung entsprechend intensivieren.
Es gibt gute Projekte wie beispielsweise das Projekt der Ber liner Charité, die dafür einen neuen Spot gemacht hat. Die Berliner Charité hat in den letzten Jahren über 2 800 Men schen als Ansprechpartner zur Verfügung gestanden, die sich Hilfe suchend an sie gewendet haben.
Das ist ein Grund, warum wir immer wieder das Thema Kin derschutzambulanzen ansprechen. Ich fordere die Landesre gierung auf, dieses Thema auf die Agenda zu setzen und den Vorschlag für einen Landesaktionsplan zum Thema „Sexuel ler Missbrauch“ aufzugreifen.
Fazit: Die Debatte, die wir seinerzeit geführt hatten, und der Impuls des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts waren richtig und wichtig. Es sind Informationen an die Öffentlich keit gekommen, die der Öffentlichkeit so nicht bekannt wa ren.
Nicht immer ist das Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ gut. Das hätte auch für unseren Ministerpräsidenten am 10. April gegolten.
Sehr geehr ter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! „Die Grü nen müssen sich ihrer Geschichte stellen“ – ja, das müssen wir, und ja, das tun wir. Wir haben das Institut für Demokra tieforschung in Göttingen unter der Leitung von Franz Wal ter mit einer Aufklärung über den Einfluss pädophiler Grup pen auf Grüne, auf Grünen-Versammlungen in der frühen Pha se der Grünen beauftragt. Wir wollen wissen, wer wann wo in welchem Umfang im Zusammenhang mit Grünen-Ver sammlungen für Straffreiheit für Sexualität von Erwachsenen mit Kindern eingetreten ist.
Vorneweg: Ihre Forderung ist völlig inakzeptabel. Frau Abg. Mielich hat es schon gesagt: Eine einvernehmliche Sexuali tät zwischen Erwachsenen und Kindern ist nicht möglich. Das
war das zentrale Postulat. Es ist nicht möglich; es ist immer ein Machtmissbrauch, und es ist immer ein Übergriff.
Das Ergebnis dieser Untersuchung werden wir selbstverständ lich diskutieren. Wir werden es öffentlich mit der Gesellschaft und auch mit Ihnen diskutieren, und wir werden uns der Ver antwortung der Ergebnisse stellen.
Ich habe allerdings schwere Zweifel, ob Andreas Voßkuhle mit seiner Aussage, nicht an der Preisverleihung teilzuneh men, beabsichtigt hat, diese Art von Debatten, die insbeson dere Sie, Herr Löffler, hier führen, auszulösen. Vielleicht fra gen Sie einmal nach.
Ich möchte auch in aller Deutlichkeit sagen: Herr Löffler, Sie sollten aufpassen mit Ihren Aussagen. Denn manchmal läuft Ihnen, glaube ich, der Elan davon. Dass jemals Grüne in ir gendeinem Zusammenhang eine Plattform für das Ausleben pädosexueller Neigungen geboten hätten, das nehmen Sie bit te zurück.
Wie auch Frau Abg. Graner, die auf viele Punkte, die hier auf Landesebene wichtig sind, schon eingegangen ist, möchte ich in den Mittelpunkt stellen, was wir aktuell Wichtiges zum Thema „Sexueller Missbrauch“ tun sollten und was wir dis kutieren sollten. Unsere Aufgabe ist es, den Opfern zu helfen. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen – so gut es eben mög lich ist –, dass potenzielle Täter nicht zu Tätern werden. Mehr als jeder Zehnte – bei den Mädchen liegt dieser Anteil deut lich höher – wird im Lauf seines Lebens Opfer sexueller Ge walt, sexuellen Missbrauchs. Die Opfer brauchen Schutz. Sie brauchen Akuthilfe, sie brauchen Beratung, therapeutische Hilfe, juristische Beratung.
Dabei gibt es noch offene Punkte. Dabei ist noch nicht alles getan. Kinder und Jugendliche brauchen einen eigenständi gen Rechtsanspruch auf Beratung. Unsere Systeme sind noch nicht hinreichend darauf eingestellt, dass bei sexuellem Miss brauch die Täter oft im engsten Umfeld der Kinder sind. Dem sollte bei rechtlichen und Beratungsfragen Rechnung getra gen werden. Da kann man nicht einfach die Eltern als An sprechpartner nehmen. Da gibt es noch einiges zu tun.
Wir brauchen ein flächendeckendes Beratungsnetz und flä chendeckende Therapieangebote. Wir sind in Baden-Würt temberg mit über 40 Beratungsangeboten relativ gut aufge stellt. Aber auch bei uns gibt es noch Lücken.