Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Wir brauchen ein flächendeckendes Beratungsnetz und flä chendeckende Therapieangebote. Wir sind in Baden-Würt temberg mit über 40 Beratungsangeboten relativ gut aufge stellt. Aber auch bei uns gibt es noch Lücken.

Die Aussage von Ihnen, Herr Löffler, am Geld dürfe Unter stützung nicht scheitern, kann ich nur deutlich mittragen. Ich glaube, darüber könnte die CDU – darauf komme ich nach her noch zu sprechen – noch einmal nachdenken, gerade auf kommunaler Ebene. Ich erinnere mich da an einige Debatten um Zuschüsse für Beratungsstellen von Wildwasser, Wende punkt und anderen, wo die Unterstützungslage durchaus eine andere war.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Andre as Schwarz GRÜNE: Ja!)

Es geht noch um die Frage des Fonds zur Unterstützung von Opfern, in der sich Bund und Länder derzeit nicht einig sind. Zum einen geht es um Opfer von familiärem sexuellen Miss brauch, zum anderen um die Opfer von institutionellem sexu ellen Missbrauch. Gerade hier sind die Länder vordringlich in der Verantwortung. Da muss noch eine Einigung gefunden werden. Es geht aber auch darum, die Regelverfahren, die Therapieanerkennungsverfahren in Zukunft so aufzustellen, dass sichergestellt ist, dass Opfer sexuellen Missbrauchs Un terstützung erfahren, zu Therapien Zugang bekommen und ih nen geholfen wird.

An diesem Punkt möchte ich noch einmal eines deutlich sa gen: Mir als Grüne und ehemalige Landesvorsitzende der Grü nen ist vorhin in der Debatte schwergefallen, anzuhören, dass wir das Thema vernachlässigen würden. Es ist mir auch schwergefallen zu hören, dass die Debatte in diesem Jahr wichtig war, um das Thema in den Vordergrund zu rücken. Ich selbst bin seit Ende der Achtzigerjahre Mitglied von Wildwas ser Freiburg e. V. Ich war auch im Vorstand und habe es nicht nötig, mir jetzt, im Jahr 2013, von jemandem sagen zu lassen, wie wichtig dieses Thema ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Seit dieser Zeit bin ich Mitglied bei den Grünen, und ich hat te nie das Gefühl, dass in meiner Partei – ich hätte es auch nicht ausgehalten – bei diesem Thema Leichtfertigkeit oder Desinteresse herrscht, im Gegenteil. Damals habe ich als Ge meinderatsmitglied in Freiburg mit dafür gekämpft, dass Wild wasser Freiburg e. V. als Beratungsstelle eine institutionelle Förderung bekommt. Das war schwierig. Ich habe in dieser Zeit die CDU nicht als Frontkämpfer erlebt. Inzwischen ist sie das und unterstützt das, und das ist gut so. Damals war das aber nicht der Fall. Ich weiß, dass es noch viele Jahre ge braucht hat, bis es auch der CDU-regierte Landkreis für sinn voll erachtet hat, Beratungsangebote bei sexuellem Miss brauch finanziell zu unterstützen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Noch eines möchte ich sagen: Ich habe bewusst das Wort „Op fer“ in der Rede gebraucht. Ich weiß aber aus meiner Erfah rung, gerade bei Wildwasser e. V., dass viele Betroffene von sexuellem Missbrauch sich ungern unter dieses Wort fassen lassen, weil sie den Eindruck haben, es reduziere sie auf eine Opferrolle. Menschen, die Opfer sexuellen Missbrauchs wur den, sind nicht an sich Opfer, sie sind Menschen, die zu Op fern gemacht wurden, sie sind Menschen, die eine schreckli che Erfahrung gemacht haben. Sie sind aber auch Menschen, die oft eine erstaunliche Stärke, einen Überlebenswillen ent wickeln bzw. entwickeln mussten. Diese Stärke, diesen Über lebenswillen sollten wir in den Mittelpunkt stellen und unter stützen. Dafür gebühren ihnen unser Respekt und unsere An erkennung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit darf ich unter Bezug auf § 82 b dem Kol legen Lehmann das Wort zu einer persönlichen Erklärung er teilen. Nach § 82 b Absatz 2 dürfen persönliche Erklärungen „nur die Zurückweisung eines persönlichen Angriffs oder die Berichtigung einer unrichtigen Wiedergabe von Ausführun gen zum Gegenstand haben“. – Bitte schön, Kollege Leh mann.

Vielen Dank, Herr Prä sident. – Meine Damen und Herren, ich bin schon seit 2006 Mitglied im Landtag. Das, was Herr Löffler heute aber in Be zug auf meine Person vorgetragen hat und was der CDU-Frak tionsvorsitzende Hauk in einer Pressemitteilung in dieser Wo che herausgegeben hat, hat mich erschüttert.

Herr Löffler, ich hatte Ihnen gestern noch gesagt, dass ich da mals im Landesvorstand war. Das wissen Sie. Ich hatte Ihnen auch gesagt, dass ich und auch Jürgen Gneiting, den Sie auch erwähnt haben, diesen Beschluss nicht mitgetragen haben. Sie wissen auch – das gehört zur Redlichkeit mit dazu –, dass der Landesvorstand einen Beschluss gefasst hat, der sich ganz klar von sexueller Gewalt und von Sexualität mit Kindern distan ziert hat. Das wissen Sie. Das habe ich Ihnen auch gesagt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Gestern!)

Das Ganze ist – das muss ich Ihnen auch sagen – infam.

Was mich auch erschüttert – – Ich habe mit Herrn Reinhardt vom „Mannheimer Morgen“ telefoniert; er hat mich angeru fen. Ich habe sehr offen über das Thema geredet. Ich denke, wir Grünen können über dieses Thema offen diskutieren. Wir haben nie verheimlicht, was damals diskutiert und beschlos sen wurde. Ich habe immer gesagt: Es gab natürlich Gruppen, die in den Gründerjahren zu den Grünen gekommen sind. Die Grünen haben sich mehrfach gehäutet; das wissen Sie. Wir sind nicht mehr die gleiche Partei wie damals. Ich bin Grün dungsmitglied; ich bin immer noch hier. Aber ich habe mich nicht gehäutet.

Meine Position in diesen Fragen war immer glasklar. Ich ha be mich immer dafür eingesetzt, dass Kinder geschützt wer den, dass Gewalt in der Sexualität gebrandmarkt wird. Das war eigentlich auch das Kennzeichen der Debatte. Es ging um Gewalt in der Sexualität. Die Grünen haben das in Deutsch land seit ihrer Parteigründung vorgebracht.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Es ist für mich wirklich betrüblich, wenn Sie uns jetzt als Pä dophile beschimpfen, Herr Löffler.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das stimmt nicht! Das ha ben wir doch gar nicht gemacht!)

Herr Kollege Lehmann, bitte, eine persönliche Erklärung.

Ich muss sagen: Das ist ungeheuerlich. Es ist auch ungeheuerlich, dass Sie mich dann auch in diese Nähe rücken, dass ich jetzt ein Pädophiler wä re, Herr Löffler.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Herr Hauk, ich kann ja hier aus Ihrer Pressemitteilung vom 17. Juni 2013 zitieren.

(Abg. Peter Hauk CDU: Gern!)

Zitat aus der Pressemitteilung der CDU:

Grüne müssen sich von ihrer pädophilen Vergangenheit distanzieren!

Weiter sagen Sie, auch der Studiendirektor Siegfried Lehmann solle sich hier zum damaligen Beschluss äußern und erklären, wie er heute dazu stehe.

(Zurufe von der CDU: Ja! – Korrekt! – Richtig!)

Das mache ich. Ich habe noch nie ein Geheimnis daraus ge macht, dass die Grünen – Herr Löffler, Sie wissen das genau – damals natürlich auch Anziehungspunkt für Leute wie die Stadtindianer waren, die bei den Grünen überall immer wie der aufgetaucht sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU – Glocke des Präsidenten)

Wir haben aber in Baden-Württemberg – –

Moment bitte, Herr Kollege Leh mann. Ich habe vorhin § 82 b Absatz 2 vorgelesen. Ich bitte Sie, diese persönliche Erklärung ausschließlich zum Anlass zu nehmen, den gegen Ihre Person gerichteten Angriffen hier aus Ihrer Sicht entgegenzutreten,

(Zurufe von den Grünen, u. a.: Macht er!)

und nicht nochmals die Position der Grünen darzulegen. – Bit te schön.

(Unruhe)

Die Aussage, dass der Landesvorstand damals aus taktischen Gründen einen Be schluss gefasst hätte und dass hier ich oder auch Jürgen Gnei ting das so gemacht hätten, stimmt nicht. Wir haben dagegen gestimmt. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass diese Positi on in Baden-Württemberg keine Position der Landespartei wird.

Ich muss auch sagen, mich betrifft der Vorwurf persönlich sehr, weil ich seit über 15 Jahren Mitglied und auch Förder mitglied des Fördervereins Frauen- und Kinderschutzhaus Ra dolfzell bin. Es ist mir immer ein Anliegen gewesen, dass ge rade Gewalt gegen Kinder und Frauen in der gesellschaftli chen Debatte entsprechend Beachtung findet.

Als Waltraud Schoppe vor über 30 Jahren im Bundestag die Vergewaltigung in der Ehe thematisiert hat, wurde von Uni onsabgeordneten gesagt: „Diese Frau hätte man früher ver brannt.“

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Genau! So war’s!)

Da muss ich sagen: Ich bin stolz, in dieser Partei zu sein, die sich den Fragen der sexuellen Gewalt gestellt hat.

(Zurufe von der CDU und der FDP/DVP)

Es hat bis 1994 gedauert, bis Vergewaltigung in der Ehe über haupt ein Straftatbestand wurde. Das ist auch ein Erfolg der Grünen in der Diskussion über Gewalt und Sexualität. Ich un terstreiche das, da es keinen Millimeter an Differenzen zu dem, was Frau Mielich hier gesagt hat, gibt.

(Zurufe von der CDU)

Sexualität hat auch immer etwas mit Gewalt zu tun. Es gibt keine einvernehmliche Sexualität zwischen Erwachsenen und

Kindern. Das gibt es nicht. Daher sind alle Strafrechtsbestim mungen in diesem Bereich zu halten und entsprechend auch zu verschärfen.

Ich habe mich in der letzten Legislaturperiode dafür einge setzt, dass sexueller Missbrauch und sexuelle Handlungen an zehn Auszubildenden in Baden-Württemberg zum Entzug der Ausbildereignung bei einem Arzt führen sollten. Aber es hat nicht funktioniert. Die Gerichte haben nicht mitgemacht, die Landesärztekammer hat nicht mitgemacht, und auch das So zialministerium hat nicht gehandelt.

Ich lasse mir nicht vorwerfen, ich stünde in der Nähe irgend welcher Päderasten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: